Angesichts des anhaltenden IT-Fachkräftemangels ist schnelles Handeln gefordert. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien setzt in einer Kampagne genau hier an: Mit einem breiten Ansatz soll das vielfältige Berufsbild attraktiver gemacht und innovative Ausbildungswege aufgezeigt werden. IT WELT.at hat dazu mit Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien, ein Interview geführt. [...]
Herr Linhart, wie schätzen Sie die aktuelle Situation des IT-Fachkräftemangels in Wien im Vergleich zu anderen Regionen Österreichs ein, und welche Schritte sind notwendig, um diesem Mangel entgegenzuwirken?
Man muss die Situation ernstnehmen. Der IT-Fachkräftemangel ist ein landesweites Problem, aber in Wien zeigt sich dieser Mangel aufgrund der hohen Konzentration an Unternehmen und Start-ups besonders deutlich. Wien als Hauptstadt hat zwar den Vorteil eines internationalen Talentepools, dennoch bleiben viele Positionen unbesetzt. Bei Unternehmen muss das Bewusstsein gestärkt werden, dass eine gute IT-Betreuung eine Langzeitbeziehung ist und kein Arbeiten auf Zuruf. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien unterstützt daher nicht nur ihre Mitglieder, sondern setzt laufend Maßnahmen, um die vielfältigen und so dringend notwendigen Tätigkeiten in der IT-Branche in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
Was sind die Hauptziele der Kampagne „Gestalte deine Zukunft“ und welche Reaktionen haben Sie bisher von den Teilnehmenden und der Öffentlichkeit erhalten?
Unser Ziel ist es, Interesse und Verständnis für IT-Berufe zu fördern. Die IT bietet ein so großartiges und vielfältiges Betätigungsfeld und hat dennoch mit Vorurteilen zu kämpfen. Mit der Kampagne „Gestalte deine Zukunft“ wollen wir diese Vorurteile aufbrechen und Menschen – vom Einsteiger, über Um- oder Aufsteiger – für die IT-Branche begeistern sowie Jobpotenziale und Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen.
Warum ist es so wichtig, eine vielfältige Gruppe von Menschen für die IT-Branche zu gewinnen? Welche konkreten Vorteile bringt Diversität in die IT-Entwicklung?
Diversität ist entscheidend für Innovation. Gerade in den IT-Berufen gehen repetitive Tätigkeiten dank Automatisierung zurück, während der Anteil an kreativen, innovativen Tätigkeiten wächst. Unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen führen zu kreativeren Lösungsansätzen. Wenn wir die Diversität in der IT erhöhen, profitieren wir von dieser Vielfalt in der Entwicklung neuer Technologien. Diversität fördert außerdem ein inklusiveres Arbeitsumfeld, was langfristig die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter erhöht.
Welche innovativen Ausbildungsmodelle sehen Sie als besonders vielversprechend an, um den IT-Nachwuchs zu fördern? Wie können diese Modelle dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu beheben?
Das schöne ist, dass für jeden Geschmack und Lerntyp etwas Passendes dabei ist. Personen, die mehr Struktur oder Vorgaben brauchen, finden diese in der IT-Lehre oder an FHs. Autodidakten sind eventuell besser in einem dualen Ausbildungsmodell aufgehoben, bei dem Theorie und Praxis enger verzahnt sind. Aber auch Kooperationen zwischen Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen ermöglichen es Studierenden, gleichzeitig praxisrelevante Erfahrungen zu sammeln und ihr theoretisches Wissen zu vertiefen. Coding-Bootcamps und berufsbegleitende Schulungen bieten die notwendige Flexibilität für Um- oder Quereinsteiger. Diese Modelle helfen den Fachkräftemangel zu lindern und die Lücke zwischen akademischer Ausbildung und beruflicher Praxis zu schließen.
Wie lässt sich die hohe Dropout-Quote in IT-Studiengängen erklären? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um Studierende besser zu unterstützen und den Abschluss zu fördern?
Warum ein Studium abgebrochen wird, ist höchst individuell. Zum Teil ist es wahrscheinlich auf eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Studierenden und den tatsächlichen Anforderungen zurückzuführen. Hier könnten Mentoring-Programme und eine laufende Betreuung von Studierenden helfen.
Ein anderer Grund sind sogenannte Job-Outs. Denn auch ohne Studienabschluss sind IT-Qualifikationen in der Wirtschaft – nämlich außerhalb der IT-Branche – stark nachgefragt.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten stehen IT-Fachkräften zur Verfügung, um sich auf neue Technologien und Trends einzustellen?
Die kontinuierliche Weiterbildung ist in der IT besonders wichtig, da sich die Technologien und Trends schnell weiterentwickeln, denken wir nur an Künstliche Intelligenz, Cloud Computing oder Cybersecurity. Es ist wichtig, dass sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter diese laufende Weiterbildung einfordern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die incite Akademie der UBIT bietet ihren Mitgliedern die Möglichkeit durch Weiterbildungen, Lehrgänge, Workshops oder Vorträge international anerkannte Qualitätssiegel und zertifiziertes Spezialwissen zu erwerben. Für UBIT Wien Mitglieder werden Bildungsreisen und Bildungsveranstaltungen über den Club IT organisiert. Zudem beschäftigen sich Arbeitsgruppen innerhalb der UBIT Wien mit dem Thema IT-Sicherheit und den sich laufend verändernden Rahmenbedingungen durch die digitale Transformation. Aber natürlich gibt es darüber hinaus noch eine Vielzahl an Herstellerseminaren.
Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen intensiviert werden, um den Übergang von der Ausbildung in die Berufstätigkeit zu erleichtern?
Ich glaube es ist sehr wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen weiter zu stärken, um Absolventen gut auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Praktika, gemeinsame Forschungsprojekte und Gastvorträge von Branchenexperten können diesen Übergang erleichtern. Die UBIT Wien setzt zudem regelmäßig Maßnahmen mit und für HTL-Absolventen. Die Digitalisierung verändert aber auch das Arbeiten und die Bedarfe der Wirtschaft grundlegend – und das rascher, als in der Vergangenheit. Daher sind Aus- und Weiterbildungsprogramme gefordert, die benötigten Qualifikations- und Anforderungsprofile dementsprechend zu screenen und zeitgerecht anpassen.
Welche spezifischen Maßnahmen sind erforderlich, um mehr Frauen für die IT-Branche zu gewinnen und zu halten?
Sichtbarkeit ist ausschlaggebend. Wir müssen frühzeitig mit der Förderung beginnen. Das bedeutet, Mädchen bereits in der Schule für technische Berufe zu begeistern und ihnen Vorbilder zu zeigen. Mentoring-Programme, Netzwerke und flexible Arbeitsmodelle sind weitere wichtige Maßnahmen, um Frauen in der IT-Branche zu halten. Zudem braucht es eine Unternehmenskultur, die Diversität als Stärke betrachtet.
Welche Ratschläge würden Sie Personen geben, die aus einer ganz anderen Branche in die IT wechseln möchten?
Ich sage immer: sich für die IT zu entscheiden, ist eine Entscheidung dafür, die Zukunft unseres Lebens und Arbeitens mitzugestalten. Dennoch braucht es ein klares Bild, wo die Reise hingehen soll. Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist es wichtig, sich zu überlegen, auf welche Nischen oder Technologien man sich konzentrieren oder spezialisieren will. Es braucht auch die Bereitschaft für lebenslanges Lernen und sich selbst mit den Anforderungen im Job laufend weiterzuentwickeln.
Weitere Informationen zu IT-Ausbildungsmöglichkeiten: https://it-ausbildung.wien
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