IT-Abteilungen gelten oft als eine geschlossene Gesellschaft von Experten – zwar notwendig, aber nicht sehr beliebt. Der CIO Walter Hölblinger hat es mit seinem prozessorientierten Kommunikationsmodell namens "C3" geschafft, dass seine Mannschaft Vorbildwirkung ausübt. [...]
Unternehmensinterne IT-Spezialisten werden von Kollegen aus anderen Bereichen in der Regel nicht als Kommunikationsexperten gesehen. Für die einen sind sie „Nerds“, die eine rätselhafte Sprache voller Anglizismen pflegen. Für die anderen sind sie Menschen, die stets nach einem größeren Budget rufen, ohne verständlich erklären zu können, wofür. In der Masse, als IT-Abteilung, wirken sie nicht selten überheblich und unnahbar – eine Gruppe, der man besser aus dem Weg geht.
Walter Hölblinger, CIO von Steyr Arms, beschreibt im Gespräch mit transform! typische Szenarien: Ein Kollege einer Fachabteilung spricht einen IT-Mitarbeiter an, weil sein „Kastl nicht geht“. Letzterer blockt sofort ab, weil das Wording den Nichtfachmann verrät, und dieser fühlt sich nicht verstanden und damit schlecht aufgehoben. Ein andere typische Situation ist ein Meeting mit der Geschäftsleitung, die verkündet: „Wir müssen etwas mit Industrie 4.0 machen!“ Schnell stellt sich heraus, dass jeder der Beteiligten etwas anderes darunter versteht. Der CIO versucht Ordnung in die Diskussion zu bringen und erklärt die Sache aus der Sicht des Fachmanns. Die übliche Folge: Nur wenige ahnen, was tatsächlich gemeint ist, und die Geschäftsführung fühlt sich zumindest bloßgestellt. „Bereits vor meiner Zeit als CIO sah ich, dass ein Großteil der Informationen nicht richtig ankam beziehungsweise wahrgenommen wurde. Dies war die Grundlage vieler Missverständnisse und Probleme. Nach meiner Beförderung zum CIO analysierte ich diese Problematik noch intensiver und bemerkte dadurch erst, wie groß die Auswirkung einer solchen Fehlkommunikation wirklich sein kann.“
„Kastl“ bleibt „Kastl“
Während andere CIOs in einer solchen Situation gerne zu einem „Kommunikationstool“ greifen – mit der trügerischen Hoffnung, dass das Problem dank Technik von selbst verschwindet –, ist Walter Hölblinger angetreten, die Art und Weise, wie die IT-Abteilung kommuniziert, von Grund auf zu ändern.
Basis dieser Transformation ist das „CIO Communication Concept“ – oder kurz: „C3“, das Hölblinger aus der Praxis heraus entwickelt hat, mittlerweile aber auch wissenschaftlich untermauern ließ. „Vereinfacht gesagt: Der erste Schritt des Kommunikationsprozesses heißt Verständnis schaffen. Wenn die IT-Abteilung untereinander kommuniziert, dann weiß jeder der IT-Mitarbeiter, was gemeint ist. Alle anderen außerhalb unseres Raumes aber nicht. Dies ist kein Manko, sondern einfach eine Tatsache. Dessen mussten wir uns aber erst bewusst werden. Der nächste Schritt: Zuhören und zu verstehen versuchen, was das Gegenüber mitteilen will. Danach übersetzt man die Information in die IT-Sprache, sucht eine Lösung und übersetzt diese wieder in die Sprache des Gegenübers. So kann es durchaus vorkommen, dass ein und dieselbe Information – je nach Gegenstelle – im Aufbau, Vokabular und Fachtiefe vollkommen unterschiedlich ist.“
Hölblinger und sein Team nutzen diesen effektiven Kommunikationsprozess, dessen Herzstück der „Translation Layer“ ist, bei allen IT-relevanten Themen, sei es eine bloße Frage eines Anwenders, eine Idee oder sogar ein komplett neues Geschäftsfeld. So unterlässt der IT-Mitarbeiter beim eingangs erwähnten Beispiel die früher übliche Belehrung und bleibt beim Wording „Kastl“. Im Beispiel „Industrie 4.0“ übersetzt der CIO die an ihn gerichtete Frage so um, dass auch die Geschäftsführung damit etwas anfangen kann: „Was bedeutet Industrie 4.0 und wie kann sich das Unternehmen dieser Thematik nähern?“ Danach erfolgt eine Gegenüberstellung zu der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, der daraus abgeleiteten IT-Strategie, den Risiken und der sozialen Verantwortung des Unternehmens, wobei die Kommunikation dank des Translation Layers für alle Beteiligten verständlich und auf Augenhöhe stattfindet.
Von der IT geht eine Strahlkraft aus
So weit die negativen Folgen einer Fehlkommunikation gehen, so weit und noch weiter reichen die positiven Auswirkungen, wenn die Kommunikation passt. Hölblinger verwendet in diesem Zusammenhang gerne den Begriff „Strahlkraft“.
Dank des C3-Konzepts, das im Unternehmen Tag für Tag gelebt wird, fühlen sich Kollegen, die etwa mit einem Problem oder einer Idee zur IT kommen, auf einmal ernstgenommen und respektiert. Dies verbessert nicht nur das Image der IT-Abteilung insgesamt, sondern lässt Menschen auch offener kommunizieren. Dies wiederum hilft dem Fachmann, sein Gegenüber besser zu verstehen und Analogien aus der Lebenswelt des Nichtexperten zu finden, die die Informationsübermittlung erleichtern.
„Ein weiterer Aspekt, den ich zu Beginn völlig unterschätzt habe, ist der der Vorbildwirkung gegenüber anderen Abteilungen“, sagt Walter Hölblinger. Der zunehmend offenere und respektvollere Umgang miteinander lässt außerdem eine Kultur entstehen, die bekanntlich nicht zu den Stärken europäischer Unternehmen gehört: Fehlerkultur. „Das hat sich sehr ins Positive verändert. Eine offene Kommunikation motiviert dazu, über eigene Fehlschläge zu reden, ohne Gefahr zu laufen, stigmatisiert zu werden.“ Daraus würden sich wiederum Räume öffnen, die für die Entwicklung von Innovationen optimal sind. Last but not least lässt sich mit dem C3 endlich der Beitrag der IT am Gesamterfolg eines Unternehmens wesentlich besser als bisher darstellen.
„Disruption 2020“
Die Strahlkraft des innovativen C3-Kommunikationsmodells reicht über die Grenzen von Steyr Arms hinaus. So wird es bereits in den IT-Abteilungen anderer Unternehmen eingesetzt. Außerdem erhielt Walter Hölblinger dafür die Auszeichnung „Top CIO des Jahres 2019“. Von transform! gibt es für die wertvolle Idee und die Umsetzung das Prädikat „Disruption 2020“.
Der Beitrag ist in transform! 01/2020 erschienen. Ein Kommentar von Walter Hölblinger über Leadership und Kommunikation während der Corona-Krise ist hier erschienen.
Be the first to comment