Salesforce bringt mit dem AI Energy Score ein standardisiertes Bewertungssystem für nachhaltige KI, das Unternehmen helfen soll, energieeffiziente Modelle zu wählen und Kosten zu senken. Die ITWELT.at hat dazu mit Steffen Müller, Global Director, Sustainability Technology & Customer Advisory (Head of EMEA) bei Salesforce, ein Interview geführt. [...]

Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz bringt nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch steigende Energieanforderungen mit sich. Während KI-Modelle immer leistungsfähiger werden, wächst der Druck, ihre Umweltbelastung zu minimieren. Salesforce hat in Zusammenarbeit mit Hugging Face, Cohere und der Carnegie Mellon University den AI Energy Score entwickelt, ein Tool, das Unternehmen, Entwicklern und politischen Entscheidungsträgern ermöglicht, die Energieeffizienz von KI-Modellen objektiv zu bewerten.
Salesforce hat gemeinsam mit Partnern den AI Energy Score entwickelt. Was war die Motivation dahinter?
Mit der zunehmenden Verbreitung von KI steigt auch der Energiebedarf. Die zuletzt wieder verstärkte Nutzung fossiler Brennstoffe zur Versorgung von KI-Rechenzentren und der Bau zusätzlicher Energieinfrastrukturen erhöhen den Druck, dieser Herausforderung lösungsorientiert zu begegnen. Bisher gab es keinen klaren Weg, KI-Modelle auf der Grundlage ihrer Umweltauswirkungen zu vergleichen, und proprietäre Modelle hatten keinen sicheren Weg zur Bewertung. Der AI Energy Score adressiert diese Hürden und befähigt Unternehmen, Entwickler und politische Entscheidungsträger, fundierte und nachhaltige Entscheidungen über die Verwendung von KI-Tools zu treffen.
Inwiefern unterscheidet sich der AI Energy Score von bisherigen Ansätzen zur Bewertung der Energieeffizienz von KI-Modellen?
Die Hauptmerkmale sind das standardisierte Framework, die öffentliche Bestenliste, das Benchmarking-Portal für die Einreichung und das Energieverbrauchslabel. Der AI Energy Score misst die Energieeffizienz von KI-Modellen während der Inferenz, also der Phase, in der ein trainiertes Modell zur Verarbeitung neuer Daten eingesetzt wird. Er bewertet den Energieverbrauch anhand von standardisierten Benchmarks für gängige KI-Aufgaben wie Textgenerierung und Bildgenerierung. Einheitliche Datensätze für jede Aufgabe stellen sicher, dass eine vergleichbare, reale Leistung überprüft wird. Die Ergebnisse werden in einer öffentlichen Bestenliste veröffentlicht und mit einem 1- bis 5-Sterne-Label versehen.
Im Gegensatz zu anderen Initiativen konzentriert sich der AI Energy Score ausschließlich auf die Energieeffizienz von KI-Modellen während der Inferenz. Während Projekte wie MLPerf primär Leistungsbenchmarks bereitstellen und dabei optional Energiekennzahlen berücksichtigen, legt der AI Energy Score den Fokus auf einheitliche Energieeffizienzbewertungen.
Der AI Energy Score ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie für verantwortungsvolle KI-Entwicklung. Als eines der ersten Unternehmen in der Branche haben wir die Energieeffizienzdaten unserer eigenen Modelle offengelegt. Agentforce, unsere Plattform für autonome KI-Agenten, ist selbst auf den möglichst ressourcenschonendsten Einsatz der Technologie ausgelegt.
Wie könnte der AI Energy Score die Auswahl von KI-Modellen am Markt beeinflussen und erwarten Sie, dass Unternehmen ihre Prioritäten aufgrund solcher Benchmarks langfristig ändern?
Sind KI-gestützte Produkte mit einem Energie-Score gekennzeichnet, können sich Unternehmen bewusst für ein energieeffizientes Modell entscheiden und nicht nur die Umweltauswirkungen, sondern auch ihre Kosten senken. Politischen Entscheidungsträgern können diese Bewertungen bei der Ausarbeitung neuer Gesetze und Vorgaben helfen, die Anreize für den nachhaltigen Einsatz von KI bieten – zum Beispiel, indem sie incentivieren, dass Modelle, die besonders breit genutzt werden oder rund um die Uhr im Einsatz sind, einen möglichst guten Energie-Score aufweisen müssen.
Welche konkreten Vorteile ergeben sich für Unternehmen und Entwickler durch die Nutzung dieses Tools?
Anhand des AI Energy Scores können Unternehmen datenbasiert über den Einsatz energieeffizienter KI-Modelle entscheiden und dabei Leistungsmerkmale wie Genauigkeit, Latenz und Durchsatz mit Nachhaltigkeitszielen in Einklang bringen. Dadurch erleichtern sie sich die Auswahl der für ihre Ziele am besten geeigneten Technologie. Gleichzeitig senkt der Einsatz energieeffizienter Modelle die Energiekosten. Zudem werden Unternehmen ihrer Nachhaltigkeitsverantwortung gerecht, indem sie dem Aspekt des bewussten Ressourcenumgangs bei ihren Innovationsaktivitäten Priorität einräumen. Im Zuge der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Berichterstattung können sie die konkreten Metriken direkt integrieren, ohne die Werte separat aufwändig erheben zu müssen. Modellentwickler können sich durch einen hervorragenden AI Energy Score von der Konkurrenz abheben und dies als Verkaufsargument für sich nutzen. Damit entsteht ein Wettbewerb um die effizientesten und letztlich meist ressourcensparenden Lösungen.
Wie werden die standardisierten Energiebewertungen in der Praxis berechnet, und wie stellen Sie sicher, dass die Ergebnisse fair und transparent sind?
Der AI Energy Score bewertet die Energieeffizenz von KI-Modellen anhand von Messungen in realen Anwendungsszenarien. Dabei fließen zentrale Kriterien wie standardisierte Hardware-Typen, Modellarchitektur und tatsächlicher Ressourcenverbrauch in die Berechnung des Benchmarks ein. Um maximale Transparenz und Fairness sicherzustellen, erfolgt die Bewertung nach objektiv nachvollziehbaren Verfahren. Testdaten werden geteilt.
Das Ergebnis dieser Analysen wird in einem klar verständlichen 5-Sterne-System dargestellt, das Vergleiche zwischen verschiedenen Technologien erleichtert. So erkennen Unternehmen und Entwickler auf einen Blick, wie nachhaltig und energieeffizient einzelne KI-Modelle in der Praxis wirklich sind.
Welche Maßnahmen wurden getroffen, um die Sicherheit und den Datenschutz bei solchen Tests zu gewährleisten und wie verhindern Sie, dass Unternehmen ihre Modelle für maximale Bewertung optimieren, ohne tatsächlich effizienter zu sein?
Um Datenschutz und Sicherheit bei der Bewertung von KI-Modellen zu gewährleisten, unterscheidet der AI Energy Score klar zwischen offenen und geschlossenen Modellen. Offene Modelle werden automatisiert und öffentlich nachvollziehbar getestet. Dabei wird sichergestellt, dass ausschließlich standardisierte, neutrale Daten genutzt werden, die keinerlei sensiblen oder personenbezogenen Inhalte enthalten. Geschlossene Modelle, bei denen etwa Unternehmensdaten oder Kundendaten betroffen sein könnten, werden ausschließlich in speziell gesicherten und datenschutzkonformen Testumgebungen bewertet. So bleiben vertrauliche Informationen geschützt, während eine zuverlässige Energieeffizienzmessung möglich ist.
Um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Modelle lediglich oberflächlich für hohe Bewertungen optimieren, verfolgt der AI Energy Score mehrere Ansätze: Die Bewertung erfolgt anhand realitätsnaher und vielfältiger Szenarien, wodurch reine Benchmark-Optimierungen erschwert werden. Modelle werden in Relation zu vergleichbaren Technologien derselben Klasse und mit ähnlichen Anwendungsszenarien bewertet. Das verhindert, dass unrealistische Konfigurationen allein aus Bewertungsgründen bevorzugt werden.
Der AI Energy Score stellt sicher, dass eine hohe Bewertung nicht absolute Perfektion bedeutet, sondern lediglich anzeigt, dass das jeweilige Modell im Vergleich zu derzeit verfügbaren Alternativen besonders effizient arbeitet.
Agentforce integriert energieeffiziente Sprachmodelle. Welche Lehren haben Sie aus der Optimierung solcher Modelle wie SFR RAG gezogen, und wie können diese Erkenntnisse die Branche beeinflussen?
Bei der Entwicklung von Agentforce lag großes Augenmerk auf Nachhaltigkeit, mit dem Ziel, höchste Leistung mit minimalen Umweltauswirkungen zu vereinen. Im Gegensatz zu KI Marke Eigenbau, bei denen Unternehmen ihre Modelle aufwändig und mit hohem Energieaufwand selbst trainieren müssen, ist Agentforce bereits optimiert. Damit wird das kostspielige beziehungsweise CO2-lastige Training unnötig.
SFR-RAG von Salesforce ist ein kleines Sprachmodell (Small Language Modell/ SLM), das für genaue, zuverlässige Aufgaben optimiert ist. Es zitiert Quellen, extrahiert präzise Fakten und bearbeitet komplexe Fragen und liefert vertrauenswürdige Antworten mit höherer Effizienz und geringerem Energieverbrauch. Der Fokus unserer Innovation auf solche effizienten SLMs entstand aus unserem Werteversprechen von verantwortungsvoll entwickelter KI, ökologische Nachhaltigkeit beim Design und Bau unserer KI-Dienste explizit zu berücksichtigen.
Welche Rolle spielt diese Initiative im globalen Wettbewerb der KI-Branche, beispielsweise gegenüber Anbietern aus den USA, China oder Europa?
Der AI Energy Score leistet einen wichtigen Beitrag, um Nachhaltigkeit als entscheidendes Wettbewerbsmerkmal im globalen KI-Markt zu etablieren. Während bislang vor allem Kriterien wie Genauigkeit und Rechenleistung dominieren, bringt der AI Energy Score Energieeffizienz und ökologische Verantwortung als neue Wettbewerbsdimension in den Fokus. Davon profitieren insbesondere europäische Unternehmen, die oft bereits hohe regulatorische Anforderungen an Nachhaltigkeit erfüllen müssen, z.B. durch den EU AI Act.
Zudem fördert der AI Energy Score eine internationale Transparenz und Vergleichbarkeit der KI-Technologien, was Unternehmen weltweit dazu anregt, ihre Modelle und Innovationen nicht nur leistungsstärker, sondern auch ressourcenschonender zu gestalten. Langfristig könnte das einen globalen Standard setzen, der auch regulatorische Entwicklungen prägt und Nachhaltigkeit zur Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit macht.
Der AI Energy Score adressiert die Umweltbelastung durch KI. Gibt es Überlegungen, weitere Nachhaltigkeitsfaktoren, wie soziale Auswirkungen oder die Materialnutzung in der Hardware, mit einzubeziehen?
Faktoren wie Hardware-Effizienz, Modellarchitektur und Ressourcennutzung werden bereits berücksichtigt.
Wie sehen Sie die Verantwortung von Technologieunternehmen in Bezug auf die Umweltauswirkungen von KI-Entwicklung und -Anwendung?
Unternehmen und KI-Anwender haben zwar keinen direkten Einfluss auf den Energieverbrauch von KI-Modellen. Sie können jedoch bei der Auswahl der Technologiepartner und Sprachmodelle die Energieeffizienz zu einem wesentlichen Entscheidungskriterium machen und damit auch KI-Modellentwickler ermutigen, diesem Aspekt höhere Priorität einzuräumen.
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