Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development bei der proALPHA Group, skizziert im Gespräch mit ITWelt.at die wichtigsten IT-Trends für 2024. [...]
Künstliche Intelligenz ist derzeit das größte Hype-Thema in der IT. Ist dieser Hype gerechtfertigt? Wenn ja, warum, wenn nicht, warum nicht?
Wenn man das Pressegetrommel als Maßstab nimmt, kann man von einem Hype reden. Unsere Mitarbeitenden, die sich teilweise seit zwanzig bis dreißig Jahren mit KI beschäftigen, sehen dies deutlich nüchterner. Wir haben vor zwei Jahren Empolis gekauft, eines der führenden KI-Unternehmen in Europa und sind dadurch recht nahe an den aktuellen Entwicklungen. Empolis war die erste Ausgründung aus dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI). Für die Empolis-Mitarbeitenden kamen diese Entwicklungen rund um LLM (Large Language Model) nicht überraschend und sind unterm Strich nur ein weiterer KI-Algorithmus im Toolkasten. So machen wir aktuell bereits diverse Projekte, etwa mit KUKA, um LLMs – in dem Fall nicht ChatGPT sondern AWS Bedrock – in die bestehenden KI-Anwendungen aufzunehmen und industriefähig zu gestalten. Die bestehenden LLMs sind in der Industrie, insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen nur bedingt einsetzbar.
Grundsätzlich ist die aktuelle Entwicklung natürlich sehr spannend. Erstmalig wurden viele Menschen sowohl im Business als auch im Privatbereich in die Lage versetzt, künstliche Intelligenz zu nutzen. Gleichzeitig wurde mit ChatGPT schnell klar, welche riesigen Effizienzpotentiale vorhanden sind und welche Dienste die KI in diesem Bereich leisten kann. McKinsey rechnet mit einer jährlichen zusätzlichen Wertschöpfung von 4,4 Billionen USD durch generative KI. Was viele nicht auf dem Schirm haben, sind die Auswirkungen in der IT. Die Generative KI revolutioniert die Softwareentwicklung und ermöglicht riesige Rationalisierungspotentiale. Die IT-Industrie muss lernen damit umzugehen und die neuen Möglichkeiten schnellstens zu nutzen. Diese Werkzeuge tragen dazu bei, den riesigen Fachkräftemangel im IT-Bereich spürbar abzufedern.
Wie können es Unternehmen trotz Fachkräftemangel schaffen, ihre IT-Anforderungen abzudecken?
Wie bereits kurz angerissen, sind Low-/No-Code Entwicklungsumgebungen und vor allem Generative KI in der Lage, den Bedarf an Softwareentwicklern deutlich zu reduzieren. Darüber hinaus sind die Anwendungsunternehmen gut beraten, leistungsfähige und auf modernen Technologien basierende Standard-Anwendungssysteme einzuführen und wo immer möglich, in der Cloud zu betreiben. Auch sollten sie auf hohe Standardisierung in der Folge achten, auf individuelle Sonderlocken verzichten und regelmäßig aktuelle Release-Stände nutzen, um von Innovationen frühzeitig zu profitieren. So werden die Unternehmen auch in der Lage sein, frühzeitig die Möglichkeiten von digitalen Assistenten zu nutzen, KI-Algorithmen in Geschäftsprozesse zu integrieren und damit Automatisierung voranzutreiben.
Security ist einer der wichtigsten Aspekte der IT. Was tut Ihr Unternehmen, um IT-Security sicherzustellen?
Wir investieren selbstverständlich sehr viel in das Thema IT-Security, sind zertifiziert und nutzen für fast alle Anwendungen externe und sehr gut abgesicherte Rechenzentren. Darüber hinaus erfolgt eine permanente Sensibilisierung bzw. Ausbildung der Mitarbeiter, die das schwächste Glied in der Kette sind. Hundertprozentige Sicherheit gibt es dennoch nicht. Deshalb sind wir auch für den Tag X vorbereitet. Dann sind wir hoffentlich in der Lage, mit kühlem Kopf auf Basis von Checklisten zu agieren. Als Mitglied im VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) können wir zusätzlich auf Best Practices des Bereichs Cybersecurity zurückgreifen und dort eine quasi „Selbsthilfegruppe“ der bereits geschädigten Unternehmen um spezifischen Rat und Unterstützung bitten.
Welche Lehren nehmen Sie aus dem IT-Jahr 2023 für die Zukunft mit?
Das Jahr 2023 hat gezeigt, dass es sehr schnelle Entwicklungen im IT-Bereich geben kann, die disruptiv beziehungsweise stark verändernd wirken. Generative KI ist ein Paradebeispiel dafür. Zudem sehen wir eine wachsende Skepsis gegenüber dominierenden Plattformen der Hyperscaler und die Antworten der EU mit dem European Data Act und den Initiativen Gaia-, Manufacturing- und Catena-X. Hier herrscht weitestgehend Konsens in der Industrie vor. In diesem Kontext wird an großen Lösungen in Konsortien gearbeitet, um die EU zu einer führenden Digitalökonomie zu entwickeln und gleichzeitig eine höhere Resilienz und Datensouveränität gegenüber den Hyperscalern und geopolitischen Entwicklungen zu erreichen.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2023?
Persönlich habe ich drei Highlights für 2023 in Erinnerung. Wir können Nachhaltigkeit nur mit umfangreicher Digitalisierung erreichen. Aus diesem Grunde haben wir mit Enit ein Unternehmen aus dem Bereich Energie- und CO2-Management erworben und bieten unseren rund 9.000 Kunden nun auch branchenführende Lösungen für eine grünere Produktion.
Dann natürlich das alles dominierende Thema rund um künstliche Intelligenz. Hier bieten wir unseren Kunden sehr konkrete und direkt nutzbare KI-unterstützte Funktionen sowohl im Bereich unstrukturierter Daten mit Empolis als auch strukturierter Daten mit unseren NEMO Lösungen.
Besonders stark beschäftigte mich in 2023 das Thema Manufacturing-X, wo wir zusammen mit dem VDMA und 50 weiteren Unternehmen in einem riesigen Konsortialprojekt gemeinsam mit Verbänden Forschungseinrichtungen und dem BMWK an der Schaffung von föderativen Datenräumen und der Datenökonomie der Zukunft arbeiten.
Welche spannenden Projekte haben Sie 2023 für Kunden umgesetzt und was war das Besondere daran?
Die spannendsten Projekte waren die Entwicklungen, die wir in den Bereichen Nachhaltigkeit, KI und Manufacturing-X initiiert respektive bereits umgesetzt haben.
Wenn Sie einen IT-bezogenen Wunsch frei hätten, wie würde der lauten?
Weniger regulatorische Einschränkungen für die Unternehmen statt einem Tsunami an Regulatorik, der aktuell auf die deutsche Wirtschaft zurollt. Gleichzeitig muss es uns gelingen, auch den Mittelstand bei all diesen innovativen Entwicklungen am Markt möglichst schnell mitzunehmen, um letztlich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas auch zukünftig sicherstellen oder im Idealfall gar ausbauen zu können.
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