Erfolgsrezept „Nordic Work Culture“ 

Das finnische IT-Beratungsunternehmen Gofore stärkt sein Wachstum im deutschsprachigen Raum. IT WELT.at sprach mit dem neuen DACH-CEO Marc Fuchs. [...]

Gofore hat Dr. Marc Fuchs in die neugeschaffene Position CEO DACH-Region berufen. (c) Johanna Lohr
Gofore hat Dr. Marc Fuchs in die neugeschaffene Position CEO DACH-Region berufen. (c) Johanna Lohr

Das an der finnischen Börse notierte Beratungsunternehmen Gofore mit Niederlassungen in Deutschland, Österreich und Norditalien hat Dr. Marc Fuchs zum CEO DACH und Mitglied des Vorstands der Gofore Group ernannt. Zuvor war Fuchs in leitender Position bei der Randstad Digital Germany AG tätig, einem Anbieter von Beratung und Lösungen für die digitale Transformation. Mit dieser Ernennung will Gofore die Umsetzung seiner Wachstumsstrategie im deutschsprachigen Raum in den Bereichen Intelligente Industrie und Digitale Gesellschaft stärken. 

In der DACH-Region beschäftigt Gofore insgesamt 150 Digitalisierungsexperten an acht Standorten. Insgesamt hat das Unternehmen fast 1.500 Mitarbeitende in Finnland, Deutschland, Spanien, Estland, Österreich und Italien.

Finnland ist in vielen Bereichen digitaler Vorreiter.  Was ist das Erfolgsrezept? 

Marc Fuchs: Finnland ist laut unterschiedlichen unabhängigen Quellen wie etwa DESI/European Digital Economy and Society Index und UN eGovernment Survey weltweiter Spitzenreiter bei der Digitalisierung. Gofore hat daran einen wesentlichen Anteil. Das Unternehmen ist seit fast zwei Jahrzehnten Teil wichtiger gesellschaftlicher Digitalisierungsprojekte in Finnland. In Digitalisierungsprojekten arbeiten der öffentliche und private Sektor in Finnland eng zusammen. Die öffentliche Verwaltung trägt die Verantwortung, indem sie die Unternehmen zur Umsetzung der Projekte nutzen. 

Finnische Unternehmen sind zudem sehr gut in der agilen Entwicklung. Sie sind auch realistisch und sehr anpassungsfähig, können den aktuellen Stand berücksichtigen und die besten Lösungen finden, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Dieser Ansatz sorgt auch für volle Transparenz im Projekt und baut gegenseitiges Vertrauen auf.

Die Verwendung von z. B. Open-Source-Software und öffentlichen Cloud-Plattformen haben den Aufbau sicherer und maßgeschneiderter Lösungen ermöglicht, die durch menschenzentriertes Design für die Bedürfnisse der Endnutzer optimiert wurden. Dazu kommt noch das Knowhow von effizienter Datennutzung durch Analytik und KI sowie ein hoher Automatisierungsgrad. 

Der Mangel an Fachkräften sowie eine große Fluktuation im IT-Bereich stellt viele Firmen im DACH-Raum vor große Herausforderungen. Wir sehen hier unsere nordische Arbeitskultur als Differenzierungsmerkmal, um dieser Herausforderung in besonderer Weise zu begegnen.

Lassen sich aus Ihrer Sicht kulturelle Stärken – hier skandinavische – transferieren? Wie müsste der Lernprozess aussehen? Wie schafft man es, diesen nachhaltig zu gestalten? 

Eine moderne Unternehmenskultur, die „Nordic Work Culture“, basiert auf Individual- und Team-Empowerment und verabschiedet sich von traditionellen hierarchischen Managementstrukturen. Mitarbeitende werden transparent informiert und in wesentliche Entscheidungen aktiv einbezogen. Resultat ist eine hohe Zufriedenheit der Mitarbeitenden, eine geringe Fluktuation, eine hohe Lernbereitschaft und das kontinuierliche Streben nach Verbesserungen. Dies betrachten wir als Schlüssel, um die Herausforderungen der KI-geprägten Arbeitswelt der Zukunft zu meistern. Um eine internationale Arbeitgebermarke zu etablieren, ist ein aktiver Austausch gefordert. Dieser wird bei Gofore sowohl durch gemeinsame Arbeit in Kundenprojekten sowie durch interne Kooperationsmöglichkeiten unterstützt. Die einheitliche Führungskultur und interne Kommunikation der Gofore Gruppe bietet hierfür ein robustes Fundament. Regionale Unterschiede werden hierbei selbstverständlich individuell mit einbezogen.

Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen bei Digitalisierungsprojekten in der DACH-Region? Gibt es innerhalb dieser Region signifikante Unterschiede? 

Bei Digitalisierungsprojekten sind aus unserer Sicht verschiedene Dimensionen herausfordernd und müssen gemeinsam betrachtet werden. Dazu gehört eine klare Zielsetzung und stringente Governance, Change-Management und Einbeziehung aller Beteiligten sowie die Beherrschung komplexer technologischer Herausforderungen durch einen oft vorhandenen Technologiemix und die Notwendigkeit einer schrittweisen Modernisierung.

Gofore begegnet diesen Herausforderungen durch ein integriertes Leistungsangebot, das frühe Phasen wie Strategieentwicklung, Service-Design, IT- Design sowie die Entwicklung von embedded und digital services bis hin zur Qualitätssicherung und Sicherheitsprüfung abdeckt.

Regionale Unterschiede bestehen insbesondere im Bereich der Erwartungen von Beteiligten bzgl. Einbeziehung und Kommunikation. Diese Anforderung berücksichtigen wir durch regional spezifische Change Management Services. 

Was sind die Besonderheiten des öffentlichen Sektors in der DACH-Region in Sachen digitaler Transformation? Wie adressieren Sie diese?

Nach den diesjährigen Ergebnissen kennen 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen das hiesige Bundesportal, in der Schweiz waren es im Vorjahr 68 Prozent und in Deutschland 30 Prozent, die die jeweiligen eGovernment-Portale kennen. Dies bildet auch den Digitalisierungsstand der einzelnen Länder ab. Besonders in Deutschland ist zu beobachten, dass der Föderalismus und die dadurch einhergehenden Verteilung der Kompetenzen die Digitalisierung ausbremst. Unser Ansatz ist, dass wir unsere Erfahrung aus den nordischen Ländern nutzen, um Entscheidungsträgern aufzuzeigen, wie es mit Digitalisierung klappen kann. Natürlich kann man Lösungen nicht 1 zu 1 übernehmen, aber mit dem richtigen Mindset und unserer Erfahrung bei innovativen eGovernment-Lösungen können wir in der DACH-Region Veränderung herbeiführen und Behörden aktiv unterstützen.

Spielt KI im öffentlichen Sektor bereits eine Rolle? Wenn Ja: Wie würde Sie dieses zarte Pflänzchen beschreiben? 

Im finnischen öffentlichen Sektor sind KI-Lösungen bereits verbreitet im Einsatz und unterstützen in vielen Bereichen von digitalen Behördendiensten. Ein Beispiel ist die anonyme Analyse der Nutzungsdaten der Bürgerplattformen, für die maßgeschneiderte Dienste geschaffen werden, die sich an einer verbesserten Nutzererfahrung der Bürger und Bürgerinnen orientieren, und eben nicht an der Struktur der Behörden. Dies ist dort gut möglich, da bereits alle Behörden digitalisiert sind und Lebensereignisse, wie z.B. Geburt oder Umzug, oft die Beteiligung von mehreren Behörden erfordern.

In der öffentlichen Verwaltung in Deutschland wird künstliche Intelligenz bislang vor allem in spezialisierten Einsatzbereichen, etwa bei der Analyse von Steuerunterlagen oder bei Chatbots für die Bürgerkommunikation eingesetzt. KI wird oft nur zur Automatisierung von einzelnen Anwendungsfällen bzw. monotonen Aufgaben gedacht. Sie besitzt aber das Potenzial, die digitale Transformation der Verwaltung auf allen Ebenen entscheidend voranzubringen und muss ganzheitlich gedacht werden, wie es bereits in den nordischen Ländern passiert. Dies setzt aber einen erhöhten Digitalisierungsgrad der Behörden voraus, der in Deutschland zum Großteil noch nicht vorhanden ist.

Unterscheiden Sie zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation? Wenn Ja: Wie beschreiben Sie diese Unterschiede? 

Gofore versteht sich als Partner für die Digitale Transformation. Dies ist aus unserer Sicht ein umfassenderes Thema als die Digitalisierung und beinhaltet einen ganzheitlichen, strategischen Wandel von Geschäftsmodellen, Prozessen und Organisationen durch die Verwendung digitaler Technologien. Unser Leistungsangebot reflektiert diese Sicht, um für unsere Kunden ganzheitliche Services rund um die Digitale Transformation anzubieten.

Was macht aus Ihrer Sicht den USP von Gofore aus? 

Die Erfolgsgeschichte von Gofore basiert auf einer einzigartigen Unternehmenskultur und starken Werten. Die Werten sind seit der Gründung des Unternehmens vor über 20 Jahren gleich geblieben: Gofore sollte der bestmögliche Arbeitsplatz für seine Mitarbeitenden sein und mit dem Erfolg ihrer Kunden und Kundinnen voranschreiten. 

Die deutsche Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu hat die deutsche Gofore Tochtergesellschaft eMundo als besten Arbeitgeber Münchens 2023 bewertet. In Finnland ist Gofore als Arbeitsgeber vielfach ausgezeichnet und wurde 2021 zur Arbeitgebermarke des Jahres gewählt. 

Dies kombinieren wir mit einem innovativen Leistungsangebot für die digitale Gesellschaft und die intelligente Industrie. Wir sind multidisziplinär und optimieren das Geschäft unserer Kunden ganzheitlich.

Wie hat sich das Geschäft in der DACH-Region und hier besonders in Österreich in den letzten 12 Monaten entwickelt? 

Die Geschichte von Gofore ist sowohl durch organisches als auch anorganisches Wachstum geprägt. Gofore ist heute eines der profitabelsten Unternehmen der finnischen IT-Branche. Als börsennotiertes Unternehmen veröffentlichen wir konkrete Umsatzzahlen für den finnischen Markt sowie auf internationaler Ebene. Für die DACH Region und für einzelne Länder werden Umsatzzahlen nicht angegeben. 

Im Jahr 2022 belief sich der Gesamtumsatz auf 150 Millionen Euro; davon kam 89 Prozent aus Finnland und 11 Prozent aus dem Ausland. Der Jahresumsatz im Geschäftsjahr 2023 betrug 189,2 Millionen Euro. Daraus ist abzuleiten, dass das Geschäft dementsprechend auch in der DACH Region im Jahr 2023 gewachsen ist. Die Gesamtleistung, inklusive Umsatz aus Finnland sowie international wird genauer am 20. Februar im Finanzbericht veröffentlicht. 

Welche kurz- und mittelfristigen Pläne haben Sie in der DACH-Region und besonders Österreich?

Gofore konzentriert sich in der DACH-Region und in Österreich auf seine Kernbereiche, d.h. die digitale Gesellschaft und die intelligente Industrie. Hier streben wir weiteres Wachstum mit unseren bestehenden Großkunden sowie die Gewinnung neuer Kunden in diesen Bereichen an.

Zu unseren DACH-Kunden gehören im Bereich der Digitalen Gesellschaft u. a. die Deutsche Bahn, die Bayerische Agentur für Digitales (byte), Spar sowie eine große Bundesagentur. Zu den Kunden aus dem Bereich Intelligente Industrie zählen unter anderem BMW, Skidata, Voith, AGCO und Bosch Rexroth. Gofore arbeitet auch mit einem Energy-Drink-Hersteller.  

Wir konzentrieren uns auf die digitale Transformation, für die wir unsere Kunden von Beratung bis Umsetzung ganzheitlich unterstützen. 


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