„Digitalisierung ist kein Prozess, den Unternehmen isoliert bewältigen müssen – es geht darum, voneinander zu lernen“

Beim ITWelt.at Roundtable über die Zukunft der digitalen Transformation diskutierten sieben IT-Experten über die Herausforderungen, Chancen sowie die Bedeutung von KI. Hier die gesammelten Statements von Ing. Mag. Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ. [...]

Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ (li.). (c) timeline/Rudi Handl
Frederic Hadjari, Cluster-Manager, Business Upper Austria – IT-Cluster OÖ (li.). (c) timeline/Rudi Handl

Welche Rolle spielt der IT-Cluster Oberösterreich in der digitalen Transformation?

Ich leite den IT-Cluster Oberösterreich, eine Abteilung der Standortagentur Business Upper Austria. Unser Cluster umfasst rund 200 Partnerunternehmen, die wir in ihrer Sichtbarkeit und Vernetzung unterstützen. Wir fördern den Wissenstransfer, schaffen Awareness für IT-Themen und bringen Digitalisierung gezielt in andere Branchen, da unsere Agentur auch weitere Cluster betreut. Unsere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Business Software, IT-Security, Industrial Data und Softwarequalität – mit dem klaren Ziel, den Standort Oberösterreich in diesen Feldern weiter voranzubringen.

Seit letztem Jahr leite ich zudem die Büroadministration des Softwareparks Hagenberg. Unser IT-Cluster hat seinen Standort bewusst dorthin verlegt, um Synergien mit der Fachhochschule Hagenberg, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den rund 75 ansässigen Unternehmen optimal zu nutzen. Hagenberg bietet ein starkes Ökosystem mit hochqualifizierten Fachkräften in allen relevanten Bereichen. Die Herausforderung besteht darin, diesen Standort kontinuierlich weiterzuentwickeln und das volle Potenzial der vorhandenen Expertise auszuschöpfen.

Hat sich die Sicht auf die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert?

Definitiv. Ein zentraler Aspekt, den ich dabei hervorheben möchte, ist die interdisziplinäre Transformation. Digitalisierung betrifft mittlerweile jede Branche – es gibt kein Feld, das davon unberührt bleibt. Und künstliche Intelligenz ist dabei keine Konkurrenz zur digitalen Transformation, sondern ein essentieller Bestandteil davon.

Die Herausforderung liegt darin, diese Erkenntnis in den Unternehmen wirklich zu verankern. Es reicht nicht, nur darüber zu sprechen – die Unternehmen müssen Digitalisierung aktiv leben und umsetzen. Dafür braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten. Gleichzeitig müssen wir die Grundlagen weiter ausbauen, um die digitale Transformation nachhaltig voranzutreiben.

Die Ausbildung spielt dabei eine zentrale Rolle. Es gibt mittlerweile zahlreiche Institute, die sich ausschließlich digitalen Projekten widmen, und auch klassische Bildungseinrichtungen wie HTLs oder Fachhochschulen bieten solide Grundlagen. Ein spannendes Beispiel ist die ITU in Oberösterreich, die stark projektbasiert arbeitet. Solche Ansätze zeigen, dass sich nicht nur die Digitalisierung selbst weiterentwickelt, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie vermitteln und in die Praxis bringen.

Wie wichtig ist Prozessautomatisierung in der digitalen Transformation?

Wenn man sich die aktuelle Lage ansieht – hohe Energiepreise, hohe Stundensätze – dann wird schnell klar: Wer international wettbewerbsfähig bleiben will, kommt an Prozessautomatisierung nicht vorbei. Das betrifft nicht nur Österreich, sondern das gesamte internationale Umfeld. Unternehmen, die frühzeitig auf vollautomatisierte Produktion gesetzt haben, wie viele in der Automobilbranche, profitieren heute enorm. Sie mussten reagieren, weil ihr Mitbewerb aus China zu ganz anderen Stückpreisen produziert. Genau deshalb müssen wir uns intensiv damit auseinandersetzen, welche Stellschrauben wir drehen können, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern – und das branchenübergreifend.

Wertschöpfung ist dabei kein optionales Thema, sondern der zentrale Punkt. Die entscheidende Frage ist nicht, ob wir uns mit Wertschöpfung beschäftigen sollten, sondern was die Alternative wäre, wenn wir es nicht tun. Ohne klare Analyse, was eine Investition bringt und welchen Output sie liefert, bewegen wir uns im Blindflug.

Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, dass Fachkräfte fehlen. Das führt zwangsläufig zur Frage: Wie setzen wir künstliche Intelligenz sinnvoll ein, um bestehende Pain Points zu adressieren? Automatisierung und KI sind nicht nur technische Hilfsmittel, sondern essentielle Werkzeuge, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie können KMUs bei der digitalen Transformation besser unterstützt werden?

Viele kleine und mittlere Unternehmen haben noch einige Schritte vor sich, wenn es um Digitalisierung geht. Wir stehen hier in engem Austausch mit der Landesregierung, um gezielte Unterstützung bereitzustellen – sei es in Form von Förderungen oder speziellen Digitalisierungsschecks. Doch finanzielle Hilfen allein reichen nicht aus.

Gerade beim Thema Cloud und Datenmanagement stehen viele KMU vor großen Herausforderungen. Oft fehlt es an Knowhow, wie man solche Technologien sinnvoll einsetzt. Hier kommen Unternehmen aus der IT-Branche ins Spiel, die mit ihrer Expertise unterstützen können. Ohne diese externe Hilfe wird es für Betriebe, die bereits einen Rückstand haben, schwer, den Anschluss zu finden.

Das Entscheidende ist, dass Unternehmen nicht allein gelassen werden. Austausch und Best-Practice-Beispiele spielen eine zentrale Rolle. Genau hier setzen wir als Standortagentur an: Wir bringen Betriebe zusammen, fördern den Wissenstransfer und helfen dabei, die richtigen Partner zu finden. Denn Digitalisierung ist kein Prozess, den Unternehmen isoliert bewältigen müssen – es geht darum, voneinander zu lernen und gemeinsam voranzukommen.

Welche Unsicherheiten bringen neue Regulierungen für Unternehmen mit sich?

Regulierungen lassen sich nicht vermeiden – das ist uns allen bewusst. Doch gerade Sicherheitsrichtlinien, die von der EU vorgegeben werden, sorgen oft für viele Fragezeichen. Ein aktuelles Beispiel ist die NIS2-Richtlinie. In Österreich gibt es noch keine neue Regierung, weshalb die konkreten gesetzlichen Vorgaben dazu noch nicht fixiert sind. Das betrifft besonders Unternehmen, die als kritische Infrastruktur gelten, aber auch viele andere Betriebe, die künftig unter NIS2 fallen werden.

Diese Unsicherheiten erschweren nicht nur den Austausch zwischen Unternehmen, sondern auch die konkrete Planung: Wie geht es weiter? Was bedeutet das finanziell? Viele Unternehmen müssen bereits heute Budgets für IT-Security zurücklegen, ohne genau zu wissen, welche Anforderungen sie tatsächlich erfüllen müssen. NIS2 hat definitiv einen Impact, doch solange die Details unklar sind, bleibt es für viele Betriebe ein großes Fragezeichen.

Es geht hier nicht darum, Regulierung generell abzulehnen – Sicherheit ist ein essentielles Thema. Aber es wäre wünschenswert, dass Unternehmen frühzeitig Klarheit bekommen, um sich gezielt vorbereiten zu können, anstatt in einer langen Phase der Unsicherheit zu verharren.

Wie reagieren Unternehmen branchenübergreifend auf neue Regulierungen?

Oft herrscht zunächst eine gewisse Schockstarre. Anstatt sofort die Chancen zu sehen, die eine Neuausrichtung oder strategische Positionierung bieten könnte, dominiert bei vielen Unternehmen die Unsicherheit: Was kommt auf uns zu? Was bedeutet das konkret für unseren Betrieb?

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Experten und Expertinnen. Die Unternehmen, die dringend Antworten auf ihre Fragen suchen, finden oft nicht genug Berater und Beraterinnen, die sie durch diesen Prozess begleiten können. Der Wissensaufbau müsste also in sehr kurzer Zeit stattfinden – doch genau das ist schwierig, weil die vorhandenen Fachkräfte bereits stark ausgelastet sind.

Viele Unternehmer sagen zudem, dass sie sich mit den immer komplexer werdenden Regularien schlicht überfordert fühlen. Bevor sie überhaupt konkrete Schritte setzen können, müssen sie sich erst einmal intensiv einlesen, verstehen, was die Vorgaben bedeuten, und dann überlegen, wie sie das praktisch umsetzen. Das kostet Zeit, die sie eigentlich nicht haben.

Natürlich steckt in all dem auch eine Chance – beispielsweise in der CO₂-Reduktion oder in neuen Geschäftsmodellen. In Oberösterreich gibt es mit der #upperVISION2030 bereits eine klare strategische Ausrichtung, die genau solche Entwicklungen mitdenkt. Aber damit Unternehmen diese Potenziale tatsächlich nutzen können, müssen wir Wege finden, um Regularien schneller verständlich zu machen und praxisnahe Unterstützung zu bieten.

Bewegen wir uns von einer Schatten-IT zu einer Schatten-KI?

Es sieht ganz danach aus. Künstliche Intelligenz ist längst da, sie wird bleiben und sich weiterentwickeln – das lässt sich nicht aufhalten. Wir haben dazu eine Umfrage gemacht: Wo setzen Unternehmen aktuell KI ein? Überraschenderweise nicht primär in der Produktion, obwohl Oberösterreich ein starkes Industriebundesland ist. Stattdessen liegt der Schwerpunkt aktuell im Kundenservice. Erst danach folgt der Einsatz in der Produktion.

Natürlich bietet KI ein enormes Potenzial für Prozessautomatisierung und Produktion, aber sie wird auch für Datenanalyse, Entscheidungsfindung im Management oder als Unterstützung bei Robotic Process Automation genutzt. In all diesen Bereichen hilft sie, Ressourcen effizienter einzusetzen und Abläufe zu optimieren.

Im IT-Cluster fokussieren wir uns auf drei zentrale Themen: Business Software, IT-Security und Daten- sowie Softwarequalität. Und in jedem dieser Bereiche spielt KI eine Rolle. Besonders spannend ist das im Bereich IT-Security. Angreifer nutzen bereits KI, und Unternehmen müssen sie ebenso einsetzen, um schneller und effektiver auf Bedrohungen zu reagieren. Es gibt bereits beeindruckende Modelle, die Unternehmen dabei helfen, Angriffe frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Die Entwicklung ist rasant, und es bleibt spannend zu beobachten, wie KI in immer mehr Geschäftsbereiche integriert wird – nicht nur als Unterstützung, sondern zunehmend als essentieller Bestandteil betrieblicher Prozesse.

Welche Faktoren entscheiden über eine erfolgreiche KI-Implementierung?

Ein großes Thema bleibt der Fachkräftemangel – Unternehmen finden schlicht nicht genug Spezialisten. Gleichzeitig steigt der Druck, sich technologisch weiterzuentwickeln. Doch eine erfolgreiche KI-Integration funktioniert nur, wenn man die eigenen Prozesse genau kennt. Das ist ähnlich wie bei der Einführung eines ERP-Systems. Wer seine Abläufe nicht versteht, wird auch mit der besten Technologie keinen echten Mehrwert schaffen.

Wir müssen zudem viel stärker die Menschen an der Basis einbinden. Sie sind es, die tagtäglich mit den Prozessen arbeiten und genau wissen, wo KI sinnvoll unterstützen kann. Die beste künstliche Intelligenz bringt nichts, wenn sie an den realen Abläufen vorbeigeht.

Die Einsatzmöglichkeiten sind enorm. KI kann Produktentwicklungen beschleunigen und so Wettbewerbsvorteile schaffen, sie kann Prozesse optimieren und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Aber all das braucht Zeit – und vor allem die Bereitschaft, Prozesse anzupassen und Mitarbeitende aktiv mitzunehmen. Denn am Ende entscheidet nicht nur die Technologie über den Erfolg, sondern wie gut sie in die Praxis integriert wird.

Wie wichtig ist Qualifizierung außerhalb des klassischen Bildungssystems?

Weiterbildung endet nicht mit der Schule – gerade für Fachkräfte, die bereits im Berufsleben stehen, ist Qualifizierung essentiell. Doch dafür braucht es passende Angebote. Deshalb haben wir eine eigene Abteilung für Human Capital Management, die Unternehmen gezielt unterstützt.

Über unseren Qualifizierungsverband bieten wir ein breites Portfolio an Experten und Expertinnen sowie Schulungen an, die direkt von Unternehmen genutzt werden können. Gleichzeitig gibt es Fördermodelle, die es ermöglichen, einen Teil der Kosten zurückzubekommen – denn Qualifizierung ist wichtig, aber eben auch mit finanziellen Aufwänden verbunden.

Diese Förderung bleibt weiterhin ein zentraler Bestandteil unserer Strategie, um sicherzustellen, dass Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich kontinuierlich weiterentwickeln können.

Wie können Führungskräfte den digitalen Wandel in ihren Teams aktiv gestalten?

Wir alle tragen Verantwortung dafür, wie sich unsere Unternehmen weiterentwickeln – insbesondere als Führungskräfte. In meiner Abteilung schaffe ich gezielt Raum für Diskussionen über Prozessverbesserungen. In unseren wöchentlichen Besprechungen diskutieren wir darüber, welche Tools uns effizienter machen könnten. Allein durch die Optimierung von Kundenkontaktprozessen haben wir letztes Jahr rund 30 Prozent an Effizienzsteigerung erreicht.

Ein simples Beispiel: Microsoft-Tools helfen uns bei der Terminkoordination. Anstatt aufwendig mehrere Personen einzeln zu kontaktieren, wird eine Einladung verschickt, und die Teilnehmer wählen selbst den passenden Termin. Das spart enorm viel Zeit.

Wichtig ist, dass wir als Führungskräfte einen Rahmen schaffen, in dem solche Verbesserungen aktiv gelebt werden können. Sobald Mitarbeitende die Vorteile neuer Technologien selbst erleben, sinkt auch die Skepsis gegenüber KI.

Und wenn man bedenkt, was bereits mit einfachen Prozessoptimierungen möglich ist, dann ist das Potenzial für größere Unternehmen mit komplexeren Abläufen noch viel größer. Wir stehen am Anfang dieser Reise – es gibt noch enorm viel zu entdecken und zu verbessern.


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