Das Auto der Zukunft

Autos entwickeln sich von traditionellen Fahrzeugen zu intelligenten Computern. Was das für die Autoindustrie bedeutet und wie Chips und KI dabei helfen, die Zukunft des Autos zu gestalten, weiß Jack Weast von Intel Automotive im ITWELT.at-Interview. [...]

Jack Weast, Vice President und General Manager von Intel Automotive, bei seiner Keynote auf der CES 2024. (c) Intel Corporation
Jack Weast, Vice President und General Manager von Intel Automotive, bei seiner Keynote auf der CES 2024. (c) Intel Corporation

Umbruch, Neugestaltung Revolution – solche Begriffe fallen immer häufiger in Zusammenhang mit der Automobilbranche. Wie wird die Zukunft des Autos aussehen und welche Rolle spielen Computerchips dabei? 

Das Auto hat sich in seiner grundsätzlichen Architektur in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert – im Gegensatz zu anderen Alltagsgegenständen wie etwa Telefone oder Haushaltsgeräte. Doch nun steht die Automobilindustrie in der Tat vor einer riesigen Veränderung, der vermutlich größten Transformation in der Geschichte der Branche. Die Hersteller müssen effiziente, umweltfreundliche Autos entwickeln, die neuen Verkehrskonzepten und Verbraucherwünschen entgegenkommen. Das geht weit über den Wandel hin zu Elektrofahrzeugen hinaus. 

Visuelle Darstellung von Intel Automotive des Autos der Zukunft. (c) Intel Corporation

Bisher waren Autos in erster Linie isolierte Gegenstände mit nur einem Zweck – nämlich Menschen von einem Ort zum anderen zu bringen. In Zukunft werden sich Fahrzeuge immer mehr in Richtung einer vernetzten, intelligenten Software-Plattform entwickeln. Ein nützlicher Begleiter für viele Lebensbereiche, ähnlich, wie es heute das Smartphone ist. Funktionen im Auto werden sich individuell und flexibel auf den jeweiligen Fahrer oder die Fahrerin zuschneiden lassen. Es wird stetig neue intelligente Anwendungen geben, die das Leben erleichtern, das Fahrerlebnis verbessern und sich dem Fahrer und der Fahrerin anpassen. Gleichzeitig können auch die Passagiere ganz leicht die Software ändern. Dafür müssen sie nicht einmal in die Werkstatt gehen. Das geht ganz leicht von überall.

Diese neue Ära des Automobils wird von Halbleitern eingeläutet. Die Chips sind die Grundlage für die Technologie und die Software, die die Funktionsweise von Autos umkrempeln und sie in fahrende Computer verwandeln.

„Mit dem Übergang zur Elektromobilität steigt die Bedeutung der Elektronik im Auto noch weiter. Das System wird zunehmend komplexer. Um das zu bewältigen, reicht es nicht aus, immer neue oder auch immer leistungsstärkere Prozessoren hinzuzufügen. Die historisch gewachsene Architektur des Autos, die für jede Funktion einen Chip einsetzt, ist an ihre Grenzen gelangt. Sie muss komplett umgestaltet und von Grund auf neu entwickelt werden.“

Jack Weast, Intel Fellow, Vice President und General Manager, Intel Automotive

Wie kam der Chip überhaupt ins Auto?

Schon in den späten 1960er Jahren wurden erstmals Computerchips in Fahrzeugen verbaut. Damals ging es vor allem darum, die Kraftstoffeinspritzung effektiv zu überwachen und zu steuern. Seitdem kamen immer mehr neue Anwendungen für Halbleiter dazu – mit jeder „intelligenten“ elektronischen Komponente ein neuer Mikrocontroller. Die Einsatzgebiete wurden immer vielfältiger – von Scheibenwischer, Airbags und ABS bis hin zur Traktionskontrolle oder auch modernen Fahrassistenzsystemen.

In heutigen Autos befinden sich üblicherweise mehr als 100 Mikrocontroller. Doch sie erfüllen meist nur eine einzige Funktion und interagieren nicht miteinander. Mit dem Übergang zur Elektromobilität steigt die Bedeutung der Elektronik im Auto noch weiter. Das System wird zunehmend komplexer. Um das zu bewältigen, reicht es nicht aus, immer neue oder auch immer leistungsstärkere Prozessoren hinzuzufügen. Die historisch gewachsene Architektur des Autos, die für jede Funktion einen Chip einsetzt, ist an ihre Grenzen gelangt. Sie muss komplett umgestaltet und von Grund auf neu entwickelt werden. Das ist die große Herausforderung, der sich die Branche aktuell stellen muss.

Was hat es mit der Entwicklung zu Software-defined Vehicles auf sich?

„Software-defined“ bedeutet: Moderne Fahrzeuge werden nicht von der Mechanik, sondern von der Software her gedacht sein. Stand in Fahrzeugen bisher der Motor im Mittelpunkt, um den herum alle Komponenten angeordnet sind, so werden Software-defined Vehicles (SDVs) um einen leistungsstarken Computer herum entwickelt. Statt 100 verschiedenen Mikrocontrollern mit jeweils nur einem Zweck, haben SDVs eine zentrale Recheneinheit, die das Gesamtsystem steuert. 

Das heißt auch: Rechenleistung und Energieeffizienz werden künftig viel wichtiger sein als Motorenleistung. Nicht mehr PS oder Spritverbrauch, sondern Software und Chips sind künftig die Faktoren, die ein Auto ausmachen und mit denen sich Hersteller von der Konkurrenz abheben werden. So hat Intel KI-optimierte System-on-Chips (SoCs) speziell für das softwaredefinierte Fahrzeug (SDV) entwickelt. Intel SoCs befinden sich heute weltweit bereits in mehr als 50 Millionen Fahrzeugen und steuern Infotainment, Displays, digitale Kombiinstrumente und viele weitere Systeme. Der softwarebasierte Ansatz erleichtert zudem die flexible Integration von intelligenten neuen Features. 

Sie haben KI bereits angesprochen. Welche Rolle spielt KI bei der Transformation der Autoindustrie?

KI spielt eine zentrale Rolle in der gesamten Industrie und ganz besonders in der Automobilbranche. Ich bin fest überzeugt davon, dass KI in Fahrzeugen in absehbarer Zeit zum Standard wird. Das Auto der Zukunft ist intelligent. Es kann denken und selbstständig handeln. Es kennt die Vorlieben des Fahrers und der Fahrerin, stellt sich darauf ein und stellt beispielsweise selbst die passendste Route zusammen. 

KI kann Autos auf ganz vielfältige Weise besser machen. KI verbessert die Fahrsicherheit, indem sie die Umgebung wahrnimmt und gegebenenfalls warnt oder aktiv eingreift. Und KI hebt das Fahrerlebnis auf ein neues Level. So könnten beispielsweise generative KI-basierte Sprachassistenten individuell mit einzelnen Passagieren kommunizieren, ihren Terminkalender verwalten oder das Entertainment-Angebot im Auto auf die jeweilige Person zuschneiden. Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind nahezu unbegrenzt.

Wird es jemals das autonom fahrende Auto (Level 5) geben und falls ja, wann?

Die Art und Weise, wie sich Menschen fortbewegen, wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten signifikant verändern, gerade in den Städten. Autonomes Fahren ist eine unaufhaltsame Entwicklung und die Verwirklichung eine Frage der Zeit. Schließlich sind die technologischen Voraussetzungen längst gegeben. Doch autonome Fahrzeuge sind nur eine Facette der Mobilitätsrevolution. Die Funktion und der Daseinszweck des Autos werden sich grundlegend verändern und erweitern. Das Auto entwickelt sich zum Assistenten, der die Fahrt zu einem vernetzten Erlebnis macht und in jeder Situation mitdenkt. Das Auto wird zum zweiten Lebens- und Arbeitsraum.

Intel entwickelt vor allem Chips. Arbeitet das Unternehmen bei autonom fahrenden Autos auch an Fahrsoftware/KI?

Das Portfolio von Intel umfasst KI-Technologien, die im gesamten Spektrum des Automobilsektors Anwendung finden, vom autonomen Fahren bis hin zu Infotainment-Systemen im Fahrzeug. Dazu gehören insbesondere auch KI-Beschleuniger und fortschrittliche Prozessoren, die darauf ausgelegt sind, KI-Algorithmen effizient und effektiv auszuführen.

Da vollkommen autonom fahrende Autos quasi mobile, vernetzte Computer sind, werden sie auch zum Ziel von Cyberangriffen. Welche Sicherheitskonzepte verfolgt Intel hier (unabhängig vom KI-gesteuerten autonomen Fahren)?

Größtmögliche Sicherheit ist ein zentrales Kriterium und die Voraussetzung dafür, dass die Transformation der Autobranche gelingt. Dazu gehört die Sicherheit auf der Straße, aber auch Cybersecurity sowie der Datenschutz. Zudem sind auf dem Weg zur Revolution der Mobilität auch noch rechtliche Rahmenbedingungen zu klären. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, um im engen Austausch mit allen Beteiligten sinnvolle und transparente Lösungen zu finden.

Wichtig ist es vor allem, bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen Vertrauen in die Technologie zu schaffen. Das wiederum gelingt am besten, wenn die gesamte Branche an einem Strang zieht und nach gemeinsamen Standards handelt – etwas, für das sich Intel sehr stark einsetzt.


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Markus Haller ist CEO & CTO von Asseco Solutions (c) Asseco Solutions
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