„Jedes Digitalisierungsprojekt ist ein Menschenprojekt“

Anatomie eines Unternehmens, das den Leitgedanken Human Centered Technology mit Leben füllt. Im Porträt: Dr. Gerlinde Macho und Manfred Pascher, Geschäftsführung von MP2 IT-Solutions. [...]

Dr. Gerlinde Macho und Manfred Pascher, Geschäftsführung von MP2 IT-Solutions (c) Erich Reismann
Dr. Gerlinde Macho und Manfred Pascher, Geschäftsführung von MP2 IT-Solutions (c) Erich Reismann

Wie hat sich Ihr Unternehmen seit der Gründung im Jahr 1999 entwickelt?

Manfred Pascher: Der Weg in die Selbstständigkeit begann nicht mit einem festen Gründungsdatum, vielmehr entwickelte sich alles Schritt für Schritt. Erste Aufträge kamen durch Empfehlungen, und irgendwann war der Punkt erreicht, an dem Gerlinde Macho und ich gesagt haben: Machen wir etwas daraus. Der konkrete Anlass war ein mehrmonatiges Projekt für die Robinson Clubs in Österreich.

Gerlinde Macho: Der nächste Meilenstein war die Gründung der GmbH im Jahr 2002. Auch das hat sich aus einem konkreten Kundenauftrag ergeben – mit einem größeren Volumen und einer klaren Anforderung an eine stabile rechtliche Struktur. Es war der logische Schritt, das Unternehmen formal auf eine breitere Basis zu stellen. Ab da sind wir kontinuierlich gewachsen, sowohl strukturell als auch personell. Heute besteht das Team aus rund 60 Personen. Technologisch war sicher auch wichtig, dass wir uns sehr früh mit dem Gesundheitsbereich beschäftigt haben. Obwohl der Gesundheitsbereich einen wichtigen Bereich ausmacht, lautet unser Anspruch, professioneller IT-Partner für alle Unternehmen zu sein, die Wert auf Qualität, Verlässlichkeit und maßgeschneiderte Lösungen legen – unabhängig von der Branche. Ob es um IT-Security, Digitalisierung, Prozessberatung oder Softwareentwicklung geht: Wer eine langfristige Partnerschaft sucht, ist bei uns richtig.

Manfred Pascher: Wir betreuen heute als Systemhaus eine sehr breite Kundenbasis – über 400 Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Vom klassischen Mittelständler über Rechtsanwaltskanzleien bis hin zu internationalen Fitnessketten oder auch ganz speziellen Projekten. Aber wenn man alle Leistungen zusammennimmt – also Systembetreuung, Softwareentwicklung, Support – dann ist der Gesundheitsbereich heute klar unser wirtschaftlich bedeutendster Sektor.

Was macht den österreichischen Gesundheitsbereich aus IT-Sicht besonders herausfordernd?

Gerlinde Macho: Die große Herausforderung liegt in der Vielzahl an Beteiligten mit sehr unterschiedlichen Anforderungen. Es gibt zahlreiche Disziplinen, Fachabteilungen und Berufsgruppen, die alle mit den IT-Systemen arbeiten müssen – von der technischen Infrastruktur bis hin zu benutzerfreundlichen Anwendungen. Dazu kommt der Anspruch, dass auch der Service an den Patienten und Patientinnen bestmöglich unterstützt wird. Eine funktionierende Lösung muss nicht nur intern greifen, sondern auch externe Schnittstellen, etwa zu Sozialversicherungen oder anderen Systemen im Gesundheitsnetzwerk, zuverlässig bedienen. Genau deshalb ist es so schwierig, eine Gesamtlösung zu entwickeln, die allen Anforderungen gerecht wird.

Um diesen Aufgaben professionell begegnen zu können, haben wir in Zwettl ein eigenes Competence Center für Digital Healthcare aufgebaut. Dort konzentrieren wir uns gezielt auf die Prozesse im medizinischen Umfeld – mit einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse von Patienten und Patientinnen, medizinischem Fachpersonal sowie den Datenschnittstellen zu externen Systemen.

Manfred Pascher: Wir betrachten den Gesundheitsbereich aus mehreren Blickwinkeln, denn wir bedienen ihn sowohl mit klassischer IT-Infrastruktur als auch mit spezialisierter Softwareentwicklung. Auf der Infrastruktur-Seite betreuen wir viele Einrichtungen wie jedes andere Unternehmen auch – mit dem Unterschied, dass im medizinischen Umfeld besondere technische Anforderungen gelten. Wir wissen zum Beispiel, wie sich Medizingeräte korrekt integrieren lassen, welche Standards bei Schnittstellen eingehalten werden müssen und dass ein 24/7-Support schlichtweg Voraussetzung ist. Diese Spezialisierung hat sich über viele Jahre entwickelt – wir sind als Systemhaus gewachsen, haben aber im Gesundheitswesen besonders viel Erfahrung gesammelt.

Die Softwareentwicklung kam bei uns erst im Laufe der Zeit dazu, ausgelöst durch Kundenanfragen. Vor etwa 20 Jahren kam ein langjähriger Infrastrukturkunde auf uns zu und meinte, er sei mit unserer IT-Betreuung sehr zufrieden – nur bei der Software finde er am Markt nichts Passendes. So haben wir daraufhin begonnen, eigene medizinische Dokumentationssysteme zu entwickeln. Anfangs arbeiteten wir ausschließlich für private Gesundheitsanbieter, später haben wir unseren Marktanteil so weit ausgebaut, dass wir auch bei öffentlichen Ausschreibungen erfolgreich teilnehmen konnten und in bestimmten Bereichen Marktführer in Österreich sind. 

Unser Ziel ist es, die enorme Komplexität im Gesundheitsbereich nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch zu reduzieren – mit Lösungen, die aufeinander abgestimmt sind und im Praxisalltag funktionieren.

Wie gelingt es Ihnen, in einem so komplexen Umfeld wie dem Gesundheitswesen nicht nur technische, sondern auch organisatorische Prozesse effizienter zu gestalten?

Manfred Pascher: Nach über 20 Jahren Erfahrung kennen wir sehr viele interne Abläufe in medizinischen Einrichtungen und sehen immer wieder ein ähnliches Muster. Viele Prozesse sind historisch gewachsen und oft unnötig komplex. 

Wenn wir Abläufe gemeinsam mit dem Kunden durchgehen, stellen wir häufig fest, dass viele Schritte vermeidbar wären. Die eigentliche Komplexität wird den Beteiligten oft erst bewusst, wenn sie die Abläufe selbst im Detail erklären. Und genau da setzen wir an. 

Es geht dabei nicht darum, Zuständigkeiten infrage zu stellen, sondern Prozesse zu optimieren, ohne die Qualität zu gefährden. Wir helfen unseren Kunden, ihre bestehenden Strukturen kritisch zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen. Oft reichen schon kleine Änderungen, um Abläufe schlanker und effizienter zu gestalten – das ist der Hebel, mit dem wir organisatorisch Wirkung erzielen.

Digitalisierungsprojekte stoßen oft auf Widerstand, insbesondere wenn es um Effizienz geht. Wie adressieren Sie die menschliche Komponente?

Gerlinde Macho: Jedes Digitalisierungsprojekt ist in erster Linie ein Menschenprojekt. Das ist uns sehr bewusst und prägt unsere Herangehensweise von Anfang an. Unsere Experten und Expertinnen beziehen die künftigen Anwenderinnen und Anwender sehr früh in den Prozess ein. Nur wer den Grund für eine Neuerung nachvollziehen kann, ist auch bereit, sie zu unterstützen.

Hinzu kommt, dass kein Gesundheitsbetrieb dem anderen gleicht. Es gibt unterschiedliche medizinische Schwerpunkte, Therapieformen, organisatorische Strukturen und technische Voraussetzungen. Manche Häuser ähneln sich, aber oft gibt es ganz spezielle Anforderungen. Deshalb ist es für uns selbstverständlich, die digitale Lösung exakt auf die jeweilige Einrichtung zuzuschneiden. Und genau das ist unser Anspruch: Digitalisierung, die den Menschen dient und nicht über sie hinweggeht.

Manfred Pascher: Wir sind seit vielen Jahren im Gesundheitsbereich tätig und pflegen mit manchen Einrichtungen eine bis zu 25-jährige Zusammenarbeit. Deshalb wissen wir auch, wann es sich lohnt, einen Prozess zu digitalisieren – und wann nicht. Wenn zum Beispiel ein Formular nur für 15 Fälle im Jahr gebraucht wird, dann bleibt es eben in Papierform und wird bei Bedarf eingescannt. Alles andere wäre überdimensioniert.

Wir denken langfristig, nicht in abgeschlossenen Projektphasen. Fast alle unsere Kunden betreuen wir über viele Jahre hinweg, nicht nur für ein einzelnes Projekt. Deshalb setzen wir auch nicht auf Komplettumstellungen von heute auf morgen, sondern auf ein gestuftes Vorgehen. Meistens arbeiten wir in mindestens drei Phasen: Zuerst das Notwendigste, später das, was aus Budget- oder Zeitgründen zunächst nicht möglich war, und am Ende das, was dem System noch den letzten Feinschliff gibt.

Dieser iterative Zugang verhindert, dass man sich in übergroßen Projekten verliert, bei denen die Technologie am Ende der Umsetzung schon wieder veraltet ist. Wir achten darauf, dass der Prozess nicht überfordert, dass die Menschen mitgenommen werden – und dass es auch Freude macht, gemeinsam etwas zu verbessern. Denn wenn der Spaß am Projekt verloren geht, entstehen automatisch Widerstände oder ineffiziente Workarounds – und das nützt am Ende niemandem.

Führt die zunehmende Verbreitung künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung darüber, was Technologie leisten darf – und wo ihre Grenzen liegen sollten?

Manfred Pascher: Absolut, die Diskussion ist da – und sie ist notwendig. Besonders im Gesundheitsbereich wird diese Frage sehr konkret, denn dort gelten zurecht deutlich strengere Regeln als in anderen Branchen.

Wir haben ein Tochterunternehmen, die DC1, das sich intensiv mit KI beschäftigt. Dort unterscheiden wir sehr klar zwischen KI-Anwendungen im allgemeinen Unternehmenskontext und solchen im medizinischen Umfeld. Im klassischen Businessbereich setzen wir bereits eine Vielzahl an Lösungen ein, mit denen wir Prozesse automatisieren oder Entscheidungsgrundlagen verbessern. Das funktioniert sehr gut.

Im Gesundheitswesen allerdings stoßen wir schnell an regulatorische Grenzen. Der entscheidende Punkt ist das Medizinproduktegesetz – und hier insbesondere die Anforderung, dass medizinische Software in ihrem Output nachvollziehbar und reproduzierbar sein muss. Eine generative KI, deren Entscheidungsweg nicht exakt vorhersehbar ist, lässt sich unter den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa schlicht nicht als Medizinprodukt zertifizieren.

Daher sind KI-Anwendungen im Gesundheitsbereich heute meist sehr spezialisiert und eng begrenzt – etwa zur Unterstützung in der Radiologie bei der Tumorerkennung. Diese Systeme sind regelbasiert, validierbar und damit zertifizierbar. 

Wir arbeiten derzeit an einem KI-Projekt zur Einschätzung von Wunden – ein hochspezialisiertes Thema. Ziel ist es, anhand vorhandener Bilddaten eine Vorhersage zu treffen, wie sich eine Wunde entwickelt und ob ein Risiko besteht. Genau diese fokussierten Projekte sind aktuell sinnvoll und umsetzbar – auch unter den regulatorischen Bedingungen.

Im internationalen Vergleich sehen wir hier ein deutlich restriktiveres Vorgehen, das auf der einen Seite für hohe Sicherheit sorgt, auf der anderen Seite aber auch Innovation bremst. Diese Spannung ist real – und sie wird die nächsten Jahre über sicher weiterdiskutiert werden.

Gerlinde Macho: Ich glaube, dass sich hier ein neues Gleichgewicht entwickeln wird. Vielleicht wird es künftig Kontrollmechanismen geben, die eine gewisse KI-Unterstützung zulassen, ohne die Verantwortung vom Menschen wegzunehmen. Genau das wird aus meiner Sicht entscheidend sein: dass die Letztverantwortung weiterhin bei Ärzten und Ärztinnen oder medizinischem Fachpersonal bleibt. 

Wie entwickelt sich die KI in anderen Bereichen? 

Manfred Pascher: Wir entwickeln gemeinsam mit Kunden aus verschiedenen Branchen KI-gestützte Systeme, die deutlich über einfache Automatisierung hinausgehen. Was uns dabei auffällt: Viele Unternehmen denken noch in sehr kleinteiligen Anwendungen – etwa, ob eine KI eingehende Beschwerden beantworten oder einfache Anfragen bearbeiten kann. Unser Ansatz ist breiter. Wir überlegen: Warum entstehen diese Beschwerden überhaupt? Kann die KI bereits im Vorfeld eingreifen, Prozesse analysieren, Ursachen erkennen und Optimierungen vorschlagen?

Noch spannender wird es, wenn man die KI nicht nur als Werkzeug sieht, sondern als integralen Bestandteil von Geschäftsprozessen. Warum soll eine KI nicht die Finanzplanung begleiten, Abweichungen erkennen, frühzeitig Alarm schlagen oder gezielt Handlungsempfehlungen geben? Das Potenzial ist riesig, aber es erfordert ein Umdenken – weg vom klassischen „Kann die KI diese eine Aufgabe übernehmen?“ hin zu „Wie kann KI unseren gesamten Prozess intelligenter machen?“

Welche Rolle in Ihrer Strategie spielt die Nachhaltigkeit?

Gerlinde Macho: Für uns ist Nachhaltigkeit kein isoliertes Thema, sondern ein grundlegendes Prinzip unternehmerischer Verantwortung – gegenüber der Gesellschaft, unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und letztlich auch uns selbst. Wir haben aktuell rund 60 Beschäftigte, das heißt: 60 Menschen, für die wir als Arbeitgeber Verantwortung tragen, und indirekt auch für deren Familien. Das geht weit über wirtschaftliche Stabilität hinaus. Wir verstehen Nachhaltigkeit in erster Linie menschenzentriert – es geht um langfristige Entwicklung, um Gesundheit, um Arbeitsfähigkeit und darum, wie wir unsere Mitarbeitenden dabei unterstützen können, dauerhaft leistungsfähig und motiviert zu bleiben.

Unsere Arbeit findet fast ausschließlich vor Bildschirmen statt, oft über viele Stunden am Tag. Das führt zwangsläufig zu einer physischen und psychischen Belastung, die man nicht ignorieren darf. Deshalb setzen wir bewusst viele Maßnahmen, um gegenzusteuern. Das reicht von gezielten Gesundheitsaktionen über Bewegungseinheiten bis hin zur aktiven Förderung von mentaler Balance. Wir beteiligen uns etwa regelmäßig an Business Runs, bieten Trainings an und schaffen intern viel Bewusstsein für gesunde digitale Arbeitsweisen. Im Kern geht es nicht um Programme, sondern um eine innere Haltung – denn nachhaltiges Handeln beginnt beim zwischenmenschlichen Umgang.

Gleichzeitig sehen wir natürlich auch die technologische Seite. Wissen veraltet in unserer Branche schnell – also investieren wir kontinuierlich in Weiterbildung und Qualifizierung. Auch das verstehen wir als nachhaltiges Handeln: Wir schaffen Rahmenbedingungen, in denen unser Team sich entwickeln kann, fachlich wie persönlich. Denn nur so bleiben wir als Unternehmen langfristig innovativ und wettbewerbsfähig. Nachhaltigkeit ist für uns deshalb kein Trend, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur.

Wir fördern zudem Initiativen, die über den reinen Arbeitsalltag hinausgehen. Ein Beispiel dafür ist unser Kunstprojekt mit dem Kinderhospiz MOMO, für das wir gerade den Wirtschaft-hilft-Award gewonnen haben. Gemeinsam mit Künstlern und Künstlerinnen haben unsere Mitarbeitenden in Workshops eigene Werke geschaffen. Solche Projekte ermöglichen Perspektivwechsel, stärken Kreativität und holen die Menschen auch einmal aus ihrem fachlichen Tunnel heraus. Genau diese Kombination aus technischer Exzellenz und sozialer Verantwortung verstehen wir unter zeitgemäßer Nachhaltigkeit.

Manfred Pascher: Früher war in der IT die erste Frage: Was ist technisch möglich? Heute lautet die eigentliche Frage: Was kann ich mir überhaupt vorstellen? Die technischen Barrieren werden zunehmend kleiner. Dafür wächst der Anspruch an konzeptionelles und kreatives Denken. Viele Diskussionen, die wir heute führen – etwa rund um KI –, kreisen noch zu sehr um die Frage, wie wir Bestehendes mit neuen Mitteln lösen. Aber die wirklich spannenden Ansätze entstehen, wenn wir einen Schritt weiter gehen: Wie verhindern wir Probleme überhaupt? 

Inwieweit verändert sich dadurch der technische Anteil Ihrer Arbeit?

Manfred Pascher: Der eigentliche Aufwand liegt heute in der Konzeption, im Verständnis der Prozesse und in der Feinabstimmung. Das Verhältnis von Programmierung zu Beratung liegt bei uns im Gesundheitsbereich ungefähr bei 1:2. Also ein Drittel der Arbeit ist Entwicklung, zwei Drittel sind Analyse, Abstimmung, Gestaltung – gemeinsam mit den Anwendern und Anwenderinnen. Und das ist auch der Schlüssel: Technik ist nicht das Problem. Der Mehrwert entsteht dort, wo Prozesse sinnvoll abgebildet, mitgedacht und verbessert werden.

Gerlinde Macho: Man muss dazu sagen, dass wir in einer Zeit begonnen haben, in der es noch völlig akzeptiert war, dass Entwickler und Entwicklerinnen „nur“ programmieren konnten und vom jeweiligen Fachbereich wenig verstehen mussten. Das hat sich komplett verändert. Heute erwarten wir von unseren Mitarbeitenden, dass sie nicht nur technisch exzellent sind, sondern auch inhaltlich mitreden können – etwa wenn es um medizinische Abläufe geht. Das ist anspruchsvoll, aber notwendig, weil echte Digitalisierung nur dann funktioniert, wenn beide Seiten sich verstehen.

Manfred Pascher: Diese Entwicklung lässt sich übrigens eins zu eins auf unseren Infrastrukturbereich übertragen. Früher war alles produktgetrieben. Auch wir dachten in Produkten, nicht in Lösungen. Heute ist das völlig anders. Auch bei sehr technischen Themen wie Cloud-Infrastruktur geht es nicht mehr nur um Technik, sondern um Beratung. Auch hier gilt: Die technische Umsetzung ist nur ein Teil der Aufgabe. Die eigentliche Leistung liegt in der konzeptionellen Arbeit – im Verstehen, Abwägen, Erklären. Und das funktioniert nur, wenn man auf Augenhöhe mit dem Kunden spricht. Genau das hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert – und das ist auch gut so.

Wie wichtig ist digitale Souveränität – und wie hat sich das Bewusstsein dafür im Zuge geopolitischer Entwicklungen verändert?

Manfred Pascher: Digitale Souveränität ist für uns inzwischen eines der zentralen Themen – und ich bin überzeugt, dass es in den kommenden Monaten und Jahren für viele Unternehmen zur Kernfrage werden wird. Lange Zeit haben wir uns an die Bequemlichkeit gewöhnt, die große Hersteller bieten: schnelle Implementierung, stabile Funktion, fertige Services. Das hat uns – durchaus selbstkritisch gesagt – auch ein Stück weit bequem gemacht. Diese Lösungen funktionieren gut, keine Frage, aber sie sind eben auch Blackboxes, die man einfach übernimmt, ohne sich mit den Hintergründen wirklich auseinanderzusetzen.

Mit den aktuellen geopolitischen Spannungen wächst allerdings das Risiko, dass sich diese Abhängigkeit rächt. Diese Risiken sind real – und das muss man heute bei jedem Projekt offen ansprechen. Es reicht nicht mehr, nur über Funktionalität zu reden. Ein Beispiel, das für uns die Dringlichkeit sehr deutlich macht, ist die aktuelle Rechtslage rund um ChatGPT. Seit Kurzem gilt, dass sämtliche Inhalte – auch private – dauerhaft gespeichert werden müssen.

Gerlinde Macho: Die Awareness für diese Themen ist in vielen Unternehmen noch erstaunlich gering, was ich persönlich bedenklich finde. Es fehlt oft nicht nur das Problembewusstsein, sondern auch der Zugang zu verlässlichen Informationen. Genau deshalb haben wir bei uns intern schon früh ein KI-Gremium ins Leben gerufen – bereichsübergreifend besetzt und unterstützt von einem externen KI-Experten aus Deutschland, der sich ausschließlich mit generativer Intelligenz beschäftigt.

Für uns ist klar: Digitale Souveränität bedeutet nicht, Technologie grundsätzlich abzulehnen, sondern sie bewusst, reflektiert und verantwortungsvoll einzusetzen. Und das beginnt mit Transparenz und Information. Nur wer versteht, was mit seinen Daten passiert, kann souverän entscheiden.

Der Frauenanteil in der IT liegt in Österreich weiterhin bei nur rund 18 Prozent – ein deutliches Ungleichgewicht. Wie erleben Sie die Situation in Ihrem Unternehmen und was tun Sie konkret, um hier gegenzusteuern?

Gerlinde Macho: Das Thema begleitet uns schon lange. Wir haben bereits 2006 am Töchtertag teilgenommen, also sehr früh, und seitdem regelmäßig junge Mädchen eingeladen, unser Unternehmen kennenzulernen. Diese Initiative ist für uns ein wichtiges Instrument, um früh Interesse für IT zu wecken – und um zu zeigen, dass Technologie kein männlich geprägter Raum sein muss. Denn eines ist klar: Wenn man eine Personengruppe systematisch außen vor lässt, ist das nicht nur ungerecht, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich kurzsichtig.

Neben unserer Beteiligung am Töchtertag arbeiten wir mit Initiativen wie She goes Digital und Women in ICT zusammen. Letztere habe ich mitgegründet – heute ist es eines der größten Netzwerke in Österreich im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie mit über 200 aktiven Botschafterinnen. Dort bieten wir unter anderem ein Mentoring-Programm an. Mir ist besonders wichtig, dass dieses Engagement nicht nur Frauensache bleibt. Es braucht die Unterstützung aller – auch Männer – wenn wir echte Chancengerechtigkeit erreichen wollen. Bei uns im Unternehmen ist das gelebte Praxis: Das Team unterstützt diese Maßnahmen aktiv. 

Manfred Pascher: Dass Gerlinde Macho unter anderem den Frauenpreis beim Staatspreis 2022 in der Kategorie MINT erhalten hat, zeigt, dass man mit Engagement auch wirklich etwas bewegen kann. Aber klar ist auch: Es braucht noch viele Schritte, damit aus 18 Prozent irgendwann echte Gleichstellung wird – und damit alle jungen Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht den Beruf wählen können, der zu ihnen passt.

Welche Rolle spielt DC1, das Sie vor kurzem erworben haben, in Ihrer Gesamtstruktur und Wachstumsstrategie? 

Manfred Pascher: Unsere Grundhaltung zum Wachstum hat sich nicht verändert: Wir verfolgen weiterhin einen organischen Weg, das heißt, wir wachsen mit eigenen finanziellen Mitteln, ohne Fremdkapital oder externe Investoren. Für uns bedeutet das nicht, dass wir kategorisch gegen Übernahmen sind – wir haben 2006 schon einmal einen Marktbegleiter übernommen und jetzt mit DC1 erneut einen sehr passenden Partner integriert. 

MP2 ist technisch sehr stark aufgestellt – unsere Webagentur hat über 500 Websites realisiert, unsere Softwarelösungen und IT-Infrastruktur sind technologisch tief verankert. Aber gerade deshalb war uns bewusst, dass ein ergänzender Fokus auf Beratung, Prozessbegleitung und Changemanagement fehlt. Und genau dort liegt die Stärke von DC1.

Während wir dafür sorgen, dass Systeme wie Microsoft 365, SharePoint oder Teams technisch funktionieren und sicher aufgesetzt sind, übernimmt DC1 den menschlich-organisatorischen Teil. Es hilft den Anwendern und Anwenderinnen, das volle Potenzial dieser Werkzeuge zu erkennen und wirklich zu nutzen. Das reicht von Schulungen über Nutzungskonzepte bis hin zur aktiven Begleitung von Veränderungsprozessen. Insofern war dieser Zukauf kein Bruch mit unserer Philosophie, sondern eine bewusste Erweiterung unserer Kompetenzen – aus eigener Kraft und mit einem klaren strategischen Fit.

Gerlinde Macho: Man könnte sagen, unsere Strategie ist vielleicht ein wenig altmodisch – aber sie fühlt sich für uns richtig an. Wir wollen auf solider Basis wachsen, aus eigener Überzeugung und mit einem klaren Blick auf die Menschen, die bei uns arbeiten und deren Familien. Das schafft nicht nur Stabilität, sondern auch Entscheidungsfreiheit.


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