Martin Madlo, Managing Director von Interxion Österreich, lässt im Gespräch mit der COMPUTERWELT das Jahr 2020 Revue passieren, erklärt, was wir aus der Corona-Krise lernen können und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das heurige Jahr. [...]
Inwiefern hat die Corona-Krise den Geschäftsverlauf 2020 Ihres Unternehmens beeinflusst?
Um die Performance und den reibungslosen Geschäftsbetrieb weiterhin zu gewährleisten, mussten Unternehmen bereits geplante Digitalisierungsinitiativen erheblich beschleunigen. Webbasierte Videokonferenzen, Instant Messaging und Collaboration-Tools wurden mit hohem Tempo in die gewohnte digitale Vor-Ort-Architektur integriert, damit das wirtschaftliche Überleben gesichert werden kann. Ein zentraler Aspekt dabei ist, dass die Connectivity zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Business-Tools leistungsfähig genug ist, um der neuen Normalität gerecht zu werden. Ist das nicht der Fall, wird der Zugang zu Informationen verzögert und die Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Innovation werden reduziert. Unternehmen benötigen daher eine Infrastruktur, die leistungsstark und zuverlässig genug ist, um die Services und die User Experience zu liefern, die sich ihre Kunden erwarten.
Direkt zu Beginn des Lockdowns ist die Nachfrage nach zusätzlicher Rechenzentrumsfläche, Konnektivität und direktem Zugang zu Cloud-Anbietern massiv angestiegen. Denn ohne sie wäre das Aufrechterhalten der Wirtschaft, aber auch Aspekte wie Distance Learning, Streaming, Gaming, Telemedizin, Videotelefonie, digitale Behördenwege und E-Commerce nicht möglich gewesen. Man kann sich kaum vorstellen, wie eine solche Krise und der Umgang mit ihr ohne das Internet und somit ohne hochverfügbare Rechenzentren ausgesehen hätten. Dementsprechend stark war und ist der Bedarf, das haben wir heuer noch stärker gespürt als ohnehin schon.
Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche bzw. auf Unternehmen auswirken?
Nachdem die Bedeutung digitaler Technologien aufgrund der Krise nun wirklich in sämtlichen Bereichen des Lebens und in allen Branchen angekommen ist, hat auch die IT-Branche einen neuen, höheren Stellenwert eingenommen. Die IT ist jetzt nicht mehr bloß eine Abteilung im Unternehmen, sondern der entscheidende Enabler für das gesamte Business. Daher wird die Branche im kommenden Jahr eine entsprechend hohe Nachfrage erleben. Das muss nicht immer gleich ein großangelegtes Innovationsprojekt sein, viele Betriebe müssen tatsächlich erst bei den Basics beginnen, aber eine Rückkehr zur rein analogen Welt ist seit 2020 weder vorstellbar noch wirtschaftlich nachhaltig.
Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2020 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Ich denke, wir sollten das Wort „unmöglich“ aus unserem Vokabular streichen und uns von alten, festgefahrenen Denkweisen verabschieden. Viel wichtiger ist es, danach zu fragen, wie etwas ermöglicht werden kann, und nicht ob. Wir haben sicher auch – durch das zwangsläufige Verlassen der Komfortzone – gelernt, wieder kreativer mit Herausforderungen und Hürden umzugehen, statt den Kopf in den Sand zu stecken.
Durch die Corona-Krise sind aber auch Aspekte wie Arbeitsbedingungen, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie das Wohlergehen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder stärker in den Fokus gerückt. Wir von Interxion haben uns daher schon früh mit dem arbeitspsychologischen Impact des ersten Lockdowns auseinandergesetzt und unser Angebot an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend erweitert, etwa im Rahmen von Workshops oder dem Ermöglichen von nicht-berufsbezogenen, informellen Gesprächen, um Isolation und Einsamkeit entgegenzuwirken. Man darf nicht unterschätzen, welche Bedeutung das Büro, das durch den raschen Umstieg auf Home Office plötzlich wegefallen ist, als soziales, identitätsstiftendes Umfeld hat. HR-Verantwortliche und Führungskräfte sollten dem Wohl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher mehr Aufmerksamkeit geben – auch nach der Pandemie.
Wie gehen Sie persönlich bzw. im Job mit Lockdown, Home Office, Home Schooling und Social Distancing um? Mit welchen Strategien und Verhaltensweisen sorgen Sie für Ausgleich?
Was ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage, gilt auch für mich: Klare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit und immer wieder Freiräume für sich selbst schaffen. Denn nur wer achtsam mit sich selbst umgeht, kann das auch mit anderen. Persönlich finde ich einen Ausgleich zum Business, indem ich mich sportlich betätige und meine Lauf- und Radrunden fix in meinen Kalender einplane. Das macht den Kopf frei und gibt – auch wenn man sich manchmal dazu überwinden muss – Energie für den ganzen Tag.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2020?
Zu den beruflichen Highlights zählt zweifelsohne der Merger mit Digital Realty. Denn nun stehen unseren Kunden 275 Datacenter auf der ganzen Welt zur Verfügung, sodass sie expandieren können, ohne sich um ihre IT-Infrastruktur sorgen zu müssen. Außerdem haben wir ein weiteres Grundstück mit einer Gesamtfläche von 22.000 m2 für 40 MW zusätzlicher IT-Kapazität in Wien erworben, damit wir den Wirtschaftsstandort Österreich weiter stärken. Die Nachfrage nach hochverfügbaren, sicheren Colocation-Rechenzentren steigt zusehends, durch den unerwarteten Digitalisierungsboost in diesem Jahr umso mehr. Mein persönliches Highlight sind jedoch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Teams: Sie haben in diesem herausfordernden Jahr unermüdlich ihr Bestes gegeben und wir sind als Team noch stärker zusammengewachsen.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2021 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Mit der fortschreitenden Digitalisierung, die heuer den Turbogang eingelegt hat, verzichten immer mehr Unternehmen auf ein eigenes Datacenter. Sie setzen auf professionelle Colocation-Rechenzentren, weil nur diese über die erforderliche Connectivity, Hochverfügbarkeit und Sicherheit verfügen, die erforderlich sind, um digital auf stabilen Beinen zu stehen. Das Erfolgsrezept lautet „Colocated Hybrid Cloud“ – ein hybrides Modell bestehend aus eigenen Servern im Colocation-Datacenter für die Sicherung betriebskritischer Daten und Prozesse einerseits sowie einem privaten Zugang zu Public Clouds für die Nutzung moderner Services und Applikationen andererseits. Dank direkter, physischer Verbindung zu den Clouds aller Hyperscaler sowie zu den Kunden, Zulieferern oder Partnern im Colocation-Rechenzentrum wird nicht nur die Latenz reduziert, auch die Netzwerkkosten werden verringert. Dieser Trend wird sich im nächsten Jahr noch verstärken, da der Betrieb eines eigenen Rechenzentrums inhouse immer weniger Sinn macht.
Zudem wird auch das Thema Künstliche Intelligenz den Durchbruch vom Buzzword zum echten Use Case schaffen – das besagt zum einen eine von uns in Auftrag gegebene Studie, zum anderen beobachten wir das auch bei uns im Haus, wo zukunftsweisende Innovationen made in Austria entstehen. Als Innovations-Enabler haben wir bereits frühzeitig darauf reagiert und betreiben aktuell das einzige österreichische Datacenter, das von NVIDIA, dem größten Hardwarehersteller für KI-Anwendungen, als DGX-ready zertifiziert ist. Damit ist unser Wiener Rechenzentrumscampus der ideale Standort, um das volle Potenzial neuer Technologien ausschöpfen zu können und somit mehr Effizienz, Resilienz und Wachstum zu erreichen. Auch im kommenden Jahr werden wir unsere Kunden dabei unterstützen, das volle Potenzial neuer Technologien auszuschöpfen.
Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat.
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