„Ich wünsche mir mehr Mut in Österreich“

Michael Zettel ist der neue Country Managing Director von Accenture Österreich. Im Interview mit computerwelt.at spricht er über seine Ziele, das Thema Digitalisierung, die damit verbundenen Chancen für Österreich – und warum er sich von heimischen Unternehmen mehr Mut wünscht. [...]

Herr Zettel, wie fühlen sich die Fußstapfen an, in die Sie getreten sind? Ihr Vorgänger Klaus Malle war immerhin 26 Jahre im Unternehmen, davon 12 in dieser Position – das ist nicht nur für heutige Maßstäbe eine lange Zeit.

Michael Zettel: Definitiv. Ich empfinde große Dankbarkeit für den Zeitpunkt der Übergabe und den Zustand, in dem das Unternehmen übergeben wurde. Accenture Österreich ist auf einem sehr guten Weg. Ich kann aus einer Position der Stärke Änderungen vornehmen, ohne alles in Frage stellen zu müssen.

Sie haben Änderungen angesprochen. Wie ist Accenture in Österreich denn derzeit aufgestellt – und was wollen Sie ändern?

Accenture ist in Österreich in den letzten Jahren stark gewachsen und hat sich insbesondere hinsichtlich der Branchen verbreitert. Wir decken jetzt in Österreich die Geschäftsfelder ab, die wir auch international abdecken. Lokal wie international haben wir eine massive Transformation hinter uns. Wir haben fünf Geschäftseinheiten – Strategy, Consulting, Digital, Technology, Operations – gegründet, die sich nach außen und innen stark von einander unterscheiden. Das gilt es auch lokal umzusetzen. Es geht darum das, was wir global machen, nach Österreich zu bringen und andererseits auch sicherzustellen, dass die spannenden Dinge, die wir in Österreich machen, auch international nach außen getragen werden. Ich muss sicherstellen, dass wir Zukunftsthemen nach Österreich bringen, aber auch Innovationen aus Österreich so in einen Nukleus bringen, dass man sie international verwenden kann.

Digitalisierung lautete aktuell das Schlagwort, das überall gerne verwendet wird – auch von Ihnen. Dabei ist der Begriff doch etwas schwammig. Da fallen so gut wie alle Buzzwords der vergangenen Jahre hinein. Was bedeutet der Begriff für Sie?

Wir betrachten Digitalisierung in verschiedenen Dimensionen: Nach außen bedeutet es neue Produkte, neue Services und den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Auf der anderen Seite richtet sich Digitalisierung auch nach innen, an die Mitarbeiter und Prozesse im Unternehmen. Die dritte Dimension, die durch Digitalisierung hinzugekommen ist, sind neue Geschäftsmodelle. Beispielsweise die Plattformwirtschaft oder was die Österreichische Post mit „shöpping“ unternimmt. Anhand dieses Frameworks besprechen wir Digitalisierung mit unseren Kunden und überlegen, wie wir die neuen Technologien einsetzen können um die Wirkung nach außen, innen und für neue Geschäftsmodelle  greifbarer zu machen.

Ist die Summierung von Buzzwords unter dem Oberbegriff Digitalisierung nicht auch ein Zeichen dafür, dass die einzelnen Technologien immer weiter in den Hintergrund rücken und es – endlich – mehr darum geht, was man damit tun kann und wie sie ein Unternehmen unterstützen?

Wir waren schon immer der Meinung, dass die Technologie ein Hilfsmittel ist. Der große Unterschied ist heute, dass Technologie Teil der Strategie wird und die technologischen Möglichkeiten neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Das war früher nicht der Fall.

Accenture hat ja kürzlich in einer Studie die heimischen „Digitalisierungs-Kaiser“ gekrönt – etwa das Paradebeispiel Red Bull. Was können andere Unternehmen im Wesentlichen von ihnen lernen?

Ein Punkt ist, die Digitalisierung nicht nur als Mittel zur Effizienzsteigerung zu sehen. Unsere Umfragen haben gezeigt, dass der Effizienzgedanke noch viel zu sehr im Vordergrund steht. Es sollte darum gehen, das Kundenerlebnis mit Digitalisierung zu verbessern. Der zweite Punkt ist, das Thema strategisch anzugehen und sich ein Gesamtbild zur Digitalisierung zu machen – nicht an einzelnen Stellen zu arbeiten sondern Digitalisierung als Teil der Unternehmensstrategie zu sehen. Der dritte Punkt, den man von diesen Unternehmen lernen kann, ist mutig zu sein, neue Dinge auszuprobieren und in Geschäftsbereiche zu investieren, bei denen das Ergebnis noch nicht im Vorhinein feststeht. Das haben diese Unternehmen gemacht.

Das klingt nicht gerade sehr österreichisch.

Ja, das ist leider so. Ich wünsche mir mehr Mut in Österreich.

Sie waren ja auch einige Jahre im Ausland tätig, etwa in Los Angeles. Wie sieht es dort mit dem Mut aus, im Vergleich zu Österreich?

Mut ist dort ein entscheidendes Thema, auch die vielzitierte positive Herangehensweise: Nicht von Anfang an die Bremser und Blockierer einzubeziehen, sondern an Dinge zu glauben auch wenn das Ergebnis nicht feststeht – und Fehler zuzulassen. Das sind die wesentlichen Unterschiede, die wir noch lernen müssen. Aber es gibt überall Licht und Schatten, auch in Los Angeles ist nicht alles perfekt.


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