„Gute Chefs zeichnen sich insbesondere durch gute Kommunikation aus“

Martin Hager, Gründer und Geschäftsführer von Retarus, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]

Martin Hager, Gründer und Geschäftsführer von Retarus: "Der Umstieg von On-Prem zu Service, Cloud beziehungsweise SAAS ist sicher ein ganz wichtiges Thema. Denn Services zu managen, erfordert viel weniger Aufwand als Software upzudaten." (c) Retarus

Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Gute Führung ist in schwierigen Zeiten unersetzlich. Gute Chefs zeichnen sich insbesondere durch gute Kommunikation aus – ohne Panik und konsistent. Im deutschsprachigen Raum wird ja oft nach dem Sprichwort verfahren, dass Reden Silber, Schweigen aber Gold sei. Kommunikation wird häufig als nicht so relevant eingestuft. Jedoch, in Zeiten von Kontaktvermeidungen, in denen man sich kaum persönlich begegnet und der persönliche Austausch fehlt, ist Kommunikation umso wichtiger. In der Corona-Krise kommen bei wohl jedem mehrere Sorgen auf: Bleibe ich gesund? Wie wirkt sich diese Krise auf die Gesellschaft und die Wirtschaft aus? Behalte ich meinen Arbeitsplatz? Zumindest die Sorge um den Arbeitsplatz kann gute Kommunikation im Unternehmen den Mitarbeitern nehmen. Dazu gehört auch, dass man nichts leichtfertig verspricht, wenn man noch nicht alles absehen kann. Gute Kommunikation schafft Vertrauen und Zuversicht. Welch katastrophale Effekte schlechte Kommunikation haben kann, zeigt sich an dem, was über vermeintliche Gefahren der Impfung gegen COVID 19 verbreitet wurde.

Eine weitere Lehre ist: „prepare for the unprepared“. Wir haben sehr davon profitiert, dass wir seit Jahren Pandemiepläne in der Schublade hatten, die uns unglaublich geholfen haben, von jetzt auf gleich auf mobiles Arbeiten umzuschalten. Dabei zahlt es sich aus, die Infrastruktur immer auf dem aktuellsten Stand zu haben, um schnell reagieren zu können.

Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Das ist eine sehr breit gespannte Frage. Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass die Corona-Krise Digitalisierung und Cloudifizierung massiv angeschoben hat. Darüber hinaus haben sich die Kommunikations-, Meeting- und Arbeitskultur, insbesondere in nicht produzierenden Branchen ohne direkten Kundenkontakt, stark verändert. Und es verschieben sich gerade Wettbewerbsbedingungen durch unterschiedliche Präsenzmöglichkeiten. Persönlich hoffe ich sehr, dass sich die Gräben, die die Krise momentan in die Gesellschaft zieht, nach der Pandemie wieder zuschütten lassen.

„Welch katastrophale Effekte schlechte Kommunikation haben kann, zeigt sich an dem, was über vermeintliche Gefahren der Impfung gegen COVID 19 verbreitet wurde.“

Martin Hager

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Viel positives Feedback von Mitarbeitern. Die klare Kommunikation während der Pandemie. Darüber, dass sie bei uns eine Sorge weniger haben. Die Möglichkeiten, in den gerade auch für Familien schwierigen Zeiten in der Kinderbetreuung superflexibel sein zu können – bei geschlossenen Kitas und ohne Großeltern, die wegen der Corona-bedingten Kontakteinschränkungen nicht mehr auf die Kinder aufpassen konnten.

Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Der Umstieg von On-Prem zu Service, Cloud beziehungsweise SAAS ist sicher ein ganz wichtiges Thema. Denn Services zu managen, erfordert viel weniger Aufwand als Software upzudaten. Weitere Themen, deren Relevanz sicher nicht geringer wird, sind Datenschutz und europäische Datenverarbeitung. Hier muss Druck auf diejenigen Anbieter ausgeübt werden, die dem Cloud Act unterliegen. In Verstößen gegen die DSGVO liegen große, auch persönliche Risiken. Die Strafen werden drakonisch und man kann sich für diese Fälle nicht versichern. Europa muss in diesem Bereich selbstbewusster werden und über Modelle wie Datentreuhänderschaft Rechtskonformität erzielen. Anbieter behaupten ja gerne mal, das sei nicht möglich, weil alles global auf einer großen Plattform liefe. Dennoch hat sich immer wieder gezeigt, dass es für andere Märkte, zum Beispiel China, doch möglich war, gesonderte Installationen vorzuhalten.

Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es, die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie, müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen Sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Nachhaltigkeit fängt damit an, dass man ein Bewusstsein dafür entwickelt. Häufig gesprochen wird über den Verbrauch. Wir haben immer schon, wo es möglich ist, auf einen bewussten Umgang mit den Ressourcen gesetzt. Zum Beispiel kommt der Strom für das Rechenzentrum in München, das wir selbst betreiben, zu 100 Prozent aus Wasserkraft. Bei unseren Rechenzentren, die wir bei Colocation-Anbietern betreiben, haben wir auf den Strommix keinen Einfluss.

Wir legen Wert auf eine effiziente Reiseplanung – wohin mit welchem Verkehrsmittel? Oft ist es besser, Bahn zu fahren, aber eben nicht immer. Bei Reisen in unsere weiter entfernten Niederlassungen lassen sich Flugreisen nicht vermeiden. Oft kann man sie aber mit Urlaub verbinden und spart dann den extra Urlaubsflug.

Seit je her achten wir auf einen niedrigen Flottenverbrauch bei unseren Firmenwägen. Autos mit Plug-in-Hybridantrieb bekommen nur Mitarbeiter, die auch nachweislich zu Hause Strom tanken können. Denn auch die beste Batterieunterstützung ist kontraproduktiv, wenn am Ende der Leasingzeit das Ladekabel originalverpackt zurück gegeben wird.

Häufig vergessen wird die Langlebigkeit von Investitionen. Produkte müssen nachhaltiger werden. Zum Beispiel Notebooks, die in der Regel alle drei Jahre ausgetauscht werden müssen, weil sie dann, nach zahlreichen Betriebssystem-Updates, nicht mehr performant sind. Einzelne Komponenten wie Speicher oder Akku lassen sich bei vielen Geräten gar nicht mehr erweitern oder tauschen, um die Nutzungszeit zu erhöhen.

Bei der Umgestaltung unserer Büros mit neuen Möbeln können wir mehr Einfluss nehmen. Wir haben uns ganz bewusst für Qualitätsmöbel entschieden. Klar, es gibt erheblich billigere Büromöbel. Aber wer billig kauft, kauft zweimal. Und wir haben den Anspruch, die Ausstattung mindestens wieder 15 Jahre nutzen zu wollen, ohne dann an wackeligen Tischen zu sitzen.

„Heute wird den Kindern in der Schule ausschließlich beigebracht, wie man Microsoft-Produkte bedient. Das kann nicht Aufgabe der Schule sein. Die muss doch viel mehr in der Basisausbildung liegen und darin, Begeisterung für IT und die kreative Komponente daran bei den Schülern zu wecken.“

Martin Hager

Wie gut ist Ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Homeoffice, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
Für andere Unternehmen, speziell in Österreich, kann ich als Deutscher nicht sprechen und würde mir das auch nie anmaßen. Bedingt durch unser Geschäftsmodell sind wir es gewohnt, ticket- und dokumentationsorientiert zu arbeiten. Das ist über viele Jahre erprobt und wird von uns in einem eignen agilen Mix gelebt. Für uns als Unternehmen mit Niederlassungen auf vier Kontinenten und mehreren regionalen Standorten in einzelnen Ländern ist das Arbeiten in verteilten Teams schon lange selbstverständlich. Deshalb war Retarus auch vom ersten Tag der pandemiebedingten Lockdowns an bestens dafür aufgestellt. Zudem profitieren wir davon, dass wir unsere Rechenzentren selbst betreiben und über üppige Leitungskapazitäten verfügen.

Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
In den kommenden Jahren ist keine Besserung zu erwarten. Jede Veränderung braucht ihre Zeit, die Erkenntnis, dass IT-Fachkräfte knapp sind, ist wohlfeil, aber man muss aktiv werden, um das zu ändern.

Was mich ärgert: Ich bin Anfang der 80er-Jahre über die Schule durch eine Neigungsgruppe Informatik zur IT gekommen. Dort haben wir in unserer Freizeit unter Anleitung von Lehrern und Studenten gelernt, wie Computer funktionieren und wie man Software schreibt. Bei meinen vier Kindern, die in zwei Ländern je 12 bis 13 Jahre lange zur Schule gegangen sind, gab es so etwas nicht. Heute wird den Kindern dort ausschließlich beigebracht, wie man Microsoft-Produkte bedient. Das kann nicht Aufgabe der Schule sein. Die muss doch viel mehr in der Basisausbildung liegen und darin, Begeisterung für IT und die kreative Komponente daran bei den Schülern zu wecken. Sie sollten nicht von Anfang zu Konsumenten getrimmt werden. Hier sind auch Branchenverbände massiv gefragt, zu unterstützen.

Wir helfen uns, indem wir selbst ausbilden. Retarus ist seit über 25 Jahren Ausbildungsbetrieb und ich bin stolz, dass im Laufe der Zeit viele unserer Azubis Meisterpreise gewonnen haben. Und wenn Menschen, die bei uns ausgebildet wurden, Karriere bei Weltmarktführern machen, freut mich das sehr.

Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.


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