Beim ITWelt.at Roundtable über die Zukunft der digitalen Transformation diskutierten sieben IT-Experten über die Herausforderungen, Chancen sowie die Bedeutung von KI. Hier die gesammelten Statements von Dr.-Ing. Tobias Eljasik-Swoboda, AI Architecture & Development bei der ONTEC AG. [...]
Welche Bereiche der digitalen Transformation deckt die ONTEC AG ab?
Unser Unternehmen gliedert sich in drei zentrale Bereiche: individuelle Softwareentwicklung, IT-Operations und Services sowie den Bereich künstliche Intelligenz, für den ich verantwortlich bin. Der aktuelle Hype um KI-Technologien beeinflusst die IT-Infrastruktur in vielerlei Hinsicht, und diese Entwicklungen beschäftigen uns intensiv, wobei ich den KI-Bereiche leite.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Zeiten des Fachkräftemangels?
KI ermöglicht es uns derzeit, Prozesse zu automatisieren, die früher nicht automatisierbar waren. Gerade angesichts des akuten Fachkräftemangels ist das von enormem Wert. Allerdings kann künstliche Intelligenz nur mit digitalen Inhalten arbeiten – sie wird kein ausgedrucktes Formular ausfüllen oder mit Stift und Papier agieren. Insofern ist eine konsequente Digitalisierung die Grundvoraussetzung, um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen. KI ist also ein Baustein, der erst durch eine umfassende digitale Basis seinen maximalen Nutzen entfalten kann.
Welche Bedeutung hat Change Management bei der Einführung neuer Technologien?
Als Technologielieferant stehen wir zwar primär für die Bereitstellung neuer Lösungen, aber in nahezu jedem Einführungsprojekt wird deutlich, dass die Erwartungshaltung an die Technologie sowie deren Integration in bestehende Prozesse eine entscheidende Rolle spielen. Technologie ist kein Selbstzweck – es gibt kein reines IT-Projekt ohne eine damit verbundene organisatorische Veränderung. Letztlich ist Digitalisierung genau diese Kombination aus technologischer Innovation und organisatorischem Wandel. Auch wenn unser Fokus weniger auf Beratung liegt, sondern auf der Technologie selbst, erleben wir die Herausforderungen des Change Managements in der Praxis immer wieder.
Wie stark beeinflussen regulatorische Vorgaben die IT-Strategie von Unternehmen?
Nicht nur die NIS2-Richtlinie spielt eine Rolle – auch die DSGVO, der kommende EU AI Act und viele weitere Regularien haben erhebliche Auswirkungen. Das gesamte Thema Compliance steht dabei als eigenständiger Investitionsbereich im Raum, der erhebliche Ressourcen erfordert. Unternehmen müssen gezielt Budgets einplanen, um diese Anforderungen zu erfüllen und rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
Welche Rolle spielt Automatisierung in Zeiten des Kostendrucks?
In vielen Fällen sind regulatorische Anforderungen überhaupt erst der Auslöser dafür, dass Unternehmen Prozesse überdenken und Digitalisierungsprojekte vorantreiben. Wie bereits erwähnt, ermöglicht künstliche Intelligenz die Automatisierung von Tätigkeiten, die früher nicht automatisierbar waren. Der steigende Kostendruck und begrenzte Personalressourcen verstärken dieses Bedürfnis zusätzlich – insbesondere, da Mitarbeitende zunehmend mit Compliance- und Regulierungsaufgaben gebunden sind.
Unternehmen suchen daher gezielt nach Möglichkeiten, monotone und repetitive Tätigkeiten zu automatisieren. Zum einen, weil schlicht nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, zum anderen, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein und den eigenen Mitarbeitenden Routineaufgaben weitgehend zu ersparen. Ein gutes Beispiel dafür wäre eine KI-gestützte Zeiterfassung, die automatisch Kalendereinträge ausliest und korrekt ins System überträgt – ein echter Mehrwert. Allerdings setzt eine solche Lösung eine funktionierende digitale Infrastruktur mit den passenden Schnittstellen voraus. Genau darin liegt sowohl die Chance als auch die Herausforderung der Automatisierung.
Welche Herausforderungen bringt der vermehrte Einsatz von KI-Systemen für die IT-Infrastruktur von Unternehmen?
Neue Herausforderungen sind sicherlich die hohen Kosten für GPU-Hardware und damit verbunden die Challenge der Datenhoheit: Wo liegen die Daten und wer hat die Kontrolle darüber, ob und wie sie für das Training neuer Modelle verwendet werden? Ich sehe hybride Setups, die GPU-Compute-Loads von anderen Workloads entkoppeln und so eine flexible und effiziente Nutzung dieser knappen Ressourcen ermöglichen. Die ONTEC AI Plattform ermöglicht solche Setups.
Wie wird sich die IT-Architektur in Zukunft ändern – und muss sich überhaupt was ändern?
Ich sehe zwei Trends: Zum einen werden GPU-Compute-Workloads von anderen Workloads entkoppelt laufen. Ein anderes wirklich großes Thema sind AI Agenten, die im Auftrag des Benutzers selbstständig andere Tools ansteuern und so ganze Workflows starten können. Authentifizierung und Rechtevergabe werden zhier zu einer besonderen Challenge: Wenn ein AI Agent etwas für einen User macht, sollte er keine anderen Rechte haben als der User. Ein System-User-Account tut es hier nicht. Dies erfordert, das ganze Authentifizierungsthema neu zu denken.
Wie können Unternehmen mit der unkontrollierten Verbreitung von Schatten-KI umgehen?
KI ist inzwischen in nahezu jeder Software integriert – ob Microsoft Copilot, Gemini oder andere Assistenten. Diese drängen sich förmlich auf und werden oft ohne tiefere Vorbereitung genutzt. Mitarbeitende stoßen auf neue KI-Funktionen, sehen eine große „OK“-Schaltfläche und aktivieren sie, ohne sich bewusst zu sein, welche Auswirkungen das haben könnte. Schulungen oder Richtlinien werden dabei häufig umgangen oder ignoriert.
Das bringt erhebliche Risiken mit sich. Einer unserer Kunden hat das Thema intensiv analysiert und verschiedene Herausforderungen identifiziert. Einerseits gibt es Compliance-Fragen: Dürfen bestimmte KI-Tools überhaupt genutzt werden? Wohin fließen die Daten? Wer verwendet sie möglicherweise für Trainingszwecke? Andererseits spielt auch das Risikomanagement eine große Rolle. Viele dieser Assistenten greifen im Hintergrund auf dieselben LLM-Modelle zu – beispielsweise OpenAI. Sollte der Zugriff darauf plötzlich ausfallen oder reguliert werden, wie es in Italien bereits geschehen ist, betrifft das nicht nur eine einzelne Anwendung, sondern potenziell zahlreiche Business-Tools in unterschiedlichen Unternehmensbereichen.
Genau hier setzen wir mit unserer ONTEC AI Plattform an. Die Idee ist, eine zentrale Schicht zu schaffen, die standardisierte KI-Use-Cases wie Dokumentensuche oder Textgenerierung bereitstellt und dabei flexibel entscheidet, welches Modell im Hintergrund genutzt wird. So kann ein Unternehmen beispielsweise Azure OpenAI einsetzen oder für besonders sensible Daten eine On-Premise-Lösung mit einem Llama-Modell betreiben.
Schatten-KI lässt sich kaum verhindern – und ein generelles Verbot für Mitarbeitende ist in der Praxis nicht durchsetzbar. Entscheidend ist, Unternehmen eine kontrollierte, Compliance-konforme Möglichkeit zu bieten, diese Technologien sicher und effizient einzusetzen.
Wie wichtig ist digitale Souveränität für Unternehmen?
Der Begriff der Souveränität trifft das Thema sehr gut, denn eine der größten Ängste in der Digitalisierung ist die Frage: Wo liegen meine Daten? Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie jederzeit die Kontrolle über ihre Daten behalten und nicht in eine Abhängigkeit geraten, aus der sie sich im Fall der Fälle nur schwer lösen können. Digitale Souveränität bedeutet, flexibel zu bleiben – sei es bei der Wahl der IT-Infrastruktur, der eingesetzten KI-Modelle oder der genutzten Cloud-Dienste. Nur so können Unternehmen langfristig handlungsfähig bleiben und sich an neue Anforderungen anpassen.
Wie wichtig ist ein klares Erwartungsmanagement bei der Einführung von KI?
Erwartungsmanagement spielt eine zentrale Rolle, denn es reicht nicht aus, einfach nur eine neue Technologie einzuführen – es muss auch klar sein, warum und wie sie eingesetzt wird. In unseren Projekten haben wir vier wesentliche Handlungsfelder identifiziert, die für eine erfolgreiche Implementierung entscheidend sind.
Zunächst geht es um die ökonomischen Beweggründe. Unternehmen müssen verstehen, welchen konkreten Nutzen KI bringt und auf welcher theoretischen Grundlage sich ein Return on Investment erzielen lässt. Dann stellt sich die Frage, wie sich die Technologie in bestehende Prozesse integrieren lässt: Welche Abläufe sind betroffen, welche Mitarbeitenden nutzt sie, und welche Veränderungen bringt das mit sich?
Ein weiterer essentieller Punkt ist die Funktionsweise der KI selbst. Sie ist kein abstrakter Zauberhut, sondern ein Werkzeug mit klar definierten Fähigkeiten – sei es die Textgenerierung, Inhaltsanalyse, Kategorisierung oder Vorhersage von Entwicklungen. Unternehmen müssen sich bewusst machen, welche spezifischen Aufgaben ihre KI übernehmen soll.
Und schließlich ist die Datenbasis entscheidend. KI kann nur mit den Informationen arbeiten, die ihr zur Verfügung stehen, und das erfordert eine durchgängige Digitalisierung. Ohne strukturierte, zugängliche Daten lassen sich keine sinnvollen Ergebnisse erzielen.
Um ein KI-Projekt erfolgreich umzusetzen und Akzeptanz im Unternehmen zu schaffen, müssen all diese Aspekte klar definiert und verständlich kommuniziert werden. Nur so können alle Beteiligten den Mehrwert erkennen und den Wandel aktiv mittragen.

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