Der Umsatz von Servicerobotern für den Warentransport wuchs von 2021 bis 2022 um 44 Prozent. Trotzdem könnte der Fachkräftemangel das künftige Wachstum der Logistikbranche beeinträchtigen. KI-gestützte Roboter können laut Susanne Bieller, Generalsekretärin der International Federation of Robotics, jedoch eine Lösung für diese Herausforderung bieten. [...]
Wie trägt die Logistikbranche zum internationalen Handel bei, und inwiefern spielen Robotik und Automation dabei eine Rolle?
Die globale Logistikbranche spielt im internationalen Handel eine Schlüsselrolle – das Marktvolumen liegt bei rund 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Im Zuge einer dynamischen Nachfrage nach Logistikleistungen investierte die Branche bereits sehr stark in Robotik und Automation: Der Umsatz professioneller Serviceroboter für den Transport von Waren oder Gütern stieg von 2021 bis 2022 um 44 Prozent.
In der Logistikbranche eignet sich die Robotik für eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben: Während Serviceroboter mit den menschlichen Kollegen Hand-in Hand zusammenarbeiten und so effizientere Arbeitsplätze schaffen, helfen Industrieroboter, schmutzige, langweilige und gefährliche Aufgaben hinter Zäunen abgeschirmt zu automatisieren. Der kombinierte Einsatz eines breiten Spektrums von Robotik- und Automatisierungsanwendungen wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, künftiges Wachstum in der Logistik zu ermöglichen.
Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem in vielen Branchen. Wie wirkt sich der Mangel auf die Logistikbranche aus und welche Herausforderungen bringt er mit sich?
Der Mangel an Lkw-Fahrern, Lager- oder Hafenarbeitern ist ein kritischer Faktor im weltweiten Lieferketten-Management. Während der Arbeitskräftemangel die logistischen Lieferketten in Europa, Asien und in den USA gleichermaßen betrifft, unterscheiden sich die spezifischen Gründe und das Ausmaß teilweise deutlich. Neue gesetzliche Arbeitszeitregelungen zwingen beispielsweise die Unternehmen in Japan, zusätzliche Automationslösungen zu installieren. In den Vereinigten Staaten erfordert ein Mangel an qualifizierten Logistikfachkräften in E-Commerce-Zentren neue technologische Unterstützung. Und in Deutschland benötigen ältere Arbeitnehmer für körperlich anstrengende Tätigkeiten besseren Support am Arbeitsplatz, um länger im Job arbeiten zu können.
Für viele Logistikunternehmen ist es jetzt an der Zeit, weiter zu automatisieren. Nach Angaben der International Road Transport Union (IRU) sind derzeit weltweit über 3 Millionen Stellen für Lkw-Fahrer unbesetzt. Die demographische Kluft zwischen jungen und älteren Fahrern vergrößert sich zunehmend, daher wird sich der Fahrermangel bis 2028 voraussichtlich verdoppeln.
KI-gestützte Roboter werden als Lösung für den Fachkräftemangel angepriesen. Welche Vorteile bieten diese Roboter für die Logistikbranche und wie können sie dabei helfen, die Herausforderungen zu bewältigen?
Der KI-Einsatz in der Robotik zielt hauptsächlich darauf ab, mit Variabilität und unvorhersehbaren Situationen umzugehen: Logistikdienstleister haben es mit einem Massenmarkt für grenzüberschreitenden Versand, E-Commerce oder Last-Mile-Delivery zu tun. In diesem Umfeld werden häufig wechselnde Produkte, Aufträge und Bestände bearbeitet. Um Maschinen zu befähigen, flexible Arbeitsabläufe wie diese zu unterstützen, setzt die KI-Software auf einen erfahrungsbasierten Lernprozess statt auf Programmierung. Diese KI-gestützten Roboter lernen beispielsweise, in einem Logistikzentrum verschiedene Gegenstände mit hoher Geschwindigkeit zu greifen und zu verpacken; sie nutzen optische Systeme, um Gegenstände in der Fabrik autonom zu transportieren und bieten KI-gesteuerte Schnittstellen, die eine einstmals 90-minütige Wartungsaufgabe in eine sekundenschnelle Anpassung umwandeln.
Welche Herausforderungen sehen Sie noch bei der Implementierung von KI-Technologien in der Robotik, insbesondere in Bezug auf die Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden?
Die Logistiker sollten aktive Maßnahmen ergreifen, um ihre Belegschaft in neuen Technologien zu schulen und die Automatisierung als Weg zu einer zufriedenstellenden Arbeit für die Mitarbeiter zu fördern. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage im produzierenden Gewerbe ergab, dass derzeit nur ein Drittel der globalen Unternehmen die bestehende Belegschaft in neuen Technologien geschult hat. Die anderen zogen es vor, einfach neue Mitarbeiter einzustellen, um die Qualifikationslücke zu schließen. Diese Strategie wird bei steigendem Fachkräftemangel immer weniger erfolgversprechend sein. Die Fortbildung der bestehenden Belegschaft schließt dagegen Qualifikationslücken im eigenen Haus und stärkt mit Aus- und Weiterbildungsangeboten die Attraktivität des Arbeitgebers im Wettbewerb um Fachkräfte. 70 Prozent der Unternehmen, die in die Fortbildung der eigenen Belegschaft investierten gaben an, dass sich das Engagement gelohnt habe.
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