Innovation statt Überoptimierung

Es ist eine schöne Vorstellung: Automatisieren, optimieren und Mitarbeiter für kreative Arbeit freispielen. In der Praxis sieht es aber oft anders aus. Gunter Dueck zeigt Missstände und Fehlentwicklungen auf und macht konstruktive Vorschläge, wie es besser gehen könnte. [...]

Der studierte Mathematiker Gunter Dueck war bis 2011 CTO bei IBM und weiß, wovon er schreibt. (c) Gunter Dueck
Der studierte Mathematiker Gunter Dueck war bis 2011 CTO bei IBM und weiß, wovon er schreibt. (c) Gunter Dueck

In einem seiner sehenswerten Stücke macht sich Kabarettist Klaus Eckl aus der Sicht des Konsumenten über den Optimierungswahn der Unternehmen lustig. Das gipfelt in seiner Prophezeiung, dass irgendwann IKEA-Mitarbeiter ihre Kunden in den Wald führen und dort vor einem Baum stellen werden, aus denen sie ihre Kommode selbst fertigen können. Quasi »Do-it-yourself extreme«: Maximale Optimierung seitens des Unternehmens bei gleichzeitig maximaler Unzufriedenheit des Kunden.

Doch die bei Eckl radikal überzeichneten und deswegen witzigen Fantasien haben ihren Ursprung natürlich in tatsächlichen (Fehl-)Entwicklungen in der realen Welt. 

In seinem Buch »Heute schon einen Prozess optimiert?« nähert sich der Mathematiker Gunter Dueck auf kritische Weise den Optimierungsmöglichkeiten und Effizienzsteigerungsmaßnahmen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Dueck weiß, wovon er spricht, arbeitete er doch seit den 1980er Jahren in der IT (damals noch EDV geheißen) und bis 2011 als Chief Technology Officer bei IBM. Seitdem ist er in den – wie er es nennt – »Unruhestand« gezogen und als Autor, Netz­aktivist, Business Angel und Speaker tätig. Frei von Rücksichtnahmen auf etwaige unternehmerische Interessen basieren seine Erkenntnisse auf Erfahrung, genauen Bebobachtungen und scharfer Analyse. Dabei zeigt er – präzise formuliert und mit pointiertem Humor – nicht nur Missstände auf, sondern präsentiert auch Wege, wie es besser gehen könnte. Das Buch regt zum Nachdenken an, wie vor allem Unternehmen die Digitalisierung leben wollen. Denn eines ist klar: Die Digitalisierung passiert im Hier und Jetzt. Sich als Unternehmen dagegen zu wehren, ist definitiv keine Option. Dueck: »Wenn eine Sintflut kommt, so baue Schiffe und keine Deiche.« Das ist die Ausgangslage.

Und ja, Digitalisierung kann vieles effzienter und besser gestalten, Optimierung von Prozessen ist sinnvoll.

Doch wie weit und was soll optimiert werden? Das sind Fragen, denen
Dueck in diesem Buch nachgeht. Klar ist: »Was digitalisiert  werden kann, wird digitalisiert.« Das betrifft laut Dueck nicht nur »Papierkram«, sondern auch jede Menge Jobs, von denen man das nicht erwartet hätte. 

Wurden anfänglich Prozesse effizienter und kostengünstiger gestaltet, um letztlich die Kundenzufriedenheit zu verbessern, erreichen heute Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen zwar ein neues Niveau, die Kundenzufriedenheit sei vielerorts dennoch kaum gestiegen, so Dueck. Zudem führten mittlerweile in zahlreichen Großunternehmen externe Managementberater die Prozessoptimierungen durch, deren Leistung rein an der erreichten Effizienzsteigerung und Kostenersparnis gemessen werde. Nach getaner Arbeit seien die Berater weg, das Unternehmen müsse mit den Konsequenzen leben.

Digitalisierung bedeutet zwar »schneller und günstiger«, aber ermöglicht gleichzeitig die Schaffung neuer Geschäftsbereiche und damit neuer Jobs. Leider sei das Management vieler Betriebe ausschließlich auf Effizienzsteigerung und Kostensenkung fixiert, ohne dabei neue Geschäftsmöglichkeiten zu evaluieren und zu erschließen. Innovation bleibt auf der Strecke. Start-ups zeigen vor, wie es besser geht.

Gunter Dueck: Heute schon einen Prozess optimiert? Campus Verlag 2020

Das Buch hat 323 Seiten und behandelt viele weitere Optimierungsfacetten der Digitalisierung. Es lohnt sich, das ganze Buch zu lesen. 


Mehr Artikel

News

Große Sprachmodelle und Data Security: Sicherheitsfragen rund um LLMs

Bei der Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Datensicherheit in KI-Workloads ist es entscheidend, die Perspektive zu ändern und KI als eine Person zu betrachten, die anfällig für Social-Engineering-Angriffe ist. Diese Analogie kann Unternehmen helfen, die Schwachstellen und Bedrohungen, denen KI-Systeme ausgesetzt sind, besser zu verstehen und robustere Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*