Internet aus dem All

Ein Leben ohne Internet können sich viele nicht mehr vorstellen. Doch nicht überall auf der Welt gibt es Netz – und nicht jeder kann sich einen eigenen Zugang leisten. Das soll sich mithilfe verschiedener Satellitenprojekte ändern. [...]

Nicht nur OneWeb Satellites tüftelt am Internet aus dem All. (c) Pixabay
Nicht nur OneWeb Satellites tüftelt am Internet aus dem All. (c) Pixabay

In der Wüste kurz die Mails checken, im Dschungel die neusten Nachrichten lesen? An mobiles Internet haben sich die meisten Menschen gewöhnt. Aber es gibt Orte, da würden wohl die wenigsten mit Internetempfang rechnen. Ganz zu schweigen von nervigen Funklöchern. Neue Projekte versprechen nun, die gesamte Welt mit günstigem Internetzugang zu versorgen – mithilfe von Satelliten im Weltraum. Kann das funktionieren?

OneWeb Satellites heisst ein Vorhaben. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus und dem US-Telekommunikationsunternehmen OneWeb, hinter dem Internetpionier Greg Wyler steht.

Airbus ist für die Entwicklung der Satelliten zuständig. Am 26. Februar sollen die ersten von ihnen an Bord einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ins All geschossen werden. Hunderte weitere Satelliten sollen in den kommenden Jahren folgen – mit dem Raketenbauer Arianespace sind aktuell 21 Raketenstarts vereinbart. „Die Konstellation ist auf 900 Satelliten ausgerichtet“, erklärt Nicolas Chamussy, Leiter der Raumfahrtsparte von Airbus.

Das Neue an dem Projekt ist, dass die Satelliten auf eine niedrige Erdumlaufbahn von 1200 Kilometern gebracht werden sollen. Aktuell gibt es satellitenbasiertes Internet in der Regel von sogenannten geostationären Satelliten, welche die Erde in mehr als 35’000 Kilometern Entfernung umrunden. Ebenfalls besonders ist, dass die Satelliten in Massenproduktion gefertigt werden – mehrere Satelliten täglich werden gebaut. Sie sind kleiner und leichter als gewöhnliche Satelliten, daher können mit einem Raketenstart gleich eine Reihe von ihnen ins All befördert werden.

Keine Aussage über die Qualität

Auf der Erde kommunizieren Benutzer-Terminals mit den Satelliten im Weltraum. Im Fall von OneWeb funktioniert das über kleine Satellitenschüsseln, die auf dem Dach montiert sind und mit Solarstrom versorgt werden. Sie können 3G-, LTE- oder 5G-Internet sowie WLAN-N in die Umgebung bringen, verspricht OneWeb.

Wie gut die Qualität des Internets sein wird, lasse sich vorher nicht exakt sagen, erklärt Roland Bless vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Weil die Satelliten eine relativ niedrige Umlaufbahn haben, ist davon auszugehen, dass die Verzögerung im Vergleich zu herkömmlichen geostationären Satellitenverbindungen recht kurz sein dürfte.“ Eine möglichst geringe Verzögerung ist ein wesentlicher Faktor für schnelles Internet. Allerdings sieht der Experte auch einen Nachteil in der Nähe zur Erde. „Die Funkfrequenzen dürften relativ hoch sein. Das heisst, Wetterbedingungen wie Nebel oder Wolken können die Empfangsbedingungen beeinflussen.“

Außerdem müssen die Satelliten regelmässig ausgetauscht werden, denn ihre Lebenszeit ist begrenzt. Dadurch, so Kritiker, entsteht eine Menge Weltraumschrott. Chamussy von Airbus verweist auf ein französisches Gesetz, wonach ein Satellit, der von Frankreich aus startet oder dort entwickelt wurde, auch wieder aus dem Orbit geholt werden muss. Zwar könne er das nicht für jeden einzelnen der Satelliten garantieren, prinzipiell aber bestehe die Verpflichtung, schon am Anfang der Mission sicherzustellen, dass kein Weltraummüll entsteht.

Andere Wettbewerber für die globale Internetversorgung

Nicht nur OneWeb Satellites tüftelt an derartigem Internet aus dem All. Das kanadische Unternehmen Telesat will mit seinem Projekt „Telesat-Leo“ ab 2022 weltweiten Service anbieten, ebenfalls mithilfe von Airbus. Auch das amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla-Gründer Elon Musk arbeitet an einem ähnlichen Vorhaben und will mit „Starlink“ deutlich mehr Satelliten ins All bringen als OneWeb: Tausende sollen es werden. Erste Satelliten wurden Anfang 2018 mit einer Falcon-9-Rakete ins All gebracht. Wenn die Tests damit erfolgreich sind, soll auch „Starlink“ bald starten.

Facebook hatte ein ähnliches, seit 2014 entwickeltes Projekt – die Internetdrohne „Aquila“ – im vergangenen Jahr aufgegeben. Die Fluggeräte hätten monatelang autonom in grosser Höhe fliegen sollen. Ein erster Testflug im Jahr 2016 hatte mit einer Bruchlandung geendet. Ein konkurrierendes Projekt mit grossen Drohnen war von der Google-Mutter Alphabet schon zuvor aufgegeben worden. Ganz aus dem Rennen ist Alphabet damit aber nicht: An einer Internetversorgung mit Ballons wird weiter getüftelt. Die „Loon“-Ballons sollen in rund 18 Kilometern Höhe unterwegs sein, am Boden sind zumeist spezielle Antennen für den Netzempfang nötig.

„Es ist entscheidend, der Erste zu sein, der den Service anbietet“, sagt Chamussy von Airbus. „Tempo ist der Schlüssel.“ Ziel sei es, in den nächsten Jahren so schnell wie möglich sehr viele Satelliten ins All zu bringen. Solange nur ein Bruchteil von ihnen im All ist, funktioniert das Weltrauminternet nicht richtig. „Das frisst dann nur die Lebenszeit der Satelliten“, so Chamussy. Geplant ist dem Unternehmen zufolge, die digitale Kluft weltweit bis spätestens 2027 zu überwinden. An den Start soll das Projekt aber schon viel eher gehen.

Vielzahl von Benutzer-Terminals benötigt

Gibt es also in wenigen Jahren überall auf der Welt Internet? „Nun ja, vieles ist auch noch unklar“, gibt Bless vom KIT in Karlsruhe zu bedenken. Prinzipiell sei es schon denkbar, den Großteil der Erde auszuleuchten. Auch Orte ohne schnelles Internet in Deutschland könnten vom Weltraumnetz profitieren. Allerdings brauche es eine Vielzahl von Benutzer-Terminals auf der Erde, die das Signal der Satelliten umwandeln. „Denn mit dem Smartphone allein kann man das Signal noch nicht empfangen“, so Bless. Das aber könnte teuer und aufwendig werden.

Auch die genaue Zusammenarbeit mit Telekommunikationsunternehmen ist noch nicht im Detail geklärt. Müssen Nutzer mit OneWeb, Starlink oder anderen Anbietern einen eigenen Vertrag abschliessen? „Das wäre natürlich eher unpraktisch“, so Bless. Oder kooperieren bestehende Unternehmen mit den Weltraumdienstleistern und bezahlen Roaming-Gebühren? Dann würde der Kunde wohl gar nicht mitbekommen, wenn er das Weltrauminternet nutzt. Offen ist zudem auch die Frage, ob der Internetempfang wirklich für Menschen in allen Regionen der Welt erschwinglich sein wird.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*