„Digitalisierung muss in das Zentrum von Businessmodellen rücken“

Thomas Ziegler, Chief Customer Officer bei NETCONOMY, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]

Thomas Ziegler, Chief Customer Officer bei NETCONOMY: "Neben der weiterlaufenden Digitalisierung wird der Kern der Aufgabe von IT-Managern 2022 darin bestehen, die Businessmodelle mit intelligenten und spannenden Funktionen für die Kunden aber auch jedwede Prozesse anzureichern, um sich deutlich vom Mitbewerb abzuheben." (c) NETCONOMY

Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Diese Krise hat der Gesellschaft und somit auch der Geschäftswelt deutlich gezeigt, dass sich die Gesamtsituation innerhalb kürzester Zeit schnell verändern kann. Das bedeutet, dass man sich nicht nur rasch und effizient anpassen muss, sondern dass von einem Moment auf den anderen Einkommensquellen bzw. Absatzkanäle für längere Zeit ausfallen können. Auf die Zukunft für Unternehmen bezogen bedeutet dies, dass höchstmögliche Flexibilität und der Switch von einem Kanal auf einen anderen nahtlos möglich sein muss. In einem Begriff beschrieben muss die neue Richtung „No-Line“ sein. Es geht nicht nur um die Verschränkung der Online- und Offlinekanäle, sondern um eine Kontaktaufnahme, Transaktion und Geschäftsfinalisierung über alle Touchpoints in der gleichen Qualität. Nur das ermöglicht Unternehmen auch in Krisenzeiten, ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin die Nachfrage am Markt bedienen zu können.

Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Das Verhalten der Gesellschaft hat sich durch Social Distancing und Beschränkungen nachhaltig verändert. Durch diese Krise fand eine deutliche Steigerung der Digitalisierung in absolut allen Lebensbereichen statt. Videotelefonie unter Angehörigen, Distance Learning in Schulen und eine deutlich höhere Bereitschaft zu Home Office sind nur einige Beispiele dafür. Die IT-Branche spielt eine zentrale Rolle in diesem Umbruch. Es dreht sich nicht nur darum, Technologie zu implementieren, sondern diese auch mit den Erlösströmen und Businessmodellen ihrer Kunden zu harmonisieren. Als Partner für diese Digitalisierung ist es unerlässlich auch das Geschäftsmodell seiner Kunden zu verstehen, um die Technologiemöglichkeiten nicht als Selbstzweck auszuschöpfen.

Zusätzlich müssen jene Unternehmen, die bis dato nur wenig Digitalisierungsschritte vorgenommen haben, schnell und deutlich aufholen, um weiterhin am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. All jenen Unternehmen, die erfolgreich digitalisiert am Markt arbeiten, bietet diese Veränderung bei ihren Kunden sowie die gesteigerte Erwartungshaltung an Alternativen die Chance, sich nochmals deutlich von ihren Mitbewerbern abzusetzen. Denn für alle Bereiche gilt, dass dieses veränderte Interaktions- und Kaufverhalten auch nach Corona anhalten wird und somit Digitalisierung in das Zentrum von vielen Businessmodellen rücken muss.

„Die Konkurrenz ist meistens nur einen Klick entfernt, was bedeutet, dass ein außergewöhnliches Nutzererlebnis so zentral ist wie nie zuvor.“

Thomas Ziegler

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Beruflich war 2021 in vielen Bereichen eine Herausforderung. Einerseits die veränderten Arbeitsbedingungen im eigenen Unternehmen, aber auch die Veränderung in der Interaktion mit unseren Partnern und dem Markt. Zum Glück war dieses Jahr aber ein ausgesprochen erfolgreiches Jubiläumsjahr (20 Jahre NETCONOMY) und wir waren als Unternehmen in der Lage, die anhaltenden Herausforderungen unsere Kunden gemeinsam zu bewältigen. Speziell im Bereich Machine Learning und Businessmodellinnovation konnten wir bei unseren Kunden neue spannende Erweiterungen ihrer Geschäftsbereiche umsetzen (Visual Search, Data Orchestration, Voice Search, AI-based order orchestration etc.).

Privat war mein persönliches Highlight der Abschluss meiner Bauarbeiten zu Hause, was in diesen unruhigen Zeiten signifikante Aufmerksamkeit abverlangt hat. Neben all diesen Herausforderungen war es trotz Distance Learning bereichernd, mich auch in diesem Jahr in diversen Vorlesungen mit meinen Studentinnen und Studenten auszutauschen.

Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Neben der weiterlaufenden Digitalisierung wird der Kern der Aufgabe darin bestehen, die Businessmodelle mit intelligenten und spannenden Funktionen für die Kunden aber auch jedwede Prozesse anzureichern, um sich deutlich vom Mitbewerb abzuheben. Die Konkurrenz ist meistens nur einen Klick entfernt, was bedeutet, dass ein außergewöhnliches Nutzererlebnis so zentral ist wie nie zuvor. Wie schon zuvor erwähnt werden sich viele IT-Manager in diesem und im nächsten Jahr auch damit beschäftigen müssen, wie eine „No-Line“-Strategy in Zukunft aussehen kann/muss, um für die nächsten Veränderungen bereit zu sein und die Einschränkungen und Risiken so gut wie möglich zu minimieren.

Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkrete Maßnahmen planen sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Wir haben schon in den vergangenen Jahren auf Nachhaltigkeit gesetzt, da wir hier auch als Unternehmen eine Verantwortung haben. Neben der CO2-Kompensation von Reisen und eingesetzten Arbeitsmitteln, haben wir auch in der Beschaffung einen Fokus auf größtmögliche Nachhaltigkeit gelegt. Auch in diesem Jahr wird ein Nachhaltigkeitsbericht intern angefertigt, um potenzielle Lücken aufzudecken und diese zu schließen. Was die Unternehmen betrifft, so ist dies aus meiner Sicht eine zentrale Verantwortung, die niemand von uns ignorieren kann und die ein zentraler Bestandteil von Geschäftsmodellen sein muss.

„Wer sich am Besten auf New Work einstellt, wird auch am Arbeitsmarkt einen deutlichen Vorteil erfahren, bei gleichbleibender Effizienz in der Leistungserbringung. Das haben wir in unserem Unternehmen auswertbar gemacht und bewiesen, dass diese Form der Zusammenarbeit keine Nachteile bringt.“

Thomas Ziegler

Wie gut ist ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
Wir haben schon vor der Krise einen starken Fokus auf verteilte Teams gesetzt und daher war der komplette Umstieg auf ein rein virtuelles Arbeiten aus dem Home Office kein großes Problem. Wir geben unseren Mitarbeitern die Wahl, wieviel ihrer Arbeitszeit sie in Zukunft remote bestreiten wollen, um so auch auf die Veränderungen in der Gesellschaft zu reagieren. Begleitet wird dieses Konzept von mehreren Maßnahmen, die die Firmenidentifikation des einzelnen Mitarbeiters stärken und das Teamgefüge berücksichtigt.

Im Allgemeinen sind aktuell einige, aber aus meiner Sicht viel zu wenige, intensiv damit beschäftigt, auf ein Remote- oder ein hybrides Arbeitsmodell umzustellen. Wer sich am Besten auf diese neuen Gegebenheiten einstellt, wird auch am Arbeitsmarkt einen deutlichen Vorteil erfahren, bei gleichbleibender Effizienz in der Leistungserbringung. Das haben wir in unserem Unternehmen auswertbar gemacht und auch bewiesen, dass diese Form der Zusammenarbeit keine Nachteile bringt. Allerdings braucht es weit mehr als nur das zur Verfügung stellen von Arbeitsmittel, was wahrscheinlich der Grund für die Zurückhaltung in manchen Branchen ist.

Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Die Zukunft in diesem Bereich liegt in der gezielten Ausbildung dieser IT-Fachkräfte, da sich der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Innerhalb von NETCONOMY haben wir ein kontinuierliches Ausbildungsmanagement aufgesetzt, um dieser Erkenntnis nachzukommen. Es setzt sich aus einer eigenen Akademie über alle Rollen hinweg und einem kontinuierlichen Traineeship-Programm zusammen. Dadurch können wir auch in Zukunft ein stabiles Wachstum sicherstellen und den steigenden Bedarf in den Projekten in der geforderten Qualität abdecken.

Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.


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