Viele Jahre Erfahrungen als CIO in Amerika und CIO bei UNIQA bringt Alexander Bockelmann mit, der seit 1.1.2018 die Digitalisierungsagenda der größten österreichischen Versicherung als Mitglied des Vorstandes vertritt und frischgebackener CIO des Jahres 2018 ist. [...]
Die Digitalisierungs-Aufgabe ist neu in der Vorstandsetage – Was sind Deine 3 wichtigsten Tipps an jemanden, der diese Rolle innerhalb der klassischen C-Level Funktionen etablieren soll?
Aus meiner Sicht sind die Themen der Digitalisierung keine neuen Themen für die Vorstandsetage. Digitalisierung ist zuerst ein Kultur- und Kundenthema.
Tipp 1: Flexibel und extern vernetzt sein. Um langfristig mit einem Unternehmen erfolgreich zu sein, muss die Organisation flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können, und Mitarbeiter müssen ein Umfeld vorfinden, in denen Ideen entwickelt und Entscheidungen schnell gefällt werden können. Erfolgreiche Unternehmen vernetzten sich dafür schon in der Vergangenheit mit externen Innovationspartnern und -quellen, um neue Anregungen und Impulse zu erhalten und nicht über die Zeit in eine Gewohnheitsstagnation zu fallen.
Tipp 2: Kunden im Fokus haben. Wachstum ist nur dann erfolgreich, wenn sich Unternehmen auf die Kunden fokussieren. Produkte oder Services müssen an den Bedürfnissen der Kunden orientiert sein und nicht (nur) die Standardisierungs- und Effizienzambitionen des Unternehmens wiederspiegeln. Zu häufig denken wir, dass wir wissen was die Kunden möchten und fragen sie nicht bzw. binden diese nicht in den Produktentwicklungsprozess mit ein. Wenn wir dann ein passendes Angebot haben, müssen wir es dem Kunden einfach machen, sich über das Produkt zu informieren, das Verkaufserlebnis angenehm und transparent gestalten und nach dem Kauf zusätzliche Mehrwerte und positive Interaktionen bieten. Es werden heute immer mehr Erfahrungen und angenehme (Kauf-)Erlebnisse als Produkte gekauft.
Tipp 3: Intern alles im Griff haben. Um erfolgreiche Produkte oder Services zu entwickeln, Kundenerwartungen zu erfüllen und den Vertrieb effizient zu gestalten, braucht es intern optimierte Prozesse und Abläufe. Es braucht eine stabile Basis, um Innovationen und neue Geschäftsmodelle aufbauen zu können. Im Firefighting-Modus ist dies schwierig. Somit sollte zuerst oder parallel das bestehende Geschäftsmodell digital optimiert werden, um Investitionen in neue Ideen und Modelle zu finanzieren.
All diese Aspekte sind keine neuen Themen – sie treffen auf klassische Produkte oder Vertriebswege genauso zu wie auf neue digital unterstützte Modelle. Somit sind Teile der digitalen Herausforderungen keine neuen Themen für die Geschäftsführung. Neu ist jedoch die Geschwindigkeit der IT-getriebenen Veränderung in Märkten, die sich immer schneller verändernden Kundenerwartungen und das sich immer schneller ändernde regulatorische Umfeld. In einer solchen digitalen Welt verschwimmen somit die funktionalen Grenzen in Unternehmen und es bedarf einer neuen Art von funktionsübergreifenden und agileren Unternehmensführungen und Arbeitsmethoden um hier erfolgreich zu sein.
Wie unterscheidet sich die Rolle des CDO in der Praxis von der des CIO?
Ein guter klassischer CIO erfüllt eine strategische Top-Management Funktion und ist bereits bei der Unternehmensplanung als IT-Experte „mit am Tisch“. Der Unterschied zum CDO ist, dass dieser noch mehr aus der Kunden- und Business-Seite an die Themen herangeht. Der CDO treibt somit zusammen mit den Business- und IT-Funktionen den Wandel im Unternehmen und arbeitet an der stärkeren Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen ggf. bestehenden funktionalen Silos im Unternehmen. Der CDO generiert damit neue Anforderungen an Business und IT, wohingegen der CIO im klassischen Umfeld häufig eher beratend und umsetzend mit aus dem Business kommenden Anforderungen arbeitet. Der CIO ist darüber hinaus häufig durch IT-Legacy Herausforderungen und das Tagesgeschäft in seiner Management-Kapazität im Status Quo verwurzelt. Er muss sicherstellen, dass das Tagesgeschäft funktioniert. Der CDO versucht eher das „Morgen“ und „Übermorgen“ mit den Kollegen zu skizzieren und auszuprobieren.
Der CDO arbeitet natürlich eng mit dem CIO und seinem IT-Team zusammen, um IT-basierte Aktivitäten umzusetzen. Mit Blick in die Zukunft könnte man sagen, dass es vermutlich immer eine Art CIO-Rolle in einem Unternehmen geben wird, um das wachsende Netz an IT- Dienstleistern zu koordinieren. Eine CDO Rolle ist je nach Ausprägung eventuell nur eine temporäre Rolle, bis die Prinzipien eines digitalen Geschäftsbetriebs in einer zunehmend digitalen Welt in die Geschäfts-DNA und Arbeitsweisen übergegangen sind und diese Themen automatisch im Tagesbetrieb eingesetzt und umgesetzt werden. Vielleicht wandeln sich mit der Zeit die heutigen CDOs in Chief Customer Officers oder andere Funktionen um.
Veränderung ist oft mit Ängsten und Widerständen verbunden, wie gehst Du damit um? Wie begegnet man Skepsis und Veränderungsresistenz am besten?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Veränderungen kosten Energie. Es ist ganz natürlich, dass es hier gewissen Resistenzen gibt. Dazu kommt die Angst vor dem Unbekannten und natürlich Unsicherheiten bei fehlender Transparenz.
Sobald man diese Widerstände erkannt hat, kann man ihnen positiv entgegenwirken. Der Angst vor dem Unbekannten begegnet man am besten mit persönlichen Erfahrungen und Einbindungen in neue Projekte. Wenn man möglichen Change Agents oder Multiplikatoren aus der Belegschaft die Chance gibt, persönliche, praktische Erfahrungen im digitalen (Arbeits-)Umfeld zu gewinnen, reduzieren sich die Unsicherheiten häufig sehr schnell. Dies kann z.B. durch gemeinsame Aktivitäten, wie Design Sprints oder die Mitarbeit bei einem Minimum Viable Product Projekt erreicht werden. Ein weiterer wichtiger Hebel ist effektive Kommunikation und Erklärung der neuen Aktivitäten. Wenn das „Warum“ und das „Wie“ der Veränderung verstanden und über den Fortschritt transparent kommuniziert wird, kann die Unsicherheit signifikant reduziert werden.
Was sind die wichtigsten Trends und Themen, mit denen sich eine CDO 2018 auseinandersetzen sollte?
Aktive Arbeit an der Unternehmenskultur und an innovativen neuen Arbeitsweisen und Methoden als Grundlage aller Folgeaktivitäten finde ich eine der wichtigsten Aufgaben. Dadurch gewinnt der Wandelprozess an Momentum. Dazu kommt, wie beim Segeln, die Notwendigkeit irgendwann einmal zum Meer zu gehen und nass zu werden. D.h. man sollte sich mit den Startups und digitalen Ökosystemen beschäftigen, die für die jeweilige Industrie relevant sind, und diese nicht nur aus der Ferne beobachten, sondern in Projekten und Partnerschaften voneinander lernen.
In fast jeder Industrie kommt das Thema Robotic Process Automation hinzu, welches in komplexen IT-Altlandschaften mit geringem Aufwand erste kleine, operative Erfolge bieten kann. Die nächste Stufe sind Ansätze, zu innovativen internen und externen Datennutzungen und Machine Learning zu finden. Für den Bereich Internet of Things und damit zusammenhängende Geschäftsideen könnte IOTA als Technologie auch sehr spannend sein. Im e-Identity oder Know-Your-Customer Umfeld experimentieren wir gerade mit Blockchain-Varianten, was sehr spannend ist.
Welche Bedeutung hat der Confare CIO Award für Dich? Warum macht es Sinn die Treiber der Digitalisierung vor den Vorhang zu holen?
Der Confare CIO Award ist eine sehr schöne Möglichkeit von den CIO Kollegen aus unterschiedlichsten Industrien zu lernen. Nicht nur der Gewinner sondern alle Finalisten haben in der Vergangenheit tolle Beispiele und Erfolge gezeigt, wie man als CIO in seinem Unternehmen über das klassische Rollenverständnis hinaus Wert schaffen und seinen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann. Heutzutage ist die IT das Business, und das Business die IT. Klassische Funktionsgrenzen verschwimmen in einer digitalen Welt. Aktionen wie der Confare CIO Award zeigen auch immer mehr, wie die Geschäftsstrategie von und durch die CIO geprägt wird und hoffentlich hilft dies, das Bild des CIO als wesentliche Business-Funktion im Unternehmen weiter zu entwickeln.
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