Eugen Knippel ist seit 2007 für Marketing und PR von Spiele-Publisher Ubisoft in Österreich verantwortlich. Erst noch als Junior Marketing Manager, seit April 2013 als Senior. Mit Computerwelt.at spricht er über die Entwicklung des aktuell 240 Mio. Euro schweren heimischen Games-Marktes, ob sich die Hersteller von Business-Software in punkto Gamification und Marketing an der Spiele-Branche ein Beispiel nehmen sollten und das Potenzial von Spielen, einen gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen. [...]
Computerwelt.at: Herr Knippel , wie wird man Senior Marketing Manager eines Spiele-Publishers?
Eugen Knippel: Ich habe in Deutschland eine Ausbildung zum Werbekaufmann bei Ubisoft gemacht, on the job und mit Schulanteil. Gleich nach der Ausbildung kam ich nach Österreich. Das war eine tolle Möglichkeit. Das war 2007, ich war 22. Die Games-Branche verändert sich so schnell – damals war alles noch ein bisschen anders.
Was hat sich seitdem verändert? Ist die Branche professioneller geworden?
Das kann man so sagen. Es ist viel Geld im Spiel. Es gibt eine Studie die voraussagt, dass 2018 der weltweite Umsatz mit Videospielen bei 100 Mrd. Dollar liegen wird. Heute sind 80 von 100 Apps Spiele. Spiele waren schon immer Innovationstreiber, das hat sich nicht geändert. Heute ist es die Hardware-Landschaft aber deutlich vielfältiger – es gibt Smartphones, Tablets, Konsolen, und auch der PC ist nicht tot. Mit neuen Spielkonzepten ist der PC langfristig die stärkste Plattform.
Was macht Ubisoft in Österreich?
Österreich ist ein Vertriebs- und Marketingstandort. Zwei Mitarbeiter – inklusive mir – sind für die Vermarktung zuständig, fünf Mitarbeiter koordinieren die Logistik und Vertriebspartner, stellen den Vertrieb der Spiele sicher und kümmern sich um die Verfügbarkeit für den klassischen Retail Sale.
Man merkt: Flache Hierarchien bei Ubisoft in Österreich.
Ubisoft ist überhaupt nicht klassische hierarchisch aufgebaut. Wir können unseren CEO duzen, das ist schon angenehm. Auch moderne Arbeitsbedingungen, wie etwa flexible Arbeitszeiten, sind der Firma wichtig.
Wie groß ist der Games-Markt in Österreich?
2013 waren es 240 Mio. Euro Umsatz in Österreich – Hard- und Software, Konsolenspiele und PC-Spiele. Der Markt ist das fünfte Mal in Folge geschrumpft, wir erwarten aber für dieses Jahr wieder Wachstum.
Sind da Spiele-Apps mit eingerechnet?
Nein, das sind Zahlen für das klassische Retail-Business ohne Apps, Downloads oder DLCs, also Download-Content. Diese Daten sind sehr schwierig zu bekommen.
Sieht man sich diese Zahlen an, und zieht auch den massiven Boom bei Game-Apps für Smartphones und Tablets in Betracht, geht es dem Spiele-Markt also nicht so schlecht?
Ich glaube der Markt ist sehr gesund. Der klassische Retail-Markt tut sich aber relativ schwer. In Österreich ist auch die Handelslandschaft nicht sehr vielfältig. Es gibt zwei starke Player, das sind die Media/Saturn-Gruppe und Libro. Und ein Viertel aller verkauften Spiele in Österreich werden aus dem Ausland importiert, hauptsächlich von Amazon.
Wie groß ist der Anteil von Ubisoft am österreichischen Markt?
Wir veröffentlichen keine Zahlen für Österreich. Vielleicht nur so viel: Ubisoft hat 2013 weltweit eine Milliarde Umsatz gemacht, Österreich macht 1 Prozent davon aus.
Casual Games sind weiterhin im Kommen. Welche Auswirkungen hat das auf Publisher von „Hardcore“-Games wie Ubisoft?
Wir orientieren uns sehr stark an den Marktgegebenheiten. Vor fünf Jahren, als Nintendo DS und Wii sehr stark waren, haben wir die Hälfte unseres Umsatzes mit Casual Games generiert – Puzzle-Games oder Just Dance beispielsweise. Natürlich ändert sich der Markt. Nintendo ist ein bisschen schwächer geworden, dafür sind Playstation und Xbox jetzt sehr stark. Deswegen konzentrieren wir uns derzeit wieder auf Hardcore-Games. Die große Frage ist: Kommen die Casual Gamer überhaupt wieder zur Konsole, oder hat man die für immer an Mobile und Tablets verloren?
Stichwort Gamification: Können sich Business-Softwareunternehmen etwas von den Spieleherstellern abschauen?
Das Konzept ist, dem Spieler immer eine kleine Befriedigung zu geben für das, was er macht, damit er bei der Sache bleibt. Gamification gibt es auch bei Games, etwa wenn der Spieler dafür belohnt wird, dass er besonders gut um die Kurve driftet. Die Games-Branche bedient sich also auch der Gamification. Reduziert auf das Wesentliche geht es um die Entwicklung des User Interface: Je einfacher ein Konzept ist, je mehr Spaß es macht, umso besser ist das Produkt. Das gilt für Spiele genauso wie für Business-Software.
Werbung für Spiele ist sehr emotional. Für Business-IT wird zumeist eher nüchtern geworben. Sollte sich die IT-Branche eine Scheibe von der Games-Branche abschneiden?
Eine offene Frage zurück: Würden Sie eine Serverfarm für zig-tausende Dollar kaufen, die mit einem viralen Video verkauft wird? Aber andererseits: Warum nicht? Denken Sie beispielsweise an Volvo und das „Epic Split“-Video mit Jean-Claude Van Damme. Man muss sich als Unternehmen auch selbst beobachten. Welches Markenbewusstsein verkörpere ich? Was denkt der Nutzer? Welche Marke der Drucker hat, den sie sich kaufen, ist den meisten Menschen egal. Wenn der eine oder andere Hersteller es schafft, eine positive Emotion mit seinen Produkten zu verknüpfen, sieht die Sache vielleicht anders aus.
Ubisofts neues Spiel Watch Dogs beschäftigt sich mit der sehr aktuellen Thematik „Überwachung“. So weit ist das Spiel von der Realität nicht entfernt, oder? Ausgenommen vielleicht die Möglichkeiten des Protagonisten Aiden Pearce.
Absolut. Wenn man sich überlegt, welche Möglichkeiten es mit heutiger Technologie gibt, und bedenkt, dass wir von Technik umgeben sind, dann ist es ein unheimlicher Gedanke, dass ein Fremder diese Technologien gegen uns benutzen könnte. Wir haben versucht die Themen Snowden und NSA nicht zu sehr auszuschlachten, aber das war eine aktuelle Thematik und hat dem Verkauf des Spiels gutgetan.
Haben Spiele heute die Aufgabe, zum Nachdenken über solche Themen anzuregen? Ist Watch Dogs quasi die moderne Fassung von George Orwells 1984?
Möglicherweise. Ich glaube aber auf der Metaebene haben wir es nicht geschafft. Wir haben am Ende nicht diesen edukativen Charakter im Sinne von: „Leute, passt auf eure Daten auf!“ Aber wenn man sich mit dem Spiel beschäftigt, dann sollte es einem zu denken geben. Ich glaube, dass Spiele die Menschen durchaus zum Nachdenken bringen sollten.
Wenn man solche Themen als Spielecompany anspricht, kann man auch einen gesellschaftlichen Diskurs mitbestimmen. Oder man wird kritisiert. Wir sind beispielsweise einer Kontroverse ausgesetzt, weil es im neuen Assassins Creed keine weibliche Assassinin gibt. Anderes Beispiel: In Russland ist das aktuelle „Die Sims“ von Publisher EA verboten, weil gleichgeschlechtliche Ehen möglich sind. Games haben das Potenzial, Diskussionen anzuregen.
Das Gespräch führte Rudolf N. Felser.
Eugen Knippel:
Eugen Knippel übernahm 2007, nach seiner Ausbildung bei Ubisoft in Deutschland, die Position des Junior Marketing Managers bei Ubisoft Austria. Seit April 2013 zeichnet er als Senior Marketing Manager für Marketing und PR des Unternehmens in Österreich verantwortlich.
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