Gebrauchtsoftware: „Die Kunden haben endlich Rechtssicherheit“

Nach dem für die Softwarebranche richtungsweisenden EuGH-Urteil Mitte 2012 hat das OLG Frankfurt im Rechtsstreit zwischen Usedsoft und Adobe im Dezember entschieden, dass Volumen- und sogar Schullizenzen gesplittet und weiterverkauft werden dürfen. Bis dahin war diese Frage noch nicht endgültig geklärt. Doch nun scheinen alle Ampeln für die Gebrauchtsoftwarehändler grün zu sein. Deswegen hat die Computerwelt den Geschäftsführer von Usedsoft, Peter Schneider, zum Interview gebeten. [...]

Auch nach dem EuGH-Urteil vom letzen Sommer war es noch strittig, ob Volumenlizenzverträge in kleine „Häppchen“ geteilt und einzeln weiterverkauft werden dürfen. Damals entschied das Gericht nämlich, obwohl in anderen Punkten dem gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft recht gegeben wurde, dass Oracles Client-Server-Lizenzen nicht gesplittet werden dürfen. Laut dem jüngsten Urteil des OLG Frankfurt ist hingegen bei anderen Volumenlizenzverträgen eine Aufspaltung in einzelne Lizenzen legal. Das Argument, dass sich Volumenlizenzverträge als ein einziges, zusammengehöriges Paket ansehen lassen, wiesen die Richter ab. Und sogar günstige Schul-Lizenzen dürfen weiterverkauft und kommerziell genutzt werden. Im Gespräch mit der Computerwelt sieht Usedsoft-Geschäftsführer Peter Schneider diese Entscheidungen als „wichtige Signale für den Markt“.

Computerwelt: Welche Bedeutung hat das neue Urteil des OLG Frankfurt für das Unternehmen Usedsoft, seine Kunden und den gesamten Gebrauchtsoftware-Markt? Es handelt sich dabei doch eigentlich nur um eine Bestätigung des EuGH-Urteils, in Details vielleicht etwas verständlicher formuliert, oder?
Peter Schneider:
Die Frankfurter Richter haben das EuGH-Urteil in drei ganz entscheidenden Punkt konkretisiert: Sie vertraten erstens die Auffassung, dass einzelne Lizenzen, die ursprünglich im Rahmen eines Volumenlizenzvertrags erworben wurden, auch einzeln weiterverkauft werden dürfen. Zweitens machten sie deutlich, dass auch preisvergünstigte „Edu“-Lizenzen weiterverkauft werden dürfen. Und drittens widersprachen die Richter dem Standard-Argument der Hersteller, bei Volumenlizenzen handele es sich nur um eine einzige Lizenz, weil auch nur eine Seriennummer vergeben worden sei. Das waren schon wichtige Signale für den Markt.

Rechnen Sie damit, dass die Softwarehersteller jetzt aufgeben und damit aufhören, den Gebrauchtsoftware-Händlern Steine in den Weg zu legen?
Aufgeben werden sie wohl nicht, aber ihre Aktivitäten haben ziemlich nachgelassen. Was die Hersteller tun, ist im Grunde aber unerheblich, weil das EuGH-Urteil keine Fragen offen lässt. Software darf gebraucht weiterverkauft werden, und zwar gleichgültig, ob sie als Box-Produkt, in Volumenpaketen oder online in den Markt gekommen ist. Die Kunden haben also endlich Rechtssicherheit.
 
Im Fall von Adobe muss die Software ja aktiviert werden. Kann Adobe sich in diesem Punkt noch querlegen und die Nutzung der Software unmöglich machen oder erschweren?
Das wäre ein klarer Verstoß gegen das EuGH-Urteil. Ich schließe aus, dass ein Software-Hersteller sich den juristischen Folgen eines solchen Handelns aussetzt. Und es ist bisher meines Wissens auch noch nicht vorgekommen. Zudem hätte dies sofort einstweilige Verfügungen zur Folge.

Wie sehen Sie die Entwicklung am österreichischen Markt beim Thema Gebrauchtsoftware bzw. hat das neue Urteil Ihrer Meinung nach auch Auswirkung auf Österreich? Hierzulande ist ja kein Urteil in dieser Sache ergangen.
Allein entscheidend ist das EuGH-Urteil. Und das gilt auch für Österreich. Das bedeutet: Software gebraucht zu verkaufen oder zu kaufen, ist auch in Österreich absolut rechtmäßig.

Und noch zu Usedsoft selbst: Die Gerichtsverfahren müssen die „Kriegskasse“ des Unternehmens doch ziemlich angegriffen haben. Wie sieht Usedsofts Zukunft aus? Ist die finanzielle Lage stabil?
Danke der Nachfrage! Aber uns geht es gut, sehr gut sogar. Und da wir ja alle wichtigen Verfahren gewonnen haben, musste ja die Gegenseite einen Großteil der nicht unerheblichen Verfahrenskosten tragen. Die Umsätze und Erträge sind überdies stabil und wachsen weiter.

Das Gespräch führte Rudolf N. Felser.


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*