Nachhaltigkeit und KI – ein zweischneidiges Schwert zwischen Chancen und Risiken

KI durchdringt zunehmend unseren Alltag, revolutioniert ganze Branchen und wird als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gefeiert. Doch mit dieser Begeisterung kommt auch eine wachsende Verantwortung: In welchem Maße trägt KI zum globalen Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen bei? ITWelt.at hat dazu mit der Nachhaltigkeitsexpertin Elina Stanek ein Interview geführt. [...]

Elina Stanek, Sustainability Lead bei Woman in AI Austria (c) Woman in AI Austria
Elina Stanek, Sustainability Lead bei Woman in AI Austria (c) Woman in AI Austria

Ende Jänner fand in Wien die Messe „KlimaZukunft Österreich“ statt  – eine Plattform für den Austausch von Wissen, Ideen und Innovationen rund um die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Elina Stanek, Sustainability Lead bei Women in AI Austria, referierte in ihrem Vortrag darüber, wie künstliche Intelligenz einerseits den Ressourcenverbrauch durch das Training von KI-Anwendungen erhöht und andererseits dazu beitragen kann, das Klima zu schonen. 

Welche ökologischen Herausforderungen und Auswirkungen entstehen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz?

KI ist ein faszinierendes und gleichzeitig immens umfangreiches Thema. Ein wichtiger Punkt ist dabei die ökologische Nachhaltigkeit entlang des gesamten Lebenszyklus von KI-Anwendungen. Dieser Kreislauf beginnt mit der Gewinnung der Rohstoffe, die für die Herstellung der Hardware benötigt werden, umfasst die energieintensive Phase des Trainings und der Nutzung und endet schließlich mit der Entsorgung von Elektronikschrott.

Beispielsweise liegen große Mengen der weltweiten Lithium-Reserven in wenig entwickelten Ländern – etwa in Südamerika oder Afrika – und der Abbau geht oft mit sozialen und ökologischen Problemen wie Kinderarbeit und hohem Wasserverbrauch einher. Ein weiterer kritischer Punkt ist das immense Volumen an Elektroschrott, das jährlich weltweit entsteht – nämlich 54 Millionen Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von 10,8 Millionen Elefanten. Aber nur 20 Prozent des Elektroschrottes werden recycelt. Und nebenbei bemerkt, so viele Elefanten gibt es gar nicht auf der Erde.

Dies betrifft zwar nicht ausschließlich KI, doch sie verstärkt diese Problematik, da große Modelle wie ChatGPT 3.5 sehr ressourcenintensiv sind. Allein das Training dieses Modells verbraucht geschätzte 1.300 Megawattstunden – vergleichbar mit dem jährlichen Energiebedarf von 325 bis 430 europäischen Haushalten.

Welche konkreten Maßnahmen könnten die ökologische Nachhaltigkeit von KI verbessern?

Es gibt mehrere Ansätze, die ökologische Belastung durch KI zu senken. Zum einen ist es wichtig, die Lebensdauer der Hardware zu verlängern und Reparaturmöglichkeiten zu fördern. Auch Recyclingprozesse müssen effizienter gestaltet werden. Auf der Software-Seite können kleinere und spezialisierte Modelle, die weniger Rechenleistung erfordern, einen enormen Beitrag leisten. Moderne Entwicklungen wie die Open-Source-Modelle von LLaMA zeigen, dass es möglich ist, mit deutlich weniger Parametern (z. B. 7 Milliarden statt 300 Milliarden) ähnliche Ergebnisse zu erzielen und dadurch den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren.

Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Lösungen wie Electricity Maps, die zeigen, wo gerade besonders viel erneuerbare Energie verfügbar ist. Diese Informationen können genutzt werden, um Rechenzentren dynamisch dorthin zu verlagern, wo Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wird.

Gibt es aktuelle Daten, welchen Anteil KI am globalen Ressourcenverbrauch hat?

Leider gibt es derzeit keine genauen Zahlen, die den spezifischen Anteil von KI am globalen Ressourcenverbrauch belegen. Klar ist jedoch, dass der Energie- und Wasserverbrauch durch KI kontinuierlich ansteigt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Wasserbedarf: Laut dem Paper ‚Thirsty AI‘ wurden für das Training eines KI-Modells wie ChatGPT 3.5 rund 700.000 Liter sauberes Trinkwasser benötigt. Bei asiatischen Rechenzentren, wo höhere Verdunstungsraten herrschen, kann dieser Verbrauch sogar verdreifacht werden. Hinzu kommt, dass die Nutzung von KI-Anwendungen global immer weiter zunimmt – mit etwa 300 Millionen aktiven wöchentlichen Nutzern bei ChatGPT wird deutlich, welche Dimensionen das annehmen kann.

Trotz dieser Bedenken sehen Sie KI aber auch als Chance. Inwiefern kann KI die Nachhaltigkeit fördern?

Absolut. KI bietet ein enormes Potenzial, um globale Herausforderungen effizienter zu bewältigen. Ein großartiges Beispiel dafür ist Bearing AI, eine Lösung, die Schifffahrtsrouten optimiert und allein dadurch den CO₂-Ausstoß von Containerschiffen – die für 3 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind – um 10 Prozent senken kann.

Auch spezialisierte Frühwarnsysteme, wie sie etwa das österreichische Startup Monetarius entwickelt, sind vielversprechend. Sie arbeiten an KI-Lösungen zur Erkennung von Erdrutschrisiken. Ein weiteres Beispiel ist Global Fishing Watch, das mithilfe von Satellitenbildern illegale Fischerei aufdeckt. All diese Ansätze zeigen, wie KI helfen kann, effiziente und nachhaltige Lösungen für spezifische Probleme zu entwickeln.

Welche Rolle spielt Ihr Netzwerk „Women in AI“ in diesen Diskussionen?

„Women in AI“ hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur den Frauenanteil im Technologie- und KI-Bereich zu erhöhen, sondern auch Themen wie Ethik und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt zu rücken. Ich habe das Nachhaltigkeitsteam gegründet, da ich fest davon überzeugt bin, dass wir als globale Gemeinschaft Verantwortung übernehmen müssen, um KI nachhaltig und ethisch zu gestalten. Wir organisieren Diskussionsrunden und versuchen, das Bewusstsein für diese wichtigen Themen zu schärfen.

Wie sieht Ihre persönliche Vision für die Zukunft der KI aus?

Ich glaube, dass die Zukunft in spezialisierten, ressourcenschonenden KI-Modellen liegt, die auf bestimmte Aufgaben optimiert sind, anstatt in riesigen Generalisten wie den aktuellen Large Language Models. Die Idee, dass ein neuronales Netzwerk eine Aufgabe – und nur diese – effizient und effektiv erledigt, halte ich für wegweisend. Langfristig bin ich zuversichtlich, dass KI nicht nur ein Werkzeug zur Optimierung von Prozessen sein wird, sondern ein zentraler Baustein, um unsere globalen Herausforderungen zu bewältigen – vorausgesetzt, wir setzen sie verantwortungsvoll ein. Das Wichtigste dabei ist, das richtige Gleichgewicht zwischen Innovation und Nachhaltigkeit zu finden.

Zur Person

Elina Stanek
, BSc ist Expertin an der Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Künstlicher Intelligenz. Ihr Hintergrund in Umwelt- und Bio-Ressourcenmanagement prägt ihren ganzheitlichen Blick auf technologische Innovationen. Sie beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit den Ressourcenanforderungen von KI-Systemen und deren Potenzial für nachhaltige Lösungen.

Neben ihrer Tätigkeit als Umweltzeichen-Beraterin und Nachhaltigkeitsmanagerin für die „Festivals Litschau“ setzt sie sich für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der KI-Branche ein – mit einem besonderen Fokus auf Erklärbarkeit.

Als Sustainability Lead von Women in AI Austria engagiert sie sich für die Förderung von Frauen in der KI-Branche und setzt sich für nachhaltige KI-Entwicklung ein. Women in AI Austria ist ein Netzwerk, das Wissen teilt, Innovationen unterstützt und Frauen ermutigt, die Zukunft der KI mitzugestalten.


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