„Ich wünsche mir mehr Mut in Österreich“

Michael Zettel ist der neue Country Managing Director von Accenture Österreich. Im Interview mit computerwelt.at spricht er über seine Ziele, das Thema Digitalisierung, die damit verbundenen Chancen für Österreich – und warum er sich von heimischen Unternehmen mehr Mut wünscht. [...]

Sie waren zuvor schon bei Accenture und sind dann wieder zurückgekommen. Wie wichtig war diese „Auszeit“ bei anderen Unternehmen für Sie?

Für mich war die Außensicht natürlich wichtig, aber viel wichtiger für meine Persönlichkeitsbildung war der Auslandsaufenthalt. Weil man sich hinterfragt und nicht mehr im gewohnten Umfeld und seiner Komfortzone herumschwimmt, sondern sich ins offenen Meer begibt – und dort nochmal vor ganz neue Herausforderungen gestellt wird.
Auch Accenture ist beispielsweise in Kalifornien aktiv. Wir haben dort im Silicon Valley ein Entwicklungsstudio. Wir nennen es „Liquid Studio“, weil da viele Themen ineinander gleiten und die Entwicklung so schnell geschieht. Gemeinsam mit großen Kunden treiben wir Entwicklungen dort im Stile von Startups voran, in wenigen Tagen oder Wochen entstehen fertige Produkte – statt wie früher in vielleicht zwei Jahren. „New IT“ ist für uns ein ganz großes Thema, es geht darum die Geschwindigkeit der Umsetzung dramatisch zu erhöhen. Die technologischen Möglichkeiten dazu hat es früher nicht gegeben.

Womit kommen österreichische Kunden zu Ihnen? Sind das die großen Themen wie Digitalisierung, oder geht es hierzulande um kleinere Dinge?

Das ist unterschiedlich. Aber im Moment ist Digitalisierung das Thema schlechthin, das unsere Kunden beschäftigt. Es gibt Kunden, die das Thema sehr strategisch angehen und andere, die es eher punktuell betrachten. Aber alle Kunden wissen, was Digitalisierung für ihr Geschäft langfristig bedeutet . Es ist für uns entscheidend als Volkswirtschaft in der Digitalisierung vorne dabei zu sein. Wenn man sich Digitalisierung ansieht bietet sie immense Möglichkeiten auch für den österreichischen Mittelstand. Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Österreichischen Post: Sie konkurriert heute mit Amazon, hat das Unternehmen aber andererseits auch als Kunden. Wenn sie nicht in Konkurrenz treten würde bestünde die Gefahr, überrollt zu werden. Das kann man nicht negieren.

Wie sieht es denn mit der Awareness für dieses Thema in Österreich aus? Müssen Sie noch viel Aufklärungsarbeit leisten?

Die Tendenz ist steigend, es wird immer mehr zum CEO-Thema. Wir würden uns aber wünschen, dass diese Themen mehr im Management verankert sind – mit einem Chief Innovation oder Chief Digital Officer.

Was Chief Innovation Officer und Chief Digital Officer betrifft, ist die Lage in Österreich ja etwas mau.

In UK ist das Standard, in Österreich gibt es das kaum. Das ist eben eine neue Funktion. Der klassische CIO hat einen stärkeren Betriebsfokus, der CDO ist geschäftskritisch. Der kann nicht an den CFO berichten, der kann nur an den CEO berichten.

Es wird immer wieder spekuliert, der CDO geht im CIO auf.

Mittelfristig ist das sicher eine Möglichkeit. Im Moment sind wir noch  in einer Zeit des Überganges mit zwei Geschwindigkeiten: Es gibt Alt-Systeme, die man nicht schnell ablösen kann, muss aber andererseits auch neue Systeme und New IT einsetzen – weil man die alten Systeme nicht so schnell umbauen kann wie man neue bereitstellen muss. Wir besprechen sehr intensiv mit unseren Kunden, wie man ohne kompletten Umbau mit den Daten in den Alt-Systemen neue Services anbieten kann. Daher braucht es im Moment noch beides, den CIO und den CDO.

Sie haben vorhin von den Chancen durch die Digitalisierung für die heimische Volkswirtschaft und den Mittelstand gesprochen. Derzeit hat man das Gefühl, dass die aktuelle Regierung das jetzt begriffen hat. Sehen Sie das auch so?

Aus unserer Sicht hat auch die Politik verstanden, wie wichtig die Digitalisierung für Österreich ist. Es gibt Signale die in die richtige Richtung gehen, die Digital Roadmap oder das Startup-Paket sehen wir gerne. Aber wir würden uns mehr wünschen, zum Beispiel auch einen CDO für die Regierung. Und wir hätten viele Ideen, wie man den öffentlichen Bereich digitaler und besser für den Bürger machen könnte – zum Beispiel wie man örtliche Zuständigkeiten durch Digitalisierung auflösen kann.

ZUR PERSON
Michael Zettel studierte Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität Wien und an der Leeds University in England. Er startete seine Karriere bei Accenture vor mehr als 15 Jahren und baute den Bereich Health & Public Services im Unternehmen auf. 2009 wechselte Michael Zettel zum Austria Wirtschaftsservice (aws). Als CEO der Camadeus Film Technologies lebte und arbeitete er eineinhalb Jahre in Los Angeles. Ab 2011 leitete Zettel als Geschäftsführer das Geschäftsfeld Health & Public Services bei Accenture Österreich. Seit 1. Juni 2016 ist er neuer Country Managing Director des Unternehmens in Österreich.


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