Der Mindbreeze-Gründer und -Geschäftsführer Daniel Fallmann spricht im Interview über den Status quo des Enterprise-Search-Marktes, den Kampf gegen Datenwachstum und -müll sowie die Zukunft, die einen persönlichen digitalen Assistenten bringen soll. [...]
Und beim generellen Datenwachstum?
Das Datenwachstum wird durch drei Faktoren limitiert: Wie weit möchte ich zurückgehen? Je nach Branche sind 10 bis 30 Jahre schon sehr viel. Je älter die Daten, desto wahrscheinlich ist es, dass die Daten aus dem Findeprozess herausgenommen werden. Zweiter Faktor: Daten, die redundant sind. Drittens: Man muss nicht alles indizieren wie etwa jeden Tweet.
Wie beurteilen Sie die durchschnittliche Datenqualität?
Bei den Unternehmen, die uns kontaktieren, ist die Datenqualität durchwegs sehr gut. Wir kommen in der Regel zu Kunden, die schon ein Dokumentenmanagementsystem oder ECM im Einsatz haben. Ein Unternehmen interessiert sich für Enterprise Search, wenn es seine Daten, die in DMS, ERP, CRM oder PLM sauber abgelegt sind, verknüpfen wollen.
Ist eine umfassende Digitalisierung Voraussetzung, um effektiv Enterprise Search arbeiten?
Die Digitalisierung ist nicht Voraussetzung, sie kann auch durch Enterprise Search passieren. Beispiel Posteingang: Hier kommen wir zu Kunden, die in diesem Bereich weder Workflow, noch ein Datenmanagementsystem haben. Dort ist die Datenqualität entsprechend schlecht. Mit unserer Lösung werden aus einem Textdokument etwa Metadaten, Themen etc. automatisiert extrahiert, damit steigt automatisch die Datenqualität. Wie haben auch Kunden, die mit sehr großen Fileshares arbeiten. Bei 100 TB findet man nichts. Man kann die Daten auch nicht säubern, weil man nicht weiß, wie viel Datenmüll auf den Laufwerken liegt. Hier kann Enterprise Search sehr gut helfen. Man kann nämlich interaktiv und explorativ durch die Daten am Fileshare gehen und manuell ein Data Cleansing durchführen. Das war davor nicht möglich. Mindbreeze analysiert die Files und macht klar, welche Daten in ein DMS, welche ins Archiv oder welche gelöscht gehören. Und man findet mitunter sensible Daten, die auf keinen Fileshare gehören. Damit steigen auch die Sicherheit und Compliance. In den letzten Jahren haben die Probleme, dass Unternehmen beispielsweise Lieferscheine nicht finden können, stark zugenommen. Daher bekommen wir immer mehr Anfragen, bei denen es um die Lösung ganz konkreter Probleme in Fachabteilungen geht.
Bei welchen Unternehmen ist die Not am größten?
Bei jenen, die bei der IT jahrelang gespart haben. Wir kommen jedoch sehr selten zu Kunden, bei denen die Situation dramatisch ist. Unsere Kunden sind in der Regel extrem gut organisiert. Sie stehen vor dem Problem, das Pierer schon 1995 formuliert hat: Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Das trifft genau das Kernproblem und erzählt gleichzeitig die Mindbreeze-Story.
Angesichts der vielschichtigen Aspekte, die Sie angesprochen haben: Ist Enterprise Search überhaupt noch ein zeitgemäßer Begriff?
Nein. Wir splitten das Thema gerade auf. Das eine ist Big Data Search und Big Data Analytics. Das zweite ist – was auch Analysten sehen – die Entwicklung hin zur Insight Engine: Die Einsicht in die Datenwelt. Der Begriff Enterprise Search wird von den meisten falsch verstanden. Man kann damit nicht nur einzelne Datenbank abfragen, sondern das Gesamtunternehmen: Was weiß ich zu Kunde X? Wenn man etwa im CRM auf einen Kunden klickt, bekommt man sofort suchbasiert relevante Informationen aus anderen Quellen. Das ergibt eine 360-Grad-Sicht auf unterschiedlichste Fragestellungen. Ob Big Data, das viele nicht mehr hören können, dafür der bessere Begriff ist, sei dahingestellt.
Wie läuft das Geschäft international?
Wir sind unter den Top-5-Unternehmen, egal ob bei Gartner oder Forrester. Wir haben im Ausland sehr viele Kunden. Kurioserweise kennen uns in Österreich viele nicht.
Warum ist das so?
Es gibt heimische IT-Leiter, die glauben, dass gute Software nur aus Amerika kommen kann, und uns nicht ernst nehmen. Anders in Deutschland, wo wir Vorstands- und CIO-Termine bekommen. Das ist eine Frage des Mindsets. Ich glaube auch, dass Österreich IT-seitig noch nicht soweit ist. Hier sind noch viele Hausaufgaben an der Basis zu erledigen. Ganz anders in den Beneluxländern, wo viele innovative Unternehmen mit Biss zu Hause sind. Dort haben wir die coolsten Projekte. Wir haben auch in Österreich tolle Kunden wie das Bundesrechenzentrum und die Niederösterreichische Landesregierung. Ein großer Teil ist aber im Ausland wie etwa Mexiko, wo wir einen großen Telekommunikationsanbieter gewinnen konnten.
Wie sind Sie vertrieblich aufgestellt?
Wir haben derzeit elf Partner. Wir wollen kurzfristig auf 20 kommen, jedoch nicht mehr. Wir schauen, dass wir in jedem Land einen Partner haben. Wo die Nachfrage größer ist, wie etwa USA und Lateinamerika, arbeiten wir mit Generaldistributoren zusammen. In Österreich agieren wir in der Regel direkt, das sind meist sehr große Kunden.
Wo liegt die untere Grenze für Ihre Lösung?
Unser derzeit kleinster Kunde hat 30 Anwender, eine Rechtsanwaltkanzlei. Kriterium ist jedoch nicht die Größe, sondern wie stark ein Unternehmen von Informationen lebt. Ein Customer Service kann noch so klein sein, profitiert aber von Mindbreeze. Es geht um die Art der Information, die man laufend braucht, um seinen Job erledigen zu können.
Wie sehen Sie die Zukunft von Big Data Search? Wann können wir mit einem persönlichen Assistenten rechnen?
Das Persönliche bekommt man über zwei Aspekte, an denen wir seit Jahren arbeiten. Das eine ist die Kontextualisierung. Man muss wissen, was jemand gerade tut, heißt aber auch, den Anwender als Person besser zu kennen. Wo ist jemand im Organigramm angesiedelt? Woher bezieht er seine Informationen? Kontextualisierte Information heißt, dass er aus den großen Datenmengen nur jene Informationen erhält, die für ihn gerade relevant sind. Durch Regeln ist zudem sichergestellt, dass er nur jene Informationen bekommt, die er sehen darf. Der zweite Aspekt ist die Verdichtung der Information: Ziel ist es, dass User auf Fragen nicht Dokumente, sondern konkrete Antworten erhalten. Das heißt, dass wir die Informationen aus vielen Einzelaspekten synthetisieren, die im Unternehmen verteilt sind. Wir können z.B. aus dem E-Mail-Verkehr Profile ableiten, um sagen zu können, wo die Interessen und Stärken eines Mitarbeiters liegen. Das ist für Großunternehmen extrem wichtig, um etwa die richtige Person zur richtigen Zeit fürs richtige Projekt zu finden. Da wird sehr viel kommen – oder wie es ein Kunde formuliert hat: „Even a breeze can blow your mind.“ (wf)
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