Mit Wearables die Gesundheit immer im Blick

Wearables sollen künftig nicht nur physikalische Größen wie Puls und Schrittzahl messen, sondern auch chemische und biologische Signale wie Krankheitserreger oder Hormone. In Kombination mit KI sollen so Krankheiten bereits im Frühstadium erkannt werden. Im Interview gibt Can Dincer, Professor für Sensors and Wearables for Healthcare an der Technischen Universität München, Einblicke in seine Forschung. [...]

Aus medizinischer Sicht besteht die Herausforderung bei Wearables darin, kleinste Konzentrationen von Biomarkern in Köperflüssigkeiten, beispielsweise im Schweiß oder in der Atemluft, kontinuierlich und mit hoher Genauigkeit zu messen. (c) stock.adobe.com/Vera

Wearables wie Smartwatches oder Sensorringe sind bereits fester Bestandteil unseres Alltags und beliebte Geschenke zu Weihnachten. Sie tracken unseren Puls, unsere Schrittzahl oder auch unseren Schlafrhythmus. Auf welche Weise können sie schon heute unser Verhalten beeinflussen und welche zukünftigen Entwicklungen sind möglich? Im Interview gibt Can Dincer, Professor für Sensors and Wearables for Healthcare an der Technischen Universität München (TUM), Einblicke in seine Forschung.

Was versteht man unter Wearables?

Unter Wearables fällt zunächst alles, was man am Körper tragen kann. Im engeren Sinne gehört zu einem Wearable aber eine elektronische Komponente. Also beispielsweise Smartwatches oder Smartringe, die mithilfe verschiedener Sensoren unsere aktuelle Gesundheit, Fitness, Stress und Schlafqualität überwachen. Die heutigen Systeme basieren dabei meistens auf physikalischen Größen. Sie messen also Werte wie den Blutdruck, den Sauerstoffgehalt, die Hydratation oder wie lange und wie gut wir geschlafen haben.

Für unsere Forschung sind aber insbesondere auch chemische und biologische Signale von Bedeutung. Wir versuchen dabei Biomarker wie Hormone oder Proteine, Medikamente wie beispielsweise Antibiotika, sowie Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien, die üblicherweise im Blut bestimmt werden, in anderen Bioflüssigkeiten nachzuweisen.

Wie beeinflussen Wearables die Art und Weise, wie Menschen ihre eigene Gesundheit wahrnehmen?

Wearables können uns auf jeden Fall dabei helfen, dass wir selbst besser auf unsere Gesundheit und unseren Lebensstil achten und bestimmte Vitalwerte und biochemische Parameter über längere Perioden überwachen. Andererseits können sie auch dazu führen, dass wir uns wegen kleinsten Veränderungen in den Werten unnötig Sorgen machen. Daher muss dieser Prozess unbedingt sehr gut reguliert werden.

Unsere Vision ist, dass wir durch die Kombination von leistungsstarken Wearables und künstlicher Intelligenz Krankheiten im Anfangsstadium erkennen können, bevor die Patientinnen und Patienten überhaupt Symptome zeigen. Dies ist möglich, wenn wir durch die tägliche Nutzung von Wearables die Daten der Vergangenheit und der Gegenwart haben und dadurch bereits frühzeitig auf veränderte Messwerte reagieren können.

Welche Rolle können Wearables zukünftig im Gesundheitswesen spielen?

Ich kann mir dabei drei möglich Szenarien vorstellen: Die erste Variante ist, dass wir mit Beschwerden zum Arzt gehen, dieser einen Verdacht hat und uns bittet beispielsweise ein Wearable über mehrere Tage zu tragen, um bestimmte Parameter kontinuierlich zu überwachen. Darüber hinaus schätze ich, dass zahlreiche Funktionalitäten bei den Wearables hinzukommen. Im Idealfall kann so ein Gadget viele vitale und biochemische Gesundheitsparameter messen und uns direkt nach dem Aufstehen sagen, ob alle Werte im normalen Bereich liegen. Im dritten Fall können uns Wearables aber auch dabei unterstützen, bei einer vorhandenen Krankheit Medikamente in der richtigen Menge einzunehmen, da sich diese mit der Zeit, dem Gewicht und dem Alter verändert.

In welche Richtung geht die Entwicklung von Wearables in den nächsten Jahren?

Wir wollen erreichen, dass Wearables für biochemische Parameter – am besten in der Kombination mit Vitalwerten – eingesetzt werden können, die bisher nur über invasive Methoden gemessen werden können. Im Blut Messungen durchzuführen ist bisher der Standard im Gesundheitswesen. Wir versuchen mithilfe von Schweiß, Gewebsflüssigkeit, Atemluft oder Urin andere Biofluide zu testen und dort mögliche Korrelationen mit den Blutwerten zu finden. Das größte Problem dabei ist, dass Moleküle in diesen Bioflüssigkeiten viel stärker verdünnt vorliegen als im Blut. Damit ist es viel schwieriger hieraus bestimmte Parameter nachzuweisen.

Darüber hinaus werden bereits große Erfolge bei der Behandlung von Diabetes erzielt. Continuous Glucose Monitoring (CGM) Systeme messen kontinuierlich den Blutzuckerspiegel. Eine Insulinpumpe reagiert automatisch darauf und verabreicht die notwendige Menge an Insulin. Diese Kombination lässt sich mit Sicherheit zukünftig auch auf andere Krankheiten übertragen.

(c) Andreas Heddergott/TUM

Zur Person

Can Dincer ist Professor für Sensors and Wearables for Healthcare an der TUM School of Computation, Information and Technology. Darüber hinaus forscht er am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE). Das MIBE ist ein Integrative Research Institute der TUM. Am MIBE entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen dabei von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen.


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