Interview: Bausteine einer erfolgreichen Datenstrategie

Unternehmen speichern zwar viele Daten, lassen über 90 Prozent analytisch jedoch ungenutzt. Ein Fehler, denn in Dark Data schlummert großes Geschäftspotenzial. [...]

Lesen Sie im Interview, welche Bausteine eine Datenstrategie beinhalten sollte, damit daraus eine runde Sache wird (c) pixabay.com

Herr Stöckler, als CEO und Mitgründer der Datavard AG sind Sie mit dem Thema Datenstrategie tief befasst. Welche Bausteine sind für die Entwicklung und Umsetzung einer Datenstrategie unerlässlich?

Gregor Stöckler: Ich sehe eine Handvoll Komponenten, die es bei der Umsetzung einer Datenstrategie unbedingt zu berücksichtigen gilt – aber natürlich gibt es darüber hinaus noch mehr. Aus der Praxiserfahrung von mehreren 100 Projekten haben sich jedoch folgende als wesentlich herauskristallisiert.

Zuallererst gilt es, eine Datenintelligenz aufzubauen, das heißt eine zielgerichtete Data Governance, die auf Echtzeitüberwachung und -analyse basiert, um so die drei wichtigsten Aspekte von Daten – Wachstum, Qualität, Verwendung – zu steuern. Ebenso sind agil und iterativ Datenrichtlinien und -standards festzulegen.

Zweitens ist es wichtig, ein Kostenmanagement mittels effektivem Data-Lifecycle-Management zu installieren, denn das Datenwachstum ist nicht nur eine große technische Herausforderung, sondern auch einer der größten Kostenblöcke, die IT-Abteilungen zu meistern haben. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass in der Regel nur 12 – 15 Prozent der Unternehmensdaten aktiv genutzt werden, wird einem schnell das enorme Einsparungspotential deutlich. Ein effektives Data-Lifecycle-Management stellt also zusätzlich zu den gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen eine Balance zwischen Nutzwert und Kosten von Daten her, ohne den Datenzugriff oder die Daten inhaltlich zu kompromittieren.

Drittens ist als essentielle, jedoch häufig unterschätzte Komponente und Grundlagenarbeit für den Erfolg einer Datenstrategie die Datenqualität zu nennen. Nur korrekte und vertrauenswürdige Daten ermöglichen es, fundierte Entscheidungen zu treffen, profitable Kundenbeziehungen zu erkennen und zu fördern, Innovationen bedarfsgerecht zu beschleunigen und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Datenqualität ist im Zuge der Digitalisierung essentiell für die sinnvolle Implementierung Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernens; denn Mängel in der Qualität von Daten be- und verhindern deren Nutzen, Erfolg und Durchführbarkeit. KI basiert auf der Grundlage, dass sie Modelle der Wirklichkeit (ähnlich wie Programme) auf Basis sogenannter Trainingsdaten erstellt und diese später auf echte Daten angewendet werden. Die Daten werden also quasi zum Programmierer. Die Wirksamkeit, der Wert und Erfolg dieser Modelle sind somit abhängig von der Qualität und Vollständigkeit der Trainingsdaten.

Viertens: Durch die fortschreitende Digitalisierung werden Fachabteilungen heute nicht nur in IT-Kaufentscheidungen einbezogen, sondern treffen diese auch selbst. Das beschleunigt den Trend der heterogen wachsenden IT-Landschaft maßgeblich. Eine inhaltliche und technische Datenkatalogisierung und -integration ist ein wichtiger Baustein, effektives Wissen über die einzelnen, unternehmensweit verteilten Data Assets aufzubauen. Der Aufbau einer internen Data Community bestehend aus Vertretern der IT und der Fachabteilungen, in Form von sogenannten Data Stewards oder auch Data Owners, ist ein wichtiger Schritt um Datensilos aufzubrechen und Data Governance im Alltag zu leben.

Fünftens schließlich sind für die erfolgreiche Entwicklung sowie Umsetzung einer Datenstrategie die rechtlichen Rahmenbedingungen hervorzuheben und zwar im Besonderen die Aufbewahrungspflichten sowie Datenschutz und Datensicherheit. Die beiden Letzteren werden fälschlicherweise oft synonym verwendet. Datensicherheit schützt Daten vor dem Zugriff Externer oder auch böswilliger Mitarbeiter. Datenschutz regelt, wie Daten gesammelt, ausgetauscht und verwendet werden. Es liegt auf der Hand, dass beide zum Schutz des Unternehmens wichtige Faktoren der Datenstrategie sind. Der Datenschutz ist nicht zuletzt aufgrund des potentiellen Imageschadens und der hohen Strafen bei Nichtbeachtung von essentieller Bedeutung und seit geraumer Zeit auch von großer gesellschaftlicher Relevanz.

„Ein großer Hebel für Kosteneffizienz und Wertsteigerung“

Gibt es Bausteine, die aus Ihrer Sicht zwar wesentlich sind, aber heute noch häufig vernachlässigt werden?

Stöckler: Die gibt es in der Tat. Ich denke dabei vor allem an Dark Data. Eine Erhebung von IDC besagt, dass bis 2022 sage und schreibe 93 Prozent der Daten, die ein Unternehmen durch reguläre Geschäftsaktivitäten, Geschäftsdokumente wie Sofortnachrichten, Social-Media-Posts, Log-Dateien, E-Mails, Videos etc. produziert beziehungsweise erhält, „dunkel“ und unstrukturiert sind. Mit anderen Worten: diese Daten werden zwar gespeichert, von den Betrieben aber weder genutzt noch verwaltet. Diese Verzicht auf Datenverwaltung führt neben hohen Speicherkosten auch zur Verletzung von Rechtsvorschriften. Dark Data bieten einen großen Hebel für Kosteneffizienz und Wertsteigerung. Durch die Kombination existierender Daten mit unerschlossenen Datenquellen können teilweise enorme zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden.

Können Sie ein Beispiel für die wertsteigernde Nutzung von Dark Data nennen?

Stöckler: Bei einem unserer Kunden, einem Einzelhändler in der Modebranche, der sowohl stationär, als auch online präsent ist, haben wir dazu eine 360°-Kundenanwendung gebaut. Durch Einbeziehung der Telefonprotokolle und des E-Mail-Verkehrs konnten neben zusätzlichen Einblicken in die Kontakthistorie, auch die Kontaktpräferenz der Kunden ermittelt werden. Zusätzlich konnten Lastspitzen im Call-Center vorausgesagt werden. In einem nächsten Schritt wird der Kunde eine automatisierte Anrufweiterleitung von VIP-Kunden – zum Beispiel auf Grundlage des Umsatzes – implementieren.

Sehen Sie Bausteine, die bereits eine Rolle spielen, deren Relevanz zukünftig jedoch sowohl für die Entwicklung als auch für die Umsetzung der Datenstrategie noch wichtiger wird?

Stöckler: Ich sehe hier vor allem die Datenkompetenz (Data Literacy) beziehungsweise Datenkultur als eine immer wichtiger werdende Komponente; eine Kompetenz, die die gesamte Organisation betrifft und uns als Gesellschaft im Ganzen in den nächsten Jahren, in der so viel zitierten Ära der digitalen Transformation, sehr beschäftigen wird. Gemeint ist damit die Fähigkeit, mit Daten so planvoll wie mit Gütern der physischen Welt umzugehen und sie im jeweiligen Kontext einzusetzen, zu interpretieren und zu hinterfragen. Wir sehen gerade im Kontext von Corona, wie wichtig diese Fähigkeit ist. Hier werden zwei Kennzahlen, nämlich die Inzidenz und Mortalität nicht datenkompetent aufbereitet und genutzt.

Für die Transformation von Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation ist es wichtig, dass diese Kompetenz über alle Ebenen im Unternehmen hinweg aufgebaut wird; denn fundiertes Know-how über die neuen Paradigmen, Methoden und Technologien werden im 21. Jahrhundert immer wichtiger für den Unternehmenserfolg.

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*Hans Königes ist Ressortleiter Jobs & Karriere bei Computerwoche.de und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.


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