Intelligente Verteilung von Notärzten

Eine optimierte Verteilung von Notarztstationen kann die rasche notärztliche Versorgung eines noch größeren Teils der Bevölkerung sicherstellen – und gleichzeitig Geld sparen. Dies zeigt eine soeben international veröffentlichte Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL Krems). [...]

Maximal 15 bis 20 Minuten darf es dauern, bis nach Eingang eines Notrufs eine Notärztin oder ein Notarzt zur Stelle ist. (c) Pixabay
Maximal 15 bis 20 Minuten darf es dauern, bis nach Eingang eines Notrufs eine Notärztin oder ein Notarzt zur Stelle ist. (c) Pixabay

Im Rahmen der Studie wurden zahlreiche Verteilungsmöglichkeiten für Notarztstationen im Land mit komplexen Computermodellen berechnet und verglichen. Dabei wurden neue Wege gefunden, die es bei gleicher oder geringerer Anzahl an Stationen erlauben würden, einen noch größeren Teil der Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit notärztlich versorgen zu können. Wesentlich für die Berechnung war die Berücksichtigung von umfangreichen digitalen Daten zum bestehenden Straßennetzwerk, sowie von Bevölkerungsbewegungen während der Tageszeit.

Manchmal muss es schnell gehen – besonders in Notfällen. Maximal 15 bis 20 Minuten darf es dauern, bis nach Eingang eines Notrufs eine Notärztin oder ein Notarzt zur Stelle ist. In urbanen Ballungsgebieten ist das mit wenigen, größeren Notarztstationen gut zu schaffen – in dünnbesiedelten Flächengebieten eher nicht. Um auch entlegene Gebiete rasch erreichen zu können, ist dort eine sinnvolle Verteilung vieler, kleinerer Stationen wichtig. Welche Möglichkeiten exzellente mathematische Modelle, umfangreiche Computer-Power und modernste digitale Geo-Daten bei der Berechnung optimaler Verteilungen dieser Stationen bieten, zeigt eine soeben im „International Journal of Medical Informatics“ veröffentlichte Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems (KL Krems).

Streuverlust

Zum Hintergrund der Studie meint Studienautor Dr. Robert Fritze, selbst Notfallmediziner und Wissenschafter an der KL Krems: „Die aktuelle Verteilung von Notfallmedizinerinnen und -medizinern in Niederösterreich ist sehr gut – nahezu 90 Prozent der Bevölkerung können von den bestehenden 32 Stationen aus zeitgerecht erreicht werden. Uns interessierte nun, ob ein praxisnahes Computermodell bei schwierigen Standortentscheidungen einen intelligenten Beitrag leisten könnte. Das Ergebnis ist ein eindeutiges „Ja“.“

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der Studie von Dr. Fritze, der in der Klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Krems tätig ist, dass eine andere Verteilung der Notfallstationen die zeitgerechte Versorgung von sogar über 95 % der Bevölkerung erlauben würde. Unter Beibehaltung aller bestehenden Standorte könnte diese Abdeckung mit nur drei weiteren Stationen erzielt werden. Bei einer – theoretisch angenommenen – Neuverteilung von bisherigen Stationen könnte dies sogar mit weniger als den aktuell 32 Stationen erreicht werden.

Möglich wurde dieses Ergebnis durch die Anpassung komplexer Algorithmen zur Berechnung spezieller Verteilungsprobleme auf die konkrete Aufgabenstellung in Niederösterreich. So galt es beispielsweise zu berücksichtigen, dass nur ganzzahlige Ergebnisse möglich sein dürfen. Denn, halbe oder viertel Notfallstationen wären zwar mathematisch möglich, in der Realität aber nicht. Dieser Anforderung wurde durch die Verwendung der so genannten „Ganzzahlig Linearen Optimierung“ Rechnung getragen. Zusätzlich „fütterte“ das Team um Dr. Fritze das Berechnungsmodell mit aktuellen und sehr detaillierten Geo-Informationen. „So wurde bei unseren Berechnungen nicht einfach die kürzeste Strecke berücksichtigt,“, erläutert Dr. Fritze die Komplexität der Berechnungen, „sondern es wurde anhand der umfangreichen Daten zum Straßennetz berechnet, welches der schnellste Weg wäre. Ein Rettungsfahrzeug kann ja 5 km auf einer geraden Autobahnstrecke schneller zurücklegen als 1 km auf einer kurvigen Nebenstrecke.“ Sogar das Mobilitätsverhalten der niederösterreichischen Bevölkerung floss in die Berechnungen mit ein. Denn, Pendlerströme führen tagtäglich zu einer massiven Umverteilung der Bevölkerung und damit auch zu räumlich verschobenen Anforderungen an die Rettungsdienste.

„Kasteldenken“

Insgesamt wurde ganz Niederösterreich – als kleinste räumliche Einheit für die Berechnung – in über 10.000 Zellen von je 1 km Kantenlänge unterteilt. Berechnet wurden nun Millionen von Verteilungsmustern, bei denen Notarztstationen in immer wieder verschiedenen Zellen an unterschiedlichen Plätzen virtuell angesiedelt wurden, wobei die Erreichbarkeit dieser Plätze durch das Straßennetz gegeben sein musste. Für jedes Muster wurde die Größe der zeitgerecht erreichbaren Bevölkerungsmenge berechnet und mit vorherigen Ergebnissen verglichen.

Nach tagelanger Rechnerarbeit lagen die Ergebnisse vor, die zukünftig europaweit bei Standortentscheidungen für Notarztstationen Berücksichtigung finden können. Die Studie verbindet damit das Fachgebiet der Informatik mit konkreten Anforderungen des notfallmedizinischen Alltags. Sie untermauert auf beeindruckende Weise den wissenschaftlichen Fokus der KL Krems, wo gesundheitspolitisch relevante Disziplinen anwendungsorientiert miteinander verknüpft werden.


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