Quantenmechanik am AIT: „Wir lassen die Katze lieber in der Box“

Die ITWELT.at sprach im Rahmen des QCI Days Vienna 2024 mit Dr. Hannes Hübel, Senior Scientist und Leiter der Forschungsgruppe "Optical Quantum Technologies" im Center for Digital Safety & Security am AIT Austrian Institute of Technology. [...]

Dr. Hannes Hübel, Leiter der Forschungsgruppe "Optical Quantum Technologies" am AIT. (c) Christian Husar
Dr. Hannes Hübel, Leiter der Forschungsgruppe "Optical Quantum Technologies" am AIT. (c) Christian Husar

Was sind Ihre Aufgabengebiete?

Ich leite die Quantentechnologieforschungsgruppe am AIT. Diese gibt es seit 2003, ich bin seit 2015 dabei. Wir sehen uns als Brücke zwischen Grundlagenforschung und der Kommerzialisierung. Wir sind hauptsächlich auf die Prototypentwicklung spezialisiert, das heißt, wir nutzen die Ergebnis aus der Grundlagenforschung und bauen auf dieser Basis Prototypen, mit denen man der Industrie die Funktionalitäten demonstrieren kann. Wir zeigen also den praktischen Einsatz und einen möglichen Weg zur Kommerzialisierung auf. 

Sie machen einen Proof of Concept? 

Es geht über den Proof of Concept hinaus, der meist im Labor stattfindet. Unsere Vorgangsweise ist die: Wir miniaturisieren den großen Aufbau im Labor, ergänzen ihn mit elektronischen Steuerelementen und Softwareentwicklung, um das System von einem Laptop aus relativ einfach steuern zu können. Wie bieten also eine Kombination aus Photonik, Elektronik und Softwareentwicklung an. Eine der großen Stärken am AIT ist, dass wir eben all diese Entwicklungen abdecken und im Haus haben. 

Wo sehen Sie sich international?

Wir sind etwa mit dem Fraunhofer Institut in Deutschland vergleichbar. Was das Know-how in der Quantenkommunikation betrifft, gehören wir zu den Top Fünf der Forschungseinrichtungen in Europa. Wir sind bei fast allen Forschungsprojekten der EU auf dem Gebiet Quantenkommunikation involviert und leiten diese zum Teil auch.

Professor Kugi, der wissenschaftlicher Leiter des AIT, hat in seinem Vortrag die Beziehung Österreichs zur Quantenmechanik als eine über viele Jahrzehnte dauernde Liebesbeziehung genannt, die mit Erwin Schrödinger begonnen hat. Lässt man die Entwicklung Revue passieren, so war es keine einfache Beziehung, was etwa das Verständnis betrifft. Hat sich das nun mit der zweiten Quantenrevolution geändert? 

Mit der ersten Quantenrevolution konnten wir erstmals die Natur quantenmechanisch beschreiben. Wir haben etwa das Verständnis dafür gewonnen, wie sich die Interaktion von Licht mit Materie auswirkt und dafür eine neue Physik entwickelt, eben die Quantenphysik. 

Wir haben in den letzten 10 bis 20 Jahren gelernt, diese einzelnen Quantensysteme zu erzeugen und zu kontrollieren. Dazu kommen die Messapparaturen, die die einzelnen Quantenzustände messen können. Man ist etwa in der Lage, ein Atom, das sich im Grundzustand befindet, in einen angeregten Zustand zu bringen. Und das alles verpacken wir in eine Technologie. Das ist das Neue an der zweiten Quantenrevolution. 

Bedeutet das, dass Schrödingers berühmte Katze keine Relevanz mehr besitzt?  

Die zweite Quantenrevolution ändert nichts an der philosophischen Interpretation der Quantenmechanik. Wir sind in der Lage, damit zu arbeiten, können aber mit unserer klassischen Denkweise nicht erklären, was hinter den quantenmechanischen Phänomenen steckt. Die Forschung wird natürlich versuchen, mehr Wissen über Quanteneffekte zu erlangen. Ich glaube aber nicht, dass wir überhaupt jemals in der Lage sein werden, die philosophischen Fragen zu lösen.  

Welche weiteren Entwicklungspfade sehen Sie in diesem Bereich? 

Eine sehr spannende Entwicklung ist, dass man versucht, die Quantenphysik in anderen Bereichen der Physik anzuwenden, etwa in der Thermodynamik oder in der Kosmologie. Es geht hier etwa um die Quanteneffekte bei Schwarzen Löchern. Man geht beispielsweise der Frage nach, ob es auch Verschränkungen über große Distanzen gibt. Die ESA-Missionen sind zum Teil Grundlagenforschung, das heißt, man baut riesige Interferometer im Weltall auf, um Quanteneffekte auf kosmologischen Distanzen und in starken Gravitationsfeldern – zum Beispiel in der Nähe der Sonne – messen zu können. 

Hat es nicht geheißen, dass die Quantenmechanik auf den Mikrokosmos beschränkt ist?

Genau das ist ja die spannende Frage. Hier stehen wir mit der Forschung erst am Anfang. Das Gute ist, dass die Technologie, die aus der Forschung entstanden ist, auch hilft, die Forschung voranzutreiben. 

Sie haben bei Ihrem Vortrag erwähnt, dass der Weg von der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung ein steiniger war und ist. Was sind die größten Hindernisse?

Man muss die Technik so beherrschen, dass man z.B. einzelne Atome einfangen kann, indem man sie herunterbremst. Das heißt, es braucht sehr viele einzelne technologische Schritte, die industriell verfügbar sein müssen und sich zusammensetzen lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Teil des Systems ist die Laser-Kühlung, die erst vor 30 Jahren erforscht wurde. Man muss mit elektromagnetischen Feldern arbeiten. Man braucht stabile Laser, um das Atom adressieren und in verschiedene Zustände bringen zu können. In der Vergangenheit haben viele der notwendigen Zwischenschritte gefehlt. Diese sind von anderen Richtungen der Physik gekommen, die es uns nun ermöglichen, mit den einzelnen Quantensystemen zu arbeiten. Bei Experimenten ist es oftmals möglich, aus Bausteinen ein Setup zu basteln, das für eine wissenschaftliche Veröffentlichung verwendbar ist. Eine 

praxistaugliche Technologie zu entwickeln, ist eine ganz andere Geschichte. Da müssen die einzelnen Komponenten bereits zu einem sehr hohen technologischen Reifegrad verfügbar sein, um sie zu einem Quantentechnologie-Produkt zu verbinden. 

In welchen Bereichen ist der Reifegrad am höchsten?

Auf jeden Fall in der Quantenkommunikation. Das hier verwendete Lichtteilchen (Photon) ist sehr robust gegen Einflüssen von außen, ist also sehr stabil, lässt sich leicht übertragen, und auch die Herstellung ist nicht überaus kompliziert. Aus einer Lampe kommen Photonen im Überfluss, die Herausforderung ist eher, ein einzelnes Photon zu gewinnen. Die Manipulation ist ebenfalls relativ einfach. Klassische Telekommunikation – und das gesamte Internet – basiert meist auf Photonen, die in Glasfasernetzen übertragen werden. Man kann von dem klassischen Know-how, das hier vorhanden ist, sehr viel profitieren. Das heißt, dass der Einstieg in die Quantenkommunikation um einiges einfacher ist als etwa in das Quantencomputing.

Der Teilchen-Wellen-Dualismus stört dabei nicht? 

Der Dualismus ist das Grundgerüst der Quantenmechanik und der Grund dafür, dass sie besser ist als manch anderer klassische Ansatz. Wir wollen diesen Dualismus gar nicht kollabieren lassen. Wenn das Ganze klassisch erklärbar wäre, hätten wir nicht die Vorteile. Also lassen wir die Katze lieber in der Box und schauen nicht nach. 


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