Intel sucht einen neuen Vorstandschef. Die Vorgaben sind hoch. So soll das neue Oberhaupt etwa Erfahrung mit hochmoderner Fertigung und jährlichen Ausgaben von zehn Milliarden Dollar haben. [...]
Unter dem scheidenden Firmenlenker Paul Otellini, der in Pension geht, sind die Amerikaner unter Druck geraten. Kritiker legen ihm zu Last, sich zu stark auf Schwellenländer fokussiert zu haben – und dabei die mobile Revolution verpasst zu haben. Unter seiner Führung forcierte Intel Chips für ultraflache Laptops statt für Tablets und Smartphones, die bei den Verbrauchern viel besser ankommen. Ein Nachfolger, der nicht in der eigentümlichen Firmenkultur verwurzelt ist, könnte die Werke des Branchenprimus erstmals für externe Kunden wie Apple öffnen oder neue Wege aufzeigen, wie Intel im Mobilgeräte-Markt aufholen könnte, sagt Analyst Nathan Brookwood von der Beraterfirma Insight 64.
Die Hoffnung einiger Investoren auf einen solchen externen Kandidaten dürften sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach in Luft auflösen. Die Berufung eines Visionärs vom Schlage eines Steve Jobs‘ mag für viele attraktiv klingen, doch sie birgt hohe Risiken, wenn sich Intel nicht mehr auf seine Hauptstärke konzentrieren würde – die überaus profitable Fertigung in den eigenen Fabriken. Manager mit Erfahrungen im Umgang mit einem Umsatz von 53 Mrd. Dollar, riesigen Entwicklungsbudgets und einem modernen Produktionsnetz sind selten. „Wenn man jemanden von außerhalb der Chip-Industrie holt, wird es sehr schwierig. Intel ist auf seine Weise einzigartig“ sagt Patrick Henry, Chef von Entropic Communications, einem Spezialisten für Chips in der Unterhaltungselektronik. „Es würde mich überraschen, wenn sie keinen internen Kandidaten berufen.“
Viele Experten verweisen warnend auf die Fehlgriffe des weltgrößten PC-Herstellers Hewlett-Packard (HP). Der frühere SAP -Chef Leo Apotheker hinterließ dort während seiner elfmonatigen Regentschaft einen gewaltigen Flurschaden. Erst jüngst entpuppte sich die Übernahme der Software-Schmiede Autonomy als Milliardengrab. Zuvor hatte der Deutsche schon miese Zahlen vorgelegt und mit später verworfenen Plänen zum Ausstieg aus dem PC-Geschäft die Aktie auf Sturzflug geschickt. „Ich glaube nicht, dass Intel eine 180-Grad-Wende braucht. Man braucht dort niemanden wie Leo Apotheker“, sagt JMP-Branchenexperte Alex Gauna. „Nach den üblen Erfahrungen bei HP ist es wahrscheinlich, dass Intel nach der Rochade im Mai weitgehend gleich aussieht.“
Manager aus dem eigenen Haus
Die größten Hoffnungen auf Otellinis Erbe dürfen sich Produktionschef Brian Krzanich und Finanzvorstand Stacy Smith machen. Neben Software-Chefin Renee James wurden sie von Intel explizit als mögliche Nachfolger ins Rennen geschickt. Krzanich leitet bisher mit der Fertigung den Kern des Unternehmens, Smith ist in der Finanzgemeinde beliebt. Viele Analysten drücken ihm die Daumen. Intel-Sprecher Chuck Malloy sagte, die Manager aus dem eigenen Haus hätten den natürlichen Vorteil, dass sie mit dem produktionsintensiven Geschäftsmodell und der eigenen Ingenieurskultur vertraut seien.
Otellinis Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen, habe den Verwaltungsrat unvorbereitet getroffen, räumte der Sprecher ein. Zuvor waren Chefwechsel stets lang im Voraus eingefädelt worden. Jetzt kommt die Personalie zur Unzeit. Es wird mit einer monatelangen Suche gerechnet. „Der perfekte Nachfolger, den es derzeit wohl nicht gibt, wäre jemand der sowohl die gigantischen Fabriken im Griff behält als auch den Wandel zur Mobilität schafft. Außerhalb Samsungs gibt es solche Leute nicht. Und von den Koreanern wird niemand kommen, der Kulturunterschied ist zu groß“, urteilt Tech-Experte Patrick Moorhead von Moor Insights Strategy.
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