„Das Internet hat bisher noch immer eine Lösung gefunden“

ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert im Computerwelt-Interview über die neuen Entwicklungen bezüglich Vorratsdatenspeicherung und Netzneutralität. [...]

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) in der aktuellen Form für ungültig erklärt. Sie verletze wesentliche Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und verstößt insbesondere gegen Artikel 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta. Die ISPA, der Verband der österreichischen Internet Service Provider, war naturgemäß kein Freund der VDS. ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert spricht im Computerwelt-Interview über die erfreulichen Entwicklungen bezüglich Vorratsdatenspeicherung und Netzneutralität sowie ihre Auswirkungen auf Österreich.

Der EUGH hat die Richtlinie für die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Wäre der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung ein Vorteil für heimische Unternehmen?
Maximilian Schubert:
Ja, auch aus Sicht der Internetwirtschaft wäre der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung ein Vorteil. Die Speicherverpflichtung und vor allem die Beauskunftung ist für die ISPs mit großen Aufwänden verbunden. Die Beauskunftung muss nach dem 4-Augen-Prinzip erfolgen und zudem auch revisionssicher protokolliert werden.
Was die Anbieter aber jedenfalls beibehalten wollen, sind die Errungenschaften in Bezug auf Sicherheit bei der Übermittlung von Daten. Die Umstellung der Anfragen und Beantwortungen auf eine hochverschlüsselte Übertragungstechnologie ist zeitgemäß und hat auch für die Unternehmen Vorteile. Zurück zum Fax und unverschlüsselte E-Mail wollen sie beim Austausch von Daten mit Behörden keinesfalls mehr.

Glauben Sie, dass die Vorratsdatenspeicherung in Österreich gänzlich abgeschafft werden wird?
Ja, ich glaube dass das EuGH-Urteil letztendlich zur Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich führt. Die Frage der Beauskunftung bleibt aber auch dann weiter Gesprächsthema. Die ISPs wollen Verkehrsdaten auch in Hinkunft nur für die Verfolgung von Straftaten herausgeben, weil Beauskunftungen für zivilrechtliche Ansprüche ein grundsätzliches Problem einer „slippery slope“ darstellen. Gibt es beispielsweise einmal einen Auskunftsanspruch für Urheber, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis dieser auch für andere zivilrechtliche Anliegen gefordert wird. In der Vergangenheit haben ISPs die Anfragen von Richtern z.B. in (zivilrechtlichen) Scheidungsverfahren immer zurückgewiesen.
Die ISPs sehen sehr wohl die Herausforderungen, vor denen die Urheberinnen und Urheber stehen, und würden diese in der Wahrung ihrer Rechte gerne unterstützen. Diese Unterstützung kann und soll jedoch keinesfalls darin bestehen jeder bzw. jedem quasi auf Zuruf Informationen über Nutzerinnen und Nutzer zukommen zu lassen.

Was bedeutet das für die Netzpolitik in Österreich?
Ich sehe darin eine klare Anerkennung der Interessen und der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer, aber auch eine klaren Fingerzeig an einen Gesetzgeber, der hinter schwammigen Bestimmungen – wie z.B. dem sehr dehnbaren Begriff der „schwere Straftaten“ – tiefgreifende Eingriffe in Grundrechte versteckt.

Zum Thema Netzneutralität: Wie wichtig ist das Urteil des EU-Parlaments zur Beibehaltung der Netzneutralität?

Die Abstimmung im EU-Parlament ist ein Zwischenschritt im Gesetzgebungsverfahren. Jetzt sind die Mitgliedsstaaten am Wort. Wir sehen derzeit jedenfalls ein klares Signal gegen Netzsperren und Eingriffe in die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger.

Wie stehen Sie zu den Argumenten der Telkos, dass sich künftig Probleme auftun könnten, die Qualität von Diensten wie Video liefern zu können, weil keine Dienste bevorzugt behandelt werden dürfen?
Die Datenvolumina wachsen und nach eigenen Angaben der Access-ISPs schwinden die Deckungsbeiträge der Access-ISPs. Da stellt sich dann die Frage, wie der weitere Ausbau der alternativen Anbieter finanziert werden soll. Ich hoffe nicht, dass die Lösung des Problems in Erhöhung der Endkundenpreise gesehen wird. Ich bin aber grundsätzlich sehr optimistisch, denn das Internet hat bisher noch immer eine Lösung gefunden.

Das Interview führte Christof Baumgartner.

Maximilian Schubert:
Maximilian Schubert ist seit 2012 Generalsekretär der ISPA. Mit dem Internet bzw. dem IT-Recht beschäftigte er sich jedoch bereits während seines Studiums der Rechtswissenschaften in Graz, wo er über die rechtliche Zulässigkeit von Keyword Advertising promovierte. Nach seiner Gerichtspraxis absolvierte er 2007 einen Master in Innovation Technology & The Law an der Universität Edinburgh. Danach war er bei der OMV Deutschland GmbH im Behörden-Management tätig, bevor er 2010 als Jurist zur ISPA wechselte.


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