Helmut Leopold, Head of Center for Digital Safety & Security am AIT, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]
Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Es ist grundlegend wichtig Flexibilität zu unterstützen – in jeder Hinsicht. Es ist wichtig Unternehmensprozesse etabliert zu haben, welche ein virtuelles und verteiltes Arbeiten unterstützen. Dazu gehören effektive Kollaborationsplattformen und eine leistungsfähige mobile Arbeitsplatzausstattung, als auch eine akzeptierte Flexibilität bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Teams, die enger miteinander kooperieren müssen. Es ist sehr wichtig, dass sich die Teams laufend absprechen und je nach Notwendigkeit und Projektzielen den Arbeitsplatz wählen und die Interaktion mit den Kolleginnen und Kollegen entsprechend gestalten. Etablierte Projektteams mit klaren Projektzielen können sehr gut remote und vom Home Office aus agieren. Für effektive Innovationsprozesse ist es allerdings unumgänglich, dass auch persönliche Brainstorming-Meetings gepflegt werden und damit spontane bzw. ungesteuerte Kommunikation ermöglicht wird. Kreativität und Innovation können sich nicht in einer sterilen unpersönlichen Umgebung entwickeln.
Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Die Gestaltung von effektiven Arbeitsprozessen wird das bestimmende Element im nächsten Jahr sein, um trotz herausfordernder Rahmenbedingungen – national und international – erfolgreich zu wirtschaften. Und eine große Thematik wird das Ringen um unsere IT-Expertinnen und -Experten werden. Die Corona-Krise hat den bereits davor initiierten Transformationsprozess rund um die Digitalisierung in der Wirtschaft als auch der Gesellschaft wesentlich beschleunigt. Neue Kommunikationsservices sind entstanden und die Abhängigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft von funktionierenden digitalen Plattformen sind höchst augenscheinlich geworden. Dies geht nun einher mit großen strategischen Zielsetzungen wie Energiewende, nachhaltige Mobilität und Umbau des Internets zum Vorteil einer höheren Datensouveränität für uns alle.
Im gesellschaftlichen Kontext hat sich zudem auch die hohe Bedeutung und Notwendigkeit neuer digitaler Werkzeuge als weitere wesentliche Komponente herauskristallisiert, um Bürgerinnen und Bürger und damit den demokratischen Grundgedanken vor kriminellen Gefahren, die im Zuge der Pandemie weiter verstärkt wurden, zu schützen – etwa im Bereich der ausufernden meinungsmachenden Desinformation oder der rasant steigenden Online-Kriminalität. Aber natürlich verlangen neue Werkzeuge auch eine neue Kompetenz der Benutzerinnen und Benutzer im Umgang mit den digitalen Technologien.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2020?
Trotz der sehr schwierigen Rahmenbedingungen konnten wir durch eine gemeinsame Kraftanstrengung mit den AIT-Expertinnen und -Experten im Innovations- und Forschungsbereich unsere internationale Kompetenz und Leistungsfähigkeit für unsere Kundinnen und Kunden sowie Partner sehr erfolgreich unter Beweis stellen. Dass wir von großen internationalen Organisationen wie der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der Vereinten Nationen als auch der Europäischen Kommission als akzeptierte Leistungspartner betrachtet werden, um globale Herausforderungen der Digitalisierung zu bearbeiten, erfüllt uns mit Stolz. Im Zuge des Aufbaus einer hochsicheren Quantentechnologie als Kommunikationsinfrastruktur für die EU für eine neue europäische Datensouveränität sind wir zu einem der führenden Technologieexperten avanciert, für die IAEA führen wir Cyber-Sicherheitstrainings für Betreiber kritischer Infrastrukturen weltweit durch und national erreichten wir gemeinsam mit den österreichischen Behörden einen neuen Qualitätslevel hinsichtlich der Durchführung von modernsten Cyber-Sicherheitsübungen für Behörden, Infrastrukturbetreiber und Unternehmen.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Wir haben gemeinsam die Digitalisierung zu meistern und neue Technologien so zu gestalten, dass sie als effektive Werkzeuge in verantwortungsvoller Weise eingesetzt werden können. Auch Unternehmen, die bisher keine digitalen Produkte entwickelten und verkauften, müssen sich nun mit digitalen Technologien auseinandersetzen – dies aber nicht als vermeintlich bremsenden Kostenfaktor, sondern als bestimmenden Innovationsmotor.
Künstliche Intelligenz, Cyber-Sicherheit und neue Datenökonomien können wir nicht einfach zukaufen! Damit müssen wir uns gemeinsam intensiv auseinandersetzen und die Technik für unsere jeweiligen Ziele nutzbar machen. Dies braucht ein höheres Maß an Kooperationsbewusstsein, da folgendes nicht funktionieren wird: einfaches Outsourcing oder alles selbst zu machen. Wichtig ist dabei zu erkennen, dass enorm viel Wissen und Innovationspotential in Österreich bereits vorhanden ist – wir müssen dies nur richtig einsetzen.
Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Einerseits wollen wir einen wichtigen Beitrag aus unserem Kerngeschäft der Forschung und Innovation heraus leisten. Unsere ehrgeizigen Klima- und Energieziele auf dem Planeten werden wir nur erreichen, wenn wir die Möglichkeiten unserer verfügbaren Technik für die Lösung vieler Problemstellungen wie etwa eine klimagerechte Städteplanung richtig einsetzen.
Für den Digitalbereich sehe ich zwei ganz wesentliche Aufgaben: Einerseits müssen unserer Digitalplattformen für die Kommunikation und für die Datenverarbeitung höchst zuverlässig und verfügbar gemacht werden – damit wird Cybersicherheit zu einer grundlegend wichtigen Technologiefrage. Darüber hinaus müssen wir ganz fokussiert den durch die Digitalisierung rasant ansteigenden Energieverbrauch adressieren und durch technologischen Fortschritt und entsprechende zukunftsgerichtete Konzepte eindämmen. Dazu leisten wir global einen wichtigen Beitrag durch unsere bereits sehr erfolgreich etablierten Forschungsschwerpunkte in Schlüsseltechnologiebereichen der Photonik als auch der nächsten Funkgeneration 6G, nach dem Ansatz: Zukünftige Computer müssen photonisch arbeiten und Funktechnik muss auch Energie liefern und nicht nur verbrauchen.
Im Bereich des Unternehmens setzen wir hier beispielsweise auf höchst flexible Arbeitsprozesse und Arbeitsmittel, welche ein mobiles und flexibles Arbeiten unterstützen, um auch so einen Beitrag zur Ressourcenschonung zu leisten.
Wie gut ist ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
Für eine effektive New-Work-Arbeitsumgebung braucht es drei Elemente: Erstens eine höchst flexible Arbeitsplatzausstattung und IT-Dienste, die Mobilität höchstmöglich unterstützen; zweitens flexible Arbeitsrahmenbedingungen, welche von Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Arbeitszeitnutzung bis hin zu effektiven Geschäftsprozesssteuerungen reichen, die auch virtuell effektiv funktionieren; aber drittens und ganz besonders wichtig: es braucht eine gemeinsame Kultur im Unternehmen, damit eine flexible Arbeitsgestaltung überhaupt erst möglich ist. Dies verlangt ein neues Verständnis und entsprechende Kompetenzen seitens des Managements in der Personalführung und Ansteuerung, und es braucht effektive Formen der sozialen Kommunikation und Kooperation in den Arbeitsteams, um angenehme, emotional ansprechende und effektive Arbeitsabläufe in den Arbeitsteams auch laufend abstimmen und anpassen zu können.
Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Da wir einerseits sinkende Zahlen an Absolventinnen und Absolventen aus den Schulen und Universitäten feststellen und andererseits durch die Dynamik der Digitalisierung der Bedarf an Fachkräften rasant steigen wird – vom Lehrling über Facharbeiterinnen und Facharbeiter bis zu den Akademikerinnen und Akademikern – sind wir gemeinsam mit dieser besonderen Herausforderung konfrontiert. Dieser Problemstellung können wir kurzfristig nur durch zwei Ansätze begegnen: Erstens müssen wir verstärkt auch auf ausländische Expertinnen und Experten setzen, um vor allem Hightech-Kompetenzen durch sehr spezielles Knowhow abzudecken. Zweitens müssen wir alle mehr auf Kooperationen mit Fachhochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen bauen, denn dort werden unsere jungen Nachwuchsexpertinnen und -experten ausgebildet und können so auch rasch und effektiv für Projekte eingesetzt werden.
Langfristig müssen wir in unseren Schulen unbedingt im Rahmen einer gemeinsamen Kraftanstrengung der fehlenden Begeisterung an Technik und technischen Berufsbildern entgegenarbeiten. Die Faszination an technischen Innovationen und die hohe Relevanz von technischen Kompetenzen in unserer Gesellschaft müssen wir bereits in den Volksschulen und Unterstufen erfolgreich fördern und vermitteln, um die künftigen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einher gehen, gemeinsam und in unserem Sinne zu meistern.
Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.
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