ITWelt.at sprach mit Sven Glöckner, Geschäftsführer und CFO bei A-Trust, über aktuelle Hürden bei der Einführung nachhaltiger digitaler Lösungen, über konkrete Einsparpotenziale durch digitale Signaturen – und darüber, wie Unternehmen diese in ihre ESG-Berichte einfließen lassen können. [...]
Wie erleben Sie derzeit die Herangehensweise österreichischer Unternehmen an das Thema Nachhaltigkeit – ist es eher Pflicht oder bereits gelebte Überzeugung?
Ich sehe durchaus bei vielen Unternehmen eine ernsthafte Bereitschaft, neben den ökonomischen auch soziale und ökologische Aspekte in die Unternehmensstrategie mit einzubeziehen. Allerdings stellen die aktuellen Rahmenbedingungen alle Branchen vor große Herausforderungen, denken wir nur an die Budgetsituation in Österreich, die weiterhin angespannte Weltlage und daran, wie US-Präsident Donald Trump mit Zollankündigungen die Börsen durcheinanderwirbelt. Wenn akute Krisenbekämpfung angesagt ist, haben es Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die ja grundsätzlich langfristig wirken sollen, im Kampf um die Aufmerksamkeit in den Führungsetagen schwer.
Wie unterscheiden sich die Erwartungen und Anforderungen zwischen Großunternehmen und KMU in Bezug auf nachhaltige Digitalisierung?
Da gibt es meines Erachtens eine ziemlich große Diskrepanz. Zunächst sind Großunternehmen aufgrund der höheren regulatorischen Anforderungen bereits von Haus aus stärker auf Nachhaltigkeit fokussiert als KMU. Ich denke da zum Beispiel an NIS2, DORA und den Cyber Resilience Act, um die Resilienz und Nachhaltigkeit der europäischen digitalisierten Wirtschaft zu sichern. Insofern wissen große Unternehmen, dass sie bei Vernachlässigung der Prinzipien, die den Verordnungen zugrunde liegen, Probleme bekommen.
KMU hingegen werden durch Vorgaben und Gesetze weniger stark dazu angehalten, Nachhaltigkeit in der Digitalisierung in den Blick zu nehmen. Dann liegt es am Weitblick der Geschäftsführung, dennoch in den Bereich zu investieren. Denn auch für sie ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Wettbewerbsfaktor: Falls sie Dienstleister von Großunternehmen sind, werden sie sich selbst an den Vorgaben orientieren, um ein verlässlicher Partner zu bleiben. Außerdem können sie ihre kürzeren Entscheidungswege und größere Flexibilität nutzen, um schneller kosten- und ressourceneffiziente Lösungen zu implementieren und auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hemmnisse für Unternehmen, nachhaltige digitale Lösungen einzuführen – eher technischer, organisatorischer oder kultureller Natur?
Die Implementierung von neuen Lösungen ist ein höchst individueller Prozess, der von den jeweiligen Gegebenheiten abhängt – ein Problemfeld vor dem anderen hervorzuheben ist daher schwierig. Ich möchte daher gerne darstellen, was in jedem Bereich nötig ist, um die Einführung zu einem Erfolg zu machen. Zunächst muss einmal im Unternehmen die Bereitschaft vorhanden sein, neue Technologien zu akzeptieren. Wenn bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Angst vor Veränderungen oder gar vor einem Verlust des Arbeitsplatzes umgeht, ist ein nachhaltiger Einsatz eines neuen Systems schwer möglich. Hier muss die Führungsriege sensibel ausloten, welche Informationen das Team rund um die Implementierung braucht, und sie klar und offen vermitteln.
Offenheit und Klarheit sind meiner Meinung nach auch wesentlich, wenn es um die Organisation im Unternehmen geht. Kurze Entscheidungswege und möglichst wenig interne Bürokratie helfen dabei, schnell in die Umsetzung zu kommen. Auch müssen die für die Implementation nötigen Ressourcen bereitgestellt werden.
Was die technische Umsetzung betrifft: Wenn meine Mitarbeiter bereit sind, die Veränderungen mitzutragen, und die entsprechenden finanziellen und zeitlichen Ressourcen vorhanden sind, werden auch allfällige Probleme, die rund um die Integration des neuen Systems in die Altsysteme entstehen, zu lösen sein, ohne das Unternehmen zu gefährden.
Welche Hürden sehen Sie speziell bei der Integration von Nachhaltigkeit in bestehende Geschäftsprozesse?
Nachhaltigkeit im Unternehmen zu implementieren, betrifft die gesamte Organisation, nicht nur das für die Umsetzung direkt verantwortliche Team. Damit verbunden sind oft grundlegende Veränderungen im Geschäftsmodell und in der Unternehmenskultur, was Widerstand und Unsicherheit bei den Mitarbeitern hervorrufen kann. Deshalb sind effektive Kommunikation, Koordination und Zusammenarbeit zwischen den diversen Abteilungen essenziell, um in allen Unternehmensbereichen die Sinnhaftigkeit der Integration vermitteln zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen. Es muss allen klar sein, dass mit der Umstrukturierung der internen Prozesse und IT-Systeme vorerst hohe direkte und indirekte Kosten entstehen können. Hier ist es notwendig, vorab die entsprechenden Mittel einzuplanen und dadurch den notwendigen langen Atem zu haben, um die positiven Effekte der Umsetzung erwarten zu können.
Wie gelingt es Unternehmen, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren?
Mit dem Einsatz digitaler Technologien können Geschäftsprozesse neu strukturiert, vernetzt und zunehmend automatisiert werden, wodurch sich Flexibilität, Resilienz und Nachhaltigkeit erhöhen lassen. Nachhaltige Lösungen können Unternehmen dabei helfen, neue Marktsegmente zu erschließen, innovative Geschäftsfelder zu entwickeln, neue Technologien anzuwenden und sich somit als Pionier in neuen Märkten zu positionieren. Nicht vergessen sollte man die Tatsache, dass Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfaktoren in den vergangenen Jahren zu zentralen Kriterien für Investoren, Kreditgeber und andere Stakeholder geworden sind. Wer eine starke ESG-Performance aufweisen kann, profitiert von günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten und einer positiven Wahrnehmung auf dem Markt.
Welche messbaren Umweltvorteile ergeben sich durch den Einsatz der A-Trust Signatur App und wie werden diese quantifiziert?
Mit der ÖkoStats-Funktion in der A-Trust Signatur App können wir nachvollziehen, wie digitale Signaturen zur Einsparung von Ressourcen beitragen. Für die Berechnung des Ressourcenverbrauchs einer Seite Papier verwenden wir den Nachhaltigkeitsrechner der Initiative Pro Recyclingpapier, um die Einsparung im Bereich Holz- und Wasserverbrauch, Energie und CO2-Emissionen zu eruieren. In Bezug auf die Zeit nehmen wir für die Dokumenten-Signatur eine Zeiteinsparung von 10 Minuten pro Unterschrift an, dies basiert u.a. auf den notwendigen Zeiten für Ausdrucke, Dokumentenmanagement und Unterschriftenlauf. Dazu kommt auch die Möglichkeit der Stapelsignatur, also mehrere Dokumente in einer Transaktion digital zu signieren. Bei den E-Government-Services nimmt A-Trust eine geschätzte durchschnittliche Dauer eines Amtsweges (inkl. An- und Abfahrt) von 37 Minuten pro Transaktion an. Diese Schätzung basiert unter anderem auf den von der Stadt Wien veröffentlichten Statistiken zur „Wartezeit in den Meldeservicestellen der Magistratischen Bezirksämter“ und beinhaltet weitere Annahmen zu Amtsöffnungszeiten, unterschiedlichen Anfahrtszeiten sowie der variierenden Bevölkerungs- und Versorgungsdichte in städtischen und ländlichen Gebieten.
Wie können Unternehmen die mit digitalen Signaturen erzielten Einsparungen in ihre ESG- und Nachhaltigkeitsberichte integrieren?
Am Ende jeden Jahres wird die Statistik für jedes Konto erstellt und zu Beginn des Folgejahres in der A-Trust Signatur App angezeigt. Der detaillierte Überblick über die individuelle Anzahl der im vergangenen Jahr getätigten digitalen Signaturen und welche Ressourcen dadurch geschont werden konnten, kann dann in den Bericht eingebracht werden.
Wie funktioniert das Feature ÖkoStats und welche Daten werden dabei für Unternehmen und Einzelpersonen sichtbar gemacht?
Für jede Transaktion über eine A-Trust QES wie die Handy-Signatur, ID Austria und xIDENTITY werden der signierte Hashwert – eine eindeutige, nicht rückführbare Abbildung des zu signierenden Dokuments – und die Uhrzeit archiviert, der Inhalt des Dokuments wird nicht gespeichert. Für das Monitoring und die Erstellung der Statistik speichert A-Trust die Anzahl der durchgeführten Anmeldungen oder Signaturen pro Applikation, basierend auf der URL der Applikation und unabhängig von jeglichen Personendaten. Daraus können allgemeine Einteilungen in Dokumenten-Signatur, Anmeldung und E-Government-Service durchgeführt werden und es lässt sich die Anzahl der durchgeführten Signaturen im benötigten Zeitraum pro Person berechnen. Die Ergebnisse aller Auswertungen werden ausschließlich dem Nutzer oder der Nutzerin verfügbar gemacht bzw. in anonymisierter Form für statistische Zwecke verarbeitet.
Welche Resonanz erhalten Sie von Firmenkunden auf die Möglichkeit, ihre individuellen Einsparungen an Papier, Wasser, Energie und CO₂ zu verfolgen?
Die Digitalisierung von Workflows ist bereits in vielen Unternehmen ein großes Thema, wobei das ausschlaggebende Kriterium meistens deren Effizienz darstellt. Mit ÖkoStats können wir beides nachvollziehbar abbilden: effiziente Geschäftsprozesse und ökologische Nachhaltigkeit. Dass sie diese Effekte nun mit konkreten Zahlen in ihren Berichten benennen können, wird auch von unseren Firmenkunden positiv bewertet.
Inwiefern motiviert die Transparenz durch ÖkoStats Unternehmen und Mitarbeitende, nachhaltiger zu handeln?
Wir haben mit dem ÖkoStats-Baum auch ein optisch nachvollziehbares Element eingebaut. Das grafische Feature symbolisiert den individuellen Beitrag jedes Nutzers bzw. jeder Nutzerin zum Umweltschutz und wächst mit jeder geleisteten digitalen Signatur. Diese Visualisierung stellt den positiven Einfluss jeder einzelnen Person auf eine greifbare und motivierende Weise dar. Da das Ausmaß der individuellen Einsparungen von Ressourcen auch in sozialen Netzwerken geteilt werden kann, wirken die Nutzer und Nutzerinnen auch als Multiplikatoren dafür, andere Menschen zur Teilnahme an papierlosen Prozessen zu motivieren.
Gibt es Pläne, ÖkoStats weiterzuentwickeln, etwa um zusätzliche Nachhaltigkeitsmetriken oder Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen zu bieten?
Derzeit sind keine konkreten Erweiterungen von ÖkoStats geplant. Wir sehen aber, dass das Thema Nachhaltigkeitsmetriken und Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Insofern schließen wir nicht aus, dass wir ÖkoStats in Zukunft weiterentwickeln – etwa mit zusätzlichen Kennzahlen oder einem Benchmarking-Ansatz. Für den Moment steht im Vordergrund, dass unsere Nutzer ihre Einsparungen einfach, nachvollziehbar und auf einen Blick sehen können.
Welche weiteren digitalen Services plant A-Trust, um Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu begleiten?
A-Trust wirkt derzeit am großen europäischen Projekt der EUDI-Wallet mit, einer europaweiten digitalen Brieftasche zur sicheren Speicherung und Nutzung von identitätsbezogenen Attributen. Wir sind noch in der Pilotphase, doch spätestens im Herbst 2026 sollen sich Bürger und Bürgerinnen mit der European Digital Identity Wallet europaweit identifizieren und für öffentliche oder private Online-Dienste authentifizieren können. Besonders wichtig wird sein, dass ihre digitale Identität dann nicht bei großen Konzernen liegt, sondern dass sie diese in Form von Nachweisen selbstbestimmt auf dem Smartphone verwalten können.
Das ist jedoch noch Zukunftsmusik. Bereits jetzt können wir ein Qualifiziertes Einmalzertifikat anbieten, das ohne Einrichtung eines User-Accounts und somit auch ohne Festlegung eines Passworts genutzt werden kann. Damit ist eine einfache und niederschwellige Möglichkeit gegeben, dem Papierkrieg rechtssicher den Kampf anzusagen. Auch das neue Identverfahren ohne App trägt zu einem einfacheren Zugang zu digitalen nachhaltigen Lösungen bei. Und unser neues S/MIME-Zertifikat zum Verschlüsseln und digitalen Signieren von E-Mails stärkt die digitale Resilienz, mit Domain-Validierung kann es auch breit im eigenen Unternehmen ausgerollt werden.

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