Nagarro: „Ziel ist es, den Menschen in den Mittelpunkt der Reise zu stellen“

Der ITWelt.at-Roundtable über das Thema digitale Transformation brachte interessante Sichtweisen und spannende Insights. Hier die Statements von Michael Frank, Lead of Global Practice Transformation Consulting bei Nagarro. [...]

Michael Frank, Lead of Global Practice Transformation Consulting bei Nagarro (c) timeline/Rudi Handl
Michael Frank, Lead of Global Practice Transformation Consulting bei Nagarro (c) timeline/Rudi Handl

Darf die digitale Transformation Spaß machen?

Die digitale Transformation muss sogar Spaß machen. Wenn wir wollen, dass die Menschen, um die sich die Änderungen drehen, mitmachen und darin etwas Positives sehen sollen, dann gelingt das am besten, wenn sie den Nutzen erkennen und den Eindruck haben, dass die Zusammenarbeit mit dem Technologiepartner gut funktioniert, und es Spaß macht, in die Arbeit zu kommen, um neue Dinge zu schaffen. 

Wo stehen KMUs in Österreich und Deutschland bei der Transformation? 

Die Pandemie hat auch das traditionellste Unternehmen dazu gebracht, über die digitale Transformation nachzudenken. Wir erinnern uns: Freitag wurde der Lockdown angekündigt, am Montag mussten die VPN-Tunnel stehen, um überhaupt weiterarbeiten zu können. Das war davor kaum ein Thema. Corona hat also einen wirklichen Schub gebracht, der dazu geführt hat, dass sich die Menschen überhaupt mit dem Thema beschäftigen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage wiederum hat dazu geführt, dass im letzten Jahr Budgets und Projekte eingefroren worden sind. Man wartet also ab. Es ist also nicht das Bewusstsein, das sich geändert hat, sondern die Rahmenbedingungen. Eigentlich sollte man nicht abwarten und genau jetzt etwas unternehmen, um effizienter zu werden und rascher auf Marktveränderungen reagieren zu können. 

Projekte für die Steigerung der Effizienz und ähnliches funktionieren gut, aber bei der Transformation der Geschäftsmodelle hat man Nachschärfungsbedarf.

Wie unterscheiden Sie Digitalisierung und digitale Transformation?

Die digitale Transformation impliziert, dass ich tatsächlich etwas verändere, ein Verhalten, die Struktur, vielleicht das Geschäftsmodell. Wir sprechen von „Fluidic Enterprise“. Der Begriff beschreibt ein Mindset, das ich in Firmen bringe, um auf Marktveränderungen reagieren zu können, um effizienter zu sein und Kreativität zu fördern. Das Ziel ist es, den Menschen in den Mittelpunkt der Reise zu stellen.

Welche Rolle spielt derzeit KI? 

Ich habe bis jetzt in meiner Laufbahn mit ca. 120 Kunden zusammengearbeitet und habe bis jetzt noch nie gesehen, dass ein Thema derart in der Breite diskutiert wird – in allen Fachbereichen bis hin zum Marketing. Ich glaube, dass derzeit eine Art Aufbruchsstimmung herrscht. Die Frage ist derzeit oft noch: Was kann KI? Anstatt sich zu fragen: Wozu können wir sie einsetzen? Es fehlt also noch der Transformationsgedanke: Wo stehen wir? Wo wollen wir eigentlich hin? Erst dann sollte man sich die Frage stellen, wie KI uns auf diesem Weg helfen kann. Die Technologie der Technologie willen einzusetzen, finde ich nicht den richtigen Weg.

Wie wird Cloud aufgenommen? 

Ich glaube, dass wir hier Aufholbedarf haben – weniger im Mittelstand, mehr bei den Großen, die viel in ihre On-Premises-Rechenzentren investiert haben. Wir sehen Cloud sehr stark als Enabler für die digitale Transformation. Es werden Dinge möglich, die es früher nicht beziehungsweise nur eingeschränkt waren – Stichwort Reaktionsgeschwindigkeit oder DevOps. 

Wie beurteilen Sie den Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit? 

Es geht schon vieles in die richtige Richtung, etwa Cloud-Zentren mit einem neutralen CO2-Fußabdruck oder die Forderungen, Projekte nachhaltig abzuwickeln. Wir sprechen in diesem Zusammenhang etwa vom Green Project -Management. Unseren Kunden ist es sehr wichtig, dass die Methoden, die man einsetzt, möglichst wenig Waste produzieren, das betrifft CO2, Energie oder auch Papier. Diese Diskussion gab es vor fünf Jahren in diesem Umfang noch nicht. Heute wird es sehr prominent diskutiert, nicht nur im technologischen Bereich, sondern auch im Change- und Projektmanagement. 

Wie hat sich Nagarro selbst im Zuge der digitalen Transformation geändert?   

Der Begriff „Fluidic Enterprise“ umfasst Aspekte wie rasche Reaktion, Effizienz, Kreativität und Nachhaltigkeit. Wir sind so organisiert, dass wir keine klassischen Hierarchien besitzen, sondern als Netzwerk aufgestellt sind, in dem der Kunde im Mittelpunkt steht. Das heißt: das System ist um die Kundenprojekte herum organisiert. Die Kundenbetreuer und -betreuerinnen können bei den globalen Expertenpools Rat holen, je nachdem, welche Anforderungen auf der Journey auftreten. Zu Beginn ist die Beratung stärker, später die Entwicklung und Architektur. Jede Phase ist sehr stark am Bedürfnis des Kunden orientiert. 

Der Beratungsansatz hat sich insofern verändert, als dass die Beziehungsqualität zwischen den eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und jenen des Kunden wichtiger denn je ist. Wir glauben sehr stark, dass ein Umfeld geschaffen werden muss, in dem die Mitarbeitenden des Kunden im Stande sind, gute und kreative Lösungen zu erarbeiten, um die Probleme optimal adressieren zu können. Sie sind die eigentlichen Experten für ihre Herausforderungen. Sie haben die Informationen vor Ort. Es gilt, gemeinsam mit den Experten vor Ort und dem Impuls von außen die besten Lösungen zu entwickeln. Wir bezeichnen das als „Human Innovation“. Die Digitalisierung darf Spaß machen, muss sogar Spaß machen. Das ist der Shift, der gerade stattfindet. 

Die beste Lösung kann niemals von außen kommen. Sie kann nur durch Zusammenarbeit mit dem Kunden entstehen. Von uns kommt die Beratungsleistung. Wir zeigen, was Lösungen leisten können. 

Sehen Sie die Transformation als Chef-Sache? 

Man kann Verantwortung delegieren, nicht aber Accountability. Bei uns heißt es: We all share the accountability, man kann sich im Fall der Fälle nicht einfach abputzen. Als Führungskraft muss man all den Personen, die die Veränderung vorantreiben, den Rücken stärken. Welche Art von Menschen sind dafür nötig? Jene, die nicht nur über die Transformation reden, sondern sie auch in der Praxis umsetzen. In der heutigen komplexen Welt kann man nicht alles im Detail vorausplanen, man muss aktiv werden. 

Die Technologie ist ein Teil eines Projekts, vielleicht sogar der einfachere. Anders der Faktor Mensch: Wenn man den Menschen nicht mitnimmt, die Widerstände nicht adressiert und Ängste nicht ernst nimmt – man stößt oft auf unterschiedliche Interessenslagen, die miteinander konkurrieren –, wenn das alles vernachlässigt wird, dann fährt man Projekte gegen die Wand. 

Sollen sich Unternehmen die neue Nagarro-Organisation als Vorbild nehmen? 

Es kommt sehr stark auf den Kontext an, in dem Unternehmen unterwegs sind, etwa in welcher Industrie. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, kann jedoch nie falsch sein. In letzter Instanz geht es aber um die Erkenntnis, dass sich Organisationen nicht ändern. Menschen ändern sich – und das müssen wir nutzen, wenn die digitale Transformation gelingen soll. 

Der ITWelt.at-Roundtable digitale Transformation vom 13. Februar 2024 kann hier nachgehört werden. 


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