„Entscheidend ist, trotz Widrigkeiten weiterzugehen“

2007 gegründet, heute bereits mit einer US-Niederlassung vertreten: Das Wiener Mediensoftwareunternehmen VJU mischt mit seiner innovativen Lösung den Broadcast- und verwandte Märkte auf. Die COMPUTERWELT sprach mit Marketing-Chefin Andrea Kövér. [...]

Computerwelt: Was waren die Anfänge des Unternehmens?
Andrea Kövér:
Die Idee zu unserem Unternehmen entstand 2007, als W24, der Wiener Stadtsender, eine Möglichkeit suchte, sein Programm kostengünstig in das Kabelnetz einzuspeisen. Die Systeme, die es damals auf dem Markt gab, waren sehr Hardware-lastig und setzten ein hohes Investment voraus. Es waren zudem spezielle Schulungen notwendig, um die Geräte bedienen zu können.
Aus diesen Problemen heraus entstand die Idee zu unserer Software-Lösung: Ein Hardware-unabhängiges und günstiges Content Management- und Playout-System, das auch von Nicht-Experten bedient werden kann, um ein Programm auf höchstem professionellem Niveau gestalten zu können. Unsere Lösung läuft auf den unterschiedlichsten Plattformen: Nicht nur Internet, also IPTV, sondern auch über Satellit oder Kabel.
Die Grundidee umzusetzen, war langwierig und verlangte höchste Anstrengung: Was für den Nutzer einfach ist und eine Erleichterung darstellt, verursacht im Hintergrund sehr viel Aufwand. Durch die Projekte der letzten sechs Jahre ist immer mehr Know-how in das Produkt eingeflossen. Dazu kommt, dass der Geschäftsführer Josef Anderl davor sehr lange in der Werbung tätig gewesen war und sich sehr intensiv mit User-Interfaces beschäftigt hatte. Dazu kommt sein sehr hohes ästhetisches Empfinden. Es wird daher bei uns sehr viel Wert darauf gelegt, dass das Produkt harmonisch aussieht und intuitiv zu bedienen ist. Man braucht etwa bloß eine Stunde, um es bedienen zu können. Das Endergebnis ist professionelles Fernsehen.

Wie war es möglich, so schnell so große Kunden wie Red Bull Media House oder Siemens zu gewinnen?
Unser innovatives Produkt spricht für sich. Wir haben auch von Anfang an versucht, die Lösung flexibel zu gestalten. Das Produkt besteht aus 85 Prozent Kernfunktionalität. Der Rest ist Individualanpassung. Da der Kern einwandfrei funktioniert, können wir sehr schnell auf die Bedürfnisse des Kunden reagieren – das ist einer der Gründe, warum wir so erfolgreich sind.

Wie groß ist Ihr Team?

Neun Mitarbeiter sind fix angestellt: Geschäftsführung, Marketing, Accounting. Dazu kommen fünf Kernentwickler. Bei Projekten können wir auf ein zusätzliches Kontingent an Entwicklern zugreifen, um schnell auf die Kundenbedürfnisse reagieren können.

Worin besteht die aktuelle Nachfrage in Sachen Broadcast?
Die Art und Weise, wie Medien konsumiert werden, beginnt sich zu ändern. 90 Prozent sehen TV zwar noch am Fernsehschirm im Wohnzimmer, das typische lineare Lean back. Doch die jüngere Generation fängt an, Inhalte on demand zu nutzen, also z.B. zeitversetzt und an anderen Orten als im Wohnzimmer. Die Fernsehanstalten mit ihrer herkömmlichen Hardware-getriebenen Bereitstellung von Content können dieser Entwicklung schwer nachkommen. Deshalb sichern innovative Lösungen, wie wir sie anbieten, die Zukunft der Sendeanstalten.

Sie haben relativ rasch den Schritt in Richtung USA gewagt. Warum nicht die geografische Nähe nutzen und zuerst die Möglichkeiten in den europäischen Ländern ausreizen?
Wir haben schnell gemerkt, dass der Markt in Europa sehr fragmentiert ist auf Grund der unterschiedlichen Gesetzgebungen, der unterschiedlichen Regulierungen im Sendebereich und auch der unterschiedlichen Sprachen. Sender agieren sehr national, sie sind sehr auf ihren eigenen Markt bedacht. Die Lösung, die wir anbieten, ist auf hohe Skalierbarkeit ausgelegt. Der US-Markt ist groß und bietet somit entsprechend viele Möglichkeiten für unser Produkt.
Während Präsentationen bei US-Kunden haben wir schnell gesehen, dass es sinnvoll wäre, vor Ort eine Niederlassung zu gründen, weil das Feedback extrem positiv war. Gleichzeitig haben wir den Schritt gesetzt, das Produkt auch in der Windows Azure Cloud anzubieten. Mit Seattle als Niederlassungsort profitieren wir von der direkten Nähe zu Redmond. Wir haben unsere Lösung auch im Headquarter von Microsoft präsentiert. Wir wurden eingeladen, an dem Technology Adoption Program von Windows Azure teilzunehmen, was uns viele Möglichkeiten gegeben hat, unser Produkt sehr innovativ zu gestalten.

Bietet Seattle auch die Nähe zu den Sendern?
Die US-Amerikaner sind sehr agil. Wenn es um den Vertrieb geht, sind sie wesentlich reisefreudiger als die Europäer. Der Markt ist zudem homogener, und der gesamte Broadcast-Bereich ist nicht so überreguliert wie in Europa. Es ist in den USA relativ einfach, mit eigenen Lösungen auf den Markt zu kommen. Man kann Set-Top-Boxen im Supermarkt anbieten. Man kommt hier sehr schnell auf eine Million User.

Wie interessant sind für Sie die anderen Märkte außer Europa und USA?
Wir versuchen sehr stark auf den asiatischen und auch afrikanischen Markt. Vor allem ist Afrika ein sehr aufstrebender Markt, was z.B. die Möglichkeiten im Bereich Mobility betrifft. Natürlich haben diese Länder eine andere Kultur, man braucht einen Ansprechpartner vor Ort, der die in Frage kommenden Länder gut kennt. Niederlassungen in Asien und Afrika sind derzeit nicht geplant. Unsere primären Zielmärkte sind die USA und Europa, wo es bereits sehr gut läuft.

Wie gut zieht die Marke „made in Austria“ in den USA?
Die US-Niederlassung tritt eigenständig auf. Nichtsdestotrotz wird die Tatsache, dass das Produkt aus Europa, speziell aus Österreich, kommt, sehr positiv aufgenommen. Die Qualität von deutschen und österreichischen Produkten wird nach wie vor wahrgenommen, siehe die Automobilbranche. Eines der ersten Feedbacks zu unseren Produkten betrafen Usability und Design. Beides kommt extrem gut an.

Sind Design und Usability nicht eher die Domäne von US-Unternehmen, siehe Apple?
Wenn man sich die Web-Auftritte von US-Firmen ansieht, dann merkt man schnell: Die positiven Beispiele werden meist von europäischen Unternehmen gemacht.

Wie ist ihr Produktportfolio strukturiert?

Wir haben drei Kernbereiche evaluiert, in denen es große Nachfrage gibt. Broadcast, Corporate Information und Instore TV. Im Fall Corporate Information präsentieren Großunternehmen ihren Mitarbeitern Inhalte, wie etwa Schulungsvideos. Traditionell fehlen diesen Elementen Interaktionsmöglichkeiten. Die Mitarbeiter leiden zudem unter der E-Mail-Flut. Mit Corporate Information ist das anders. Die Mitarbeiter, die mit Tablets ausgerüstet sind, können die Inhalte auf diesen bequem konsumieren. Mit den mobilen Möglichkeiten kann man zudem überprüfen, ob die Videos überhaupt angesehen werden.
Der dritte Bereich ist Instore TV. Wir haben anfangs versucht, im Bereich Digital Signage zu agieren – ein Begriff, der bereits negativ belastet ist, da einige Unternehmen meinen, dass eine Powerpoint-Präsentation auf dem Bildschirm schon cool genug sei. Auch die Wartezimmer-TV könnte man viel mehr machen, als das Programm monatlich zu wechseln. Unsere Lösung ist auch für diesen Bereich ideal. Allerdings haben wir schnell gemerkt, dass die Kunden in diesem Bereich nicht viel Änderung haben wollen. Wir sind deshalb nicht im typischen Digital Signage-Bereich tätig, den man aus den Wartezimmern und Trafiken oder Apotheken kennt. Wir machen Fernsehen, wie es etwa das Fitnessstudio FITINN verwendet: eine eigens gebrandete Aufmachung, das Ganze sehr harmonisch und optimal passend für die Kundenbedürfnisse.

Welche weiteren Pläne haben Sie?

Unsere Kernprodukte sollen weiter in Richtung Cloud Application entwickelt werden, sprich Windows Azure. Die tolle Skalierbarkeit bietet zahlreiche Möglichkeiten. Ein Startup oder ein Unternehmen, das ein neues Produkt launchen will, kann die Ideen mit Azure sehr kostengünstig umsetzen. Wer am Anfang steht und nur 100 User hat, erspart sich die Kosten für ein eigenes Rechenzentrum. Mit Cloud bleiben die Kosten überschaubar.

Welchen Tipp für Startups haben Sie, die mit einer guten Idee durchstarten wollen?
Es steckt sehr viel Arbeit dahinter und man braucht viel Geduld. Entscheidend ist, trotz Widrigkeiten weiterzugehen. Und gleichzeitig muss man sehr wohl auf Änderungen reagieren. Ich glaube, dass viele Startups stur ihren Weg gehen und dabei übersehen, dass die Anforderungen und Bedürfnisse des Marktes nicht unbedingt dem entsprechen, was man sich ursprünglich vorgenommen hat. Man muss immer hinterfragen und überprüfen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Es ist die Strategie der kleinen Schritte.


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