Hybrid-Cloud, KI und Nachhaltigkeit – wie Unternehmen IT-Strategien heute umsetzen. Otmar Zewald, Senior Vice President Product Management bei Proalpha, warf im Rahmen eines ITWELT.at-Roundtables einen Blick auf datengetriebene Entscheidungen, Automatisierung und die Zukunft der Cloud. [...]
Cloud Computing ist längst im Zentrum der digitalen Transformation angekommen – gerade für mittelständische Industrieunternehmen entstehen neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Zwischen klassischen On-Premise-Systemen, modernen Cloud-Architekturen und hybriden Modellen müssen Unternehmen sehr gezielt entscheiden, wie sie Innovation, Datensicherheit und Nachhaltigkeit optimal verbinden. Otmar Zewald, Senior Vice President Product Management bei Proalpha, hat im Rahmen eines Roundtables der ITWELT.at erläutert, wie er Kunden auf dem Weg zur Hybrid-Multi-Cloud unterstützt, welche Rolle KI dabei spielt und warum der strategische Aufbau der IT-Landschaft heute weit mehr ist als eine reine Infrastruktur-Frage.
Wie definieren Sie in Ihrem Unternehmen den Begriff „Hybrid-Multi-Cloud“ und worin unterscheidet sich Ihr Ansatz von einem reinen Hosting- oder klassischen Cloud-Modell?
Bei uns gestaltet sich das Thema etwas speziell, da wir als Anbieter von Betriebsanwendungen unseren Kunden grundsätzlich verschiedene Optionen bieten: Sie können entscheiden, ob sie vollständig in die Cloud wechseln und Software-as-a-Service (SaaS) nutzen oder lediglich die Infrastruktur in der Cloud betreiben möchten.
Der entscheidende Unterschied ist: Wenn ein Kunde unsere Lösungen als SaaS bezieht, erhält er nicht nur die Infrastruktur in der Cloud, sondern wir übernehmen den vollständigen Betrieb des Systems. Das bedeutet, wir stellen regelmäßig Release-Updates mit neuen Innovationen und zusätzlichen Funktionen und Optionen bereit und sorgen dafür, dass die Software unserer Kunden immer auf dem neuesten Stand ist. Neben der Infrastruktur bieten wir also auch einen umfassenden Service mit klar definierten Leistungsbeschreibungen an, sodass sich unsere Kunden ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, ohne sich um den Systembetrieb kümmern zu müssen.
Gleichzeitig beobachten wir, dass viele Kunden hybride Ansätze bevorzugen. Beispielsweise fühlen sie sich bei CRM-Anwendungen wohl damit, diese als SaaS-Lösung zu betreiben, möchten jedoch produktionsnahe Systeme wie MES oder Qualitätsmanagement weiterhin On-Premise oder in einer selbst gewählten Cloud-Umgebung betreiben. In diesen Fällen sind wir nicht im Hosting-Geschäft tätig, sondern konzentrieren uns auf das SaaS-Angebot. Für reines Hosting verweisen wir gerne auf spezialisierte Partner.
Für uns bedeutet „Hybrid“ daher eine echte Kombination aus On-Premise- und Cloud-Lösungen – auch solche, die nicht von Proalpha stammen. Entscheidend ist, dass alle Systeme nahtlos in der Applikationslandschaft unserer Kunden zusammenarbeiten.
Welche entscheidenden Vorteile sehen Sie in Cloud-Lösungen – insbesondere im Vergleich zu On-Premise-Systemen – und wo stößt die Public Cloud an ihre Grenzen?
Die Gründe für den Einsatz von Cloud-Lösungen sind vielfältig und die Treiber in der IT-Welt grundsätzlich ähnlich. Auch wir als Anbieter sehen klare Vorteile: Bestimmte Technologien wie Künstliche Intelligenz (AI) lassen sich in der Cloud deutlich effizienter und leistungsfähiger umsetzen als in On-Premise-Umgebungen. Durch die Nutzung der Rechenkapazitäten von Hyperscalern können wir unseren Kunden innovative Lösungen mit integrierter AI und hoher Performance anbieten. Im Gegensatz dazu sind On-Premise-Lösungen in ihren technischen Möglichkeiten oftmals eingeschränkt, was die Weiterentwicklung und schnelle Integration neuer Technologien hemmt.
Es gibt jedoch auch Geschäftsbereiche, in denen spezifische Anforderungen – etwa in der Zusammenarbeit innerhalb von Lieferketten, wie sie in der Automobilindustrie üblich sind – besondere Lösungen erfordern. Viele OEMs stellen Anforderungen an die Lieferkette, die teilweise nicht vollständig in der Public Cloud abbildbar sind. Hier entstehen sogenannte Industrial Clouds, in denen verschiedene Unternehmen einer Lieferkette in einer abgesicherten, branchenspezifischen Cloud-Umgebung zusammenarbeiten (beispielsweise bei Volkswagen oder Mercedes).
Ein weiterer Vorteil der Cloud ist die Möglichkeit, komplexe Anwendungen wie HCM oder CRM mit einer kleinen internen IT-Mannschaft effizient zu betreiben. Die Cloud bietet Skalierbarkeit, Kosteneffizienz und einen einfachen Zugang zu modernen Technologien. Unternehmen profitieren von automatischen Updates, hoher Datensicherheit, flexibler Ressourcenanpassung und der Möglichkeit, von überall auf Anwendungen und Daten zuzugreifen.
Insgesamt ermöglicht Cloud Computing Unternehmen, ihre IT-Infrastruktur flexibel an den tatsächlichen Bedarf anzupassen, Innovationen schneller einzuführen und sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, während der Betrieb und die Wartung der Systeme durch den Anbieter gewährleistet werden.
Wie stellen Sie fest, ob ein Unternehmen „Cloud ready“ ist, und welche Schritte empfehlen Sie, um bestehende IT-Landschaften optimal auf einen späteren Cloud-Umzug vorzubereiten?
Ob ein Unternehmen „Cloud ready“ ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Unsere Empfehlung an die meisten Kunden lautet, zunächst die Applikationslandschaft zu konsolidieren und die Einführung neuer Systeme zu strukturieren, bevor der Schritt in die Cloud erfolgt. Dadurch lassen sich Effizienzen sowohl auf Kundenseite als auch bei uns als Anbieter realisieren.
Grundsätzlich gilt: Für jede Ausgangssituation gibt es eine passende Lösung. Während die Cloud unbenommen eine wichtige Komponente moderner IT-Strategien bleibt, fahren Unternehmen de-facto einen hybriden Ansatz, bei dem sie versuchen, ihre Workloads für die passende Betriebsart – sprich in Public Cloud-, Private Cloud- und On-Premise-Umgebungen – optimal zu platzieren. Wenn darüber Klarheit herrscht, gilt es diese Bereiche Cloud-Ready zu machen und anschließend den Wechsel in die Cloud konsequent zu vollziehen.
Welche Erfahrungen machen Ihre Kunden beim Wechsel in die Cloud, und wie schätzen Sie die künftige Entwicklung der Cloud- und Hybridnutzung in den nächsten Jahren ein?
Wir bieten grundsätzlich keine Multi-Cloud-Lösung an, sondern setzen auf die Private Cloud, da dies den Wünschen unserer Kunden entspricht. Das Thema „Exit“ spielt in unserem Umfeld bislang eine untergeordnete Rolle. Unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden, die sich für den Betrieb ihrer Anwendungen in der Cloud entscheiden, in der Regel auch dauerhaft in der Cloud bleiben. Bisher haben wir nur wenige Fälle erlebt, in denen ein Kunde die Cloud wieder verlassen hat.
In der Praxis beobachten wir, dass unsere Kunden den Wechsel in die Cloud bewusst schrittweise vollziehen. Häufig beginnen sie mit weniger geschäftskritischen Anwendungen wie CRM, da hier ein kurzfristiger Ausfall weniger gravierende Auswirkungen auf das Tagesgeschäft hätte. So können die Kunden zunächst Erfahrungen mit Software-as-a-Service sammeln und ihre Kompetenzen in diesem Bereich ausbauen. Im Anschluss werden dann nach und nach weitere Bereiche, wie beispielsweise HCM, in die Cloud überführt.
Wir gehen davon aus, dass die Cloud-Einführung insbesondere bei produktionsnahen Anwendungen wie MES – etwa mit Maschinendatenerfassung – noch eine Weile dauern wird. Insgesamt erwarten wir, dass in den kommenden fünf Jahren nahezu alle unsere Kunden eine hybride IT-Architektur nutzen werden, also eine Mischung aus On-Premise- und Cloud-Lösungen. Der Anteil der Cloud-Anwendungen wird dabei stetig zunehmen. Für bestimmte Bereiche ,wie etwa CRM, wird die Public Cloud häufiger zum Einsatz kommen, während für zentrale Systeme wie ERP weiterhin häufig eine On-Premise-Provisionierung bevorzugt wird. Wir sehen also eine Entwicklung hin zu einer schrittweisen, bedarfsgerechten Migration in die Cloud, statt eines vollständigen und sofortigen Umstiegs.
Wie wichtig ist Kunden heute noch der physische Standort ihrer Daten – oder überwiegen in der Cloud-Diskussion inzwischen andere Sicherheitsaspekte?
Ich muss ehrlich sagen, bei uns dreht sich die Diskussion meist um die Frage, ob Kunden On-Premise bleiben oder in die Cloud wechseln. Nur vereinzelt sprechen Kunden gezielt über den Standort ihrer Daten oder spezifische Anforderungen an die Datenlokation. In der Regel steht jedoch die grundsätzliche Entscheidung zwischen On-Premise und Cloud im Vordergrund. Besonders vertrauliche Daten, wie Produktionsdaten, werden auch Stand heute noch überwiegend nicht in die Cloud migriert.
Interessanterweise beginnen viele Gespräche bei uns zwar mit dem Thema Standort der Daten, doch im weiteren Verlauf rücken die konkreten Maßnahmen und Prozesse in den Vordergrund, die im Falle eines Vorfalls oder bei sich verändernder politischer Lage greifen. Häufig entwickelt sich das Gespräch von der Frage nach dem Datenstandort hin zu den Sicherheitsvorkehrungen und etablierten Prozessen, beispielsweise wie wir Systeme gegen Angriffe schützen oder wie wir auf politische Veränderungen reagieren.
Diese Fokussierung auf Prozesse und Maßnahmen führt oft dazu, dass Kunden, die ursprünglich ausschließlich auf On-Premise-Lösungen setzen wollten, erkennen, dass die Cloud für sie durchaus eine sichere Alternative sein kann. Derart Gespräche erleben wir regelmäßig.
Wie verändert der Einsatz von Cloud-basierter Datenanalyse und KI Ihre Strategie für Störungsbehebung und präventive Sicherheitsmaßnahmen – und welche Rolle spielen dabei branchenspezifische Anforderungen?
Ein gutes Beispiel ist die Fehleranalyse. Bei uns geht es zunächst darum, unmittelbar auf Störungen an Maschinen zu reagieren. Im Anschluss folgt jedoch häufig eine detaillierte Analyse: Was ist passiert? Wie haben wir ähnliche Situationen in der Vergangenheit gelöst? Was müssen wir tun, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden?
In diesem Zusammenhang rückt die Datenanalyse immer stärker in den Fokus, idealerweise unterstützt durch künstliche Intelligenz. Dafür werden relevante Daten oftmals gezielt in die Cloud repliziert, um sie dort für Analysezwecke zu nutzen. Entscheidend ist dabei stets die Frage, welches Geschäftsproblem gelöst werden soll und welche Werkzeuge dafür am besten geeignet sind. Daraus ergibt sich, welche Prozesse sinnvollerweise On-Premise und welche optimal in der Cloud abgebildet werden sollten – und gegebenenfalls auch, welche Cloud-Architektur dafür die Richtige ist.
Wir verfügen über spezifische Kompetenzen, die wir aus verschiedenen Branchen mitbringen. Natürlich gibt es branchenübergreifende Herausforderungen – beispielsweise im Bereich Maschinenbau. Bei komplexeren Themen wie Compliance unterscheiden sich die Anforderungen jedoch deutlich: Ein Zulieferer in der Medizintechnik steht vor anderen Herausforderungen als ein Zulieferer in der Automobilindustrie. Hier zeigen sich branchenbezogene Unterschiede, weshalb wir unsere Lösungen gezielt an industriespezifischen Anforderungen ausrichten.
Durch diesen Fokus können wir nicht nur unsere Software optimal anpassen, sondern auch branchenspezifische Fachkompetenz und bewährte Best Practices einbringen. So stellen wir sicher, dass unsere Kunden von einem umfassenden Verständnis der jeweiligen Industrie profitieren.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei Ihren Kunden?
Künstliche Intelligenz wird im industriellen Umfeld zunehmend wichtiger, insbesondere für unsere Kunden aus dem Maschinenbau. Die Maschinen selbst unterscheiden sich heute oft nur noch wenig voneinander; der entscheidende Wettbewerbsvorteil liegt daher in der Qualität der Dienstleistung. Gerade im Reklamationsfall gibt es zahlreiche potenzielle Ursachen – vom Lieferanten über die Produktion bis hin zu anderen Bereichen. Um solche Fälle effizient zu bearbeiten, ist es notwendig, verschiedene Systeme wie Qualitätsmanagement, Service Management und MES miteinander zu verknüpfen.
Deshalb haben wir Ende 2024 mit der Proalpha Industrial AI Platform ein durchgängiges Angebot für den konkreten, praxisgetriebenen und replizierbaren Einsatz von Artificial Intelligence (AI) im industriellen Mittelstand vorgestellt. Die Plattform stellt unseren Kunden einen umfassenden Katalog von AI Business Apps für Kernprozesse entlang zentraler Geschäftsbereiche für die unternehmerische Wertschöpfung bereit – vom Einkauf und der Produktion, über den After-Sales bis hin zum Service. Damit wird das ready-to-use AI App Portfolio auch für den industriellen Mittelstand einfach zugänglich, und somit zum echten Game Changer in einer zunehmend wirtschaftlich herausfordernden Zeit.
Unsere AI Platform umfasst die bewährten AI-Technologien aus den Akquisitionen von Empolis und Nemo, ist damit als SaaS für die Cloud entwickelt und durchgängig in das Proalpha Ökosystem integriert, kann aber auch nahtlos an Drittanbieter-Systeme angebunden werden. Damit bieten wir Unternehmen eine ganzheitliche Datenintelligenz. Über die jeweiligen vorpaketierten AI-Apps – je nach Einsatzszenario – können sowohl strukturierte (wie Tabellen im Einkauf) als auch unstrukturierte Daten (wie Dokumente oder Notizen und Wissen aus dem Service) verarbeitet werden. So werden verborgene Erkenntnisse in Wissen und optimierte, datengetriebene Entscheidungen verwandelt.
Wie begleiten Sie mittelständische Industrieunternehmen auf dem Weg zum AI-unterstützten Betrieb?
Mit unserem AI-Ansatz wollen wir insbesondere den produzierenden Mittelstand mit auf eine Reise hin zum AI-unterstützten Unternehmen nehmen, unabhängig von Reifegrad und Umsetzungsgeschwindigkeit. Entscheidend hierfür ist aber, dass Unternehmen beim Einsatz von AI von der vorherrschenden Gießkannenmentalität wegkommen und endlich durch den zielgerichteten Einsatz schnelle und spürbare Mehrwerte in der Praxis erzielen. Das gelingt, wenn AI schrittweise mit sofort einsetzbaren Anwendungen implementiert wird – Prozess für Prozess und Geschäftsbereich für Geschäftsbereich.“
Die Verantwortung für die Einführung und Nutzung von AI-Lösungen liegt dabei grundsätzlich beim Kunden. Wir als Softwareanbieter unterstützen unsere Kunden jedoch intensiv in diesem Prozess und führen täglich entsprechende Gespräche, in denen wir unsere Erfahrungen und Best Practices weitergeben.
Wir erleben häufig, dass Kunden mit sehr konkreten Vorstellungen auf uns zukommen und fragen: „Können Sie dies oder jenes umsetzen?“ Natürlich können wir entsprechende Lösungen implementieren. Unser Ansatz ist jedoch, gemeinsam mit dem Kunden zunächst die eigentlichen Ziele zu hinterfragen. Geht es etwa um die Optimierung ihrer Lagerbestände durch bessere Verbrauchsprognosen, Dispositionsparameter und Wiederbeschaffungszeiten oder der Produktion durch verkürzte Durchlauf- und Liegezeiten für eine verbesserte Liefertreue?
Basis hierfür ist eine AI-gesteuerte Stammdatenoptimierung durch Muster- und Fehlersuche, aber auch durchgängiges Datenqualitätsmanagement und Datenmigrationen. Die reine Digitalisierung von Prozessen und die Auswertung von tabellenbasierten Daten reicht da aber oft nicht aus, um Mitarbeitende in wissensintensiven Prozessen wirklich produktiver zu machen.
Der Kundenservice ist hierfür ein perfektes Beispiel: Kundenanfragen können erst dann schneller, professioneller und individualisierter beantwortet werden, wenn auch das richtige Wissen für die oft komplexen Support-Anfragen in der Industrie verfügbar wird. Dieses liegt meist auch außerhalb der ERP-Grenzen, z.B. in Handbüchern, Dokumentationen, E-Mail-Verteilern oder Teams-Gruppen. Daher erzielt die AI-basierte Verarbeitung unstrukturierter Daten aus unterschiedlichsten Quellen Produktivitätsgewinne von 30 bis 40 Prozent in wissensintensiven Prozessen, da relevante Informationen digitalisiert und zur richtigen Zeit der richtigen Person zugeführt werden können. Gerade in Zeiten des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels wird AI-gestütztes Wissensmanagement zu einem wichtigen Faktor für viele mittelständische Industrieunternehmen.
Unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden, die mit AI-Lösungen in einem bestimmten Bereich starten, schnell weitere Optimierungspotenziale in anderen Unternehmensbereichen erkennen. Die ursprünglich angedachte Lösung ist daher häufig nur der erste Schritt; im weiteren Verlauf eröffnen sich meist zahlreiche zusätzliche Chancen zur Effizienzsteigerung und Prozessverbesserung.
Wie kann künstliche Intelligenz und Automatisierung dazu beitragen, den Fachkräftemangel abzufedern und qualifizierte Mitarbeiter gezielter für wertschöpfende Aufgaben einzusetzen?
Fachkräfte lassen sich nicht vollständig ersetzen – sie bleiben weiterhin unverzichtbar. Es geht vielmehr darum, ihre Kompetenzen gezielt und effizient einzusetzen. Das Stichwort lautet hierbei „Management by Exception“: Alle Prozesse und Entscheidungen, die sich wiederholen und automatisieren lassen, sollten mithilfe von AI möglichst effizient gestaltet werden. So können wir einen wichtigen Schritt nach vorne machen, indem wir Wissen systematisch erfassen und Prozesse weiter digitalisieren.
Die Digitalisierung bleibt daher ein zentrales Thema. Ziel ist es, Wissen zu sichern, Routinetätigkeiten zu automatisieren und die Fachkräfte von administrativen Aufgaben zu entlasten, damit sie sich stärker auf Innovation und wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können.
Wie definieren Sie den wahren Mehrwert moderner Unternehmenssoftware – jenseits der Debatte um Cloud oder On-Premise?
Es wird künftig immer wichtiger werden, dass Anwender so wenig wie möglich aktiv mit der Anwendung interagieren müssen, weil Prozesse weitgehend automatisiert ablaufen. Die Software sollte dazu dienen, intelligente Entscheidungen zu ermöglichen und Unternehmen dabei zu unterstützen, sich durch exzellente Dienstleistungen und Produkte vom Wettbewerb abzuheben. Am Ende geht es um nichts weniger als den betrieblichen Mehrwert einer Anwendung. Wer einen BMW kauft, der will nicht zuerst unter die Motorhaube schauen, ob auch alle Zylinder verbaut sind. Vielmehr will er das Leistungsversprechen eingelöst sehen – in dem Fall die besagte „Freude am Fahren“.
Auch ob diese Lösungen in der Cloud oder On-Premise betrieben werden, ist für mich grundsätzlich zweitrangig. Die Cloud bietet jedoch den Vorteil, flexibel auf die erforderliche Rechenkapazität und moderne AI-Technologien zugreifen zu können, um datenbasierte Entscheidungen optimal zu unterstützen und so die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Was macht Ihrer Erfahrung nach wirklich gute Unternehmensentscheidungen aus?
Die besten Entscheidungen werden datenbasiert getroffen. Dabei ist es grundlegend, die in den verschiedenen Anwendungen vorhandenen Daten nahtlos miteinander zu verknüpfen. Der Fokus sollte daher weniger auf der einzelnen Anwendung, sondern vielmehr auf dem intelligenten Umgang mit den Daten, deren Qualitätsmanagement und der sich daraus ergebenden Fähigkeit, Prozesse sinnvoll zu Automatisieren. So lässt sich der größte Mehrwert für Unternehmen generieren.
Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, um KI-Technologien in Unternehmen erfolgreich einzusetzen und in konkrete, wertschöpfende Anwendungsfälle zu übersetzen?
Ich bin der Überzeugung, dass Technologie derzeit nicht die eigentliche Einschränkung darstellt – sie wird sich kontinuierlich weiterentwickeln. Die zentrale Herausforderung liegt vielmehr in der Akzeptanz und der richtigen Auswahl der Anwendungsfälle. Entscheidend ist, wer diese technologischen Möglichkeiten optimal nutzt und in greifbare Use Cases mit unmittelbarem Mehrwert übersetzt. Es geht darum, konkrete und replizierbare Einsatzszenarien zu schaffen, die echte Wertschöpfung generieren, und diese dann schrittweise auszuweiten. Technologie ist zwar der Ausgangspunkt, doch letztlich entscheiden die sichere und erfolgreiche Implementierung und Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse über den Erfolg.
Wie unterstützen Sie Industrieunternehmen dabei, die wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen ihrer Kunden in der Lieferkette konkret umzusetzen?
Im Kontext unserer Kunden – insbesondere Zulieferer für OEMs – gewinnt Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung, da OEMs entlang der Lieferkette bestimmte Anforderungen an den ökologischen Fußabdruck stellen. Dabei geht es häufig um den Energieverbrauch in der Produktion und in der IT-Infrastruktur.
Wir setzen gezielt Künstliche Intelligenz (AI) ein, um diese Aspekte zu optimieren. Mithilfe unserer Planungsalgorithmen analysieren wir beispielsweise den Energieverbrauch einzelner Maschinen. So können wir feststellen, ob es Anomalien beim Energieverbrauch baugleicher Maschinen mit identischer Produktionslast gibt. Auf diese Weise unterstützen wir unsere Kunden dabei, ihren Energieverbrauch und damit ihre Herstellungskosten zu senken.
Im Fokus steht somit weniger die Reduzierung von Cloud-Kosten, sondern vielmehr die Optimierung der Produktionsprozesse im Hinblick auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.
Welche strategischen Entscheidungsmuster beobachten Sie aktuell bei Unternehmen bei der Wahl ihrer Cloud-Architekturen?
Der Trend geht eindeutig in Richtung Multi-Cloud und Hybrid-Cloud als neuen Standard. Immer mehr Unternehmen setzen auf eine Kombination verschiedener Cloud-Lösungen, um ihre individuellen Anforderungen bestmöglich abbilden zu können. Kunden entscheiden dabei zunehmend eigenständig, welche Cloud-Services und Partner sie nutzen möchten – sei es für Office-Anwendungen, für CRM-Systeme oder für die Beschaffung. Es ist bereits gängige Praxis, dass Unternehmen unterschiedliche Cloud-Lösungen von mehreren Anbietern parallel betreiben.
Im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung stehen für Kunden vor allem folgende Aspekte:
- Funktionsumfang und Mehrwert der jeweiligen Anwendung
- Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Services
- Flexibilität bei der Auswahl und Integration verschiedener Lösungen
- Gegebenenfalls der Standort der Daten, insbesondere bei sensiblen Informationen
Die Frage, welcher Anbieter hinter einer bestimmten Cloud-Lösung steht, verliert dabei zunehmend an Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass die gewählten Anwendungen die Geschäftsprozesse optimal unterstützen und einen echten Mehrwert bieten.
Ein weiterer Trend ist die wachsende Akzeptanz von Cloud-only-Anwendungen. Während in der Vergangenheit häufig die Forderung bestand, Lösungen auch On-Premise bereitzustellen, akzeptieren Kunden heute immer häufiger, dass spezifische Anwendungen ausschließlich in der Cloud verfügbar sind. Die Anbieterunabhängigkeit und die Möglichkeit, flexibel auf neue Technologien und Services zuzugreifen, werden dabei als klare Vorteile wahrgenommen.
Insgesamt zeigt sich, dass Unternehmen ihre IT-Landschaft immer stärker nach funktionalen und strategischen Gesichtspunkten ausrichten und dabei die Cloud als integralen Bestandteil ihrer digitalen Transformation betrachten.
Den vollständigen Roundtable „Der Weg zur optimalen Cloud-Strategie“ gibt es hier zum nachsehen.

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