Christian Leopoldseder, Managing Director Austria bei Asseco Solutions, lässt im Gespräch mit der COMPUTERWELT das Jahr 2020 Revue passieren, erklärt, was wir aus der Corona-Krise lernen können und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]
Inwiefern hat die Corona-Krise den Geschäftsverlauf 2020 Ihres Unternehmens beeinflusst?
Auch für uns war 2020 natürlich ein sehr turbulentes Jahr. Zu unseren Hauptzielgruppen zählen ja die Fertigungsbranche und der Maschinenbau, die infolge des Lockdowns von massiven Einschränkungen wie unterbrochenen Lieferketten und Kurzarbeit betroffen waren. Für viele unserer Kunden ging es daher gerade in der ersten Jahreshälfte vor allem darum, das Tagesgeschäft am Laufen zu halten. ERP-Projekte und Ähnliches sanken dabei verständlicherweise auf der Prioritätenliste nach unten. Nach dem ersten Corona-Schock erholte sich dann die Situation jedoch glücklicherweise wieder. Viele Unternehmen haben die Wichtigkeit neuer Investitionen erkannt. Ein zentraler Vorteil war dabei für uns, dass wir rasch auf die neue Situation reagieren konnten und beispielsweise durch speziell zugeschnittene ERP-Pakete mit Funktionen, die für eine Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs in Corona-Zeiten hilfreich und nützlich sind, Impulse am Markt setzen konnten. Dazu gehörte beispielsweise eine App für Kurzarbeit, Möglichkeiten zur Kostensenkung in der Lagerhaltung oder auch die Unterstützung von Lead-Generierung durch KI. Alles in allem können wir so trotz Corona-Krise auf ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr zurückblicken.
Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche bzw. auf Unternehmen auswirken?
Das mag nun angesichts des neuerlichen Lockdowns ein wenig paradox klingen, aber ich sehe dem neuen Jahr durchaus sehr positiv entgegen. In vielen Unternehmen hat die Krise großen Nachholbedarf offenbart, was die digitale Abdeckung aller Stufen des jeweiligen Geschäftsprozesses sowie krisenrelevante Funktionen wie ortsunabhängigen Zugriff auf wichtige ERP-Funktionen betrifft. Während es im Sommer und im Herbst für viele Unternehmen darum ging, kurzfristig Abhilfe gegen diese Defizite zu schaffen, wird es im neuen Jahr darum gehen, längerfristige Krisenkonzepte zu entwickeln und sich technologisch für die wie auch immer geartete Zukunft zu rüsten. Für die IT-Branche allgemein wie auch für die ERP-Branche im Speziellen erwarte ich daher – nach einem vielleicht wieder etwas holprigen Frühjahr – einen deutlichen Aufschwung und sehr gutes Wachstum.
Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2020 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Ich denke, die aktuelle Krise mit all ihren unerwarteten Veränderungen – vom Wechsel ins Home Office bis hin zu unterbrochenen Lieferketten – hat Unternehmen vor allem eines vor Augen geführt: Digitalisierung ist nicht nur irgendein gehypter Trendbegriff, sondern kann je nach Situation tatsächlich über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens entscheiden, im Extremfall sogar über dessen Überleben. Wer jetzt nicht handelt, riskiert nicht nur erneute Rückschläge in der potenziell nächsten Krise, sondern läuft auch Gefahr, in unserer neuen, quasi schock-digitalisierten Realität gegen Mitbewerbern ins Hintertreffen zu geraten, welche die Zeichen der Zeit schneller erkannt haben. Doch auch Hersteller sehe ich in Post-Corona-Zeiten in der Pflicht. Denn selbst die tollste Digitalisierungsstrategie eines Kunden kann nicht aufgehen, wenn die dazu genutzte Lösung das Gewünschte technologisch schlicht nicht leisten kann. Für IT-Anbieter gilt es daher heute mehr denn je, in die Zukunftsfähigkeit ihrer Systeme und Lösungen zu investieren und diese auf den modernsten Stand der Technik zu bringen, um nicht selbst zum Flaschenhals der digitalen Zukunft zu werden.
Wie gehen Sie persönlich bzw. im Job mit Lockdown, Home Office, Home Schooling und Social Distancing um? Mit welchen Strategien und Verhaltensweisen sorgen Sie für Ausgleich?
Bereits zum ersten Lockdown im Frühjahr haben wir bei Asseco glücklicherweise sehr frühzeitig begonnen, unsere gesamten Geschäftsabläufe auf Heimarbeit umzustellen. Zum einen natürlich, um die Sicherheit und Gesundheit unserer Kunden und Partner zu schützen, gleichzeitig auch um uns selbst und unsere Mitarbeiter zu schützen. Vor-Ort-Termine wurden in den virtuellen Raum verlegt – wir haben sogar Möglichkeiten entwickelt, ganze ERP-Einführungen remote zu betreuen. Solche Vorgehensweisen haben sich übrigens derart bewährt, dass wir sie zum Teil auch nach Corona beibehalten werden und mit einem sinnvollen Mix aus persönlichen Treffen und Remote-Terminen arbeiten werden. Rein objektiv hat sich also mein persönlicher Alltag – abgesehen vom Arbeitsort – gar nicht so stark verändert.
Zwar fehlt mir persönlich durchaus der direkte Austausch mit meinen Kollegen und Kunden – viele kreative Ideen entstehen doch beim zwanglosen Plausch in der Kaffeeküche. Dennoch genieße ich sehr die zusätzliche Zeit, die ich durch die Arbeit im Home Office und die Reduzierung meiner Reisetätigkeiten mit meiner Familie verbringen kann. Da unsere Kinder noch klein sind – unsere Große besucht die erste Klasse der Volksschule – durften meine Frau und ich zuhause auch unsere Qualitäten als Lehrer entdecken. Das hat im Wesentlichen auch sehr gut funktioniert. Generell kann ich für mich persönlich nur sagen: Unsere bekannte Normalität wird zurückkehren, davon bin ich fest überzeugt. Bis dahin sollten wir – zumindest wo immer möglich – die positiven Aspekte wertschätzen lernen, die die Veränderungen und die Entschleunigung der aktuellen Zeit mit sich bringen.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2020?
Eines der zentralen Highlights des vergangenen Jahres ist für mich zweifellos das Release unserer großen neuen APplus-Version 7.0. Bei dieser handelt es sich um unsere erste Lösung, die nativ auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz in unterschiedlichsten Bereichen ausgelegt ist. Dazu gehören beispielsweise eine KI-gestützte Optimierung der Lagerhaltung, eine Anomalieerkennung im Fertigungskontext oder die einfache Personalisierung des APplus-Dashboards für jeden Mitarbeiter. Auch bei der Generierung neuer Leads kann unsere Asseco-KI unterstützen – ein entscheidender Vorteil für Unternehmen, nicht zuletzt, um gerade in Zeiten wie diesen für eine stabile Auftragslage zu sorgen. Damit verbunden war insgesamt auch ein zentraler Technologiewechsel, mit dem wir den Grundstein für die Zukunftsfähigkeit unserer Lösung gelegt haben.
Persönlich möchte ich tatsächlich die verstärkte Arbeit im Home Office als eines meiner Highlights 2020 anführen. Durch den Lockdown konnte ich wesentlich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und hatte damit auch die Gelegenheit, so wichtige Momente in der Entwicklung unserer Tochter wie ihre ersten Gehversuche beim Schreiben, Lesen und Rechnen hautnah mitzuerleben, die ich sonst vielleicht nicht so unmittelbar hätte beobachten können. Der Wert solcher Erinnerungen ist aus meiner Sicht gar nicht in Worte zu fassen.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2021 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Aus meiner Sicht wird eine der zentralen Fragen des neuen Jahres – nicht zuletzt aufgrund der Nachwehen der Corona-Krise – lauten: Wie können Unternehmen die Effizienz ihres Tagesgeschäfts optimieren? Und ein zentraler Aspekt, der hierfür eine Rolle spielt, ist für mich die Prozessautomatisierung. Für Unternehmen wird es darum gehen, Mitarbeiter gerade von zeitraubenden Routinetätigkeiten zu entlasten. Dabei kann beispielsweise die Nutzung von künstlicher Intelligenz hilfreich sein. Indem diese analysiert, wie Prozesse im ERP-System in der realen Praxis ablaufen, lassen sich unter anderem auch die Aktionen identifizieren, die meist besonders schnell und immer gleich durchgeführt werden. Das könnte zum Beispiel die Bestellung eines bestimmten Artikels einer Artikelgruppe sein. Die KI könnte daraufhin vorschlagen, diese Bestellung künftig automatisiert durchzuführen, um die Anwender von dieser Routinetätigkeit zu entlasten. Die gewonnenen Kapazitäten ließen sich anschließend für die Bearbeitung von Sonderfällen oder Ausnahmen nutzen. Im Ergebnis steigen sowohl die Prozessqualität als auch die Effizienz der täglichen Arbeit – und das ist es, worauf es gerade in Post-Krisenzeiten ankommen wird.
Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.
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