Qobuz: „Klangqualität und Fairness sind wichtiger als Reichweite“

In Zeiten von KI-generierter Musik und Streaming-Giganten setzt der französische Anbieter Qobuz auf High-Res-Qualität und faire Vergütung. Countrymanagerin Mareile Heineke enthüllt im Interview Strategien gegen Manipulation und für echte Kreativität. [...]

Mareile Heineke, Qobuz Countrymanagerin DACH (c) Qobuz
Mareile Heineke, Qobuz Countrymanagerin DACH (c) Qobuz

Im dynamischen Umfeld des Musikstreamings, das von Algorithmen, Massenkonsum, KI und undurchsichtigen Vergütungsmodellen geprägt ist, behauptet sich Qobuz als bewusste Alternative. Das Unternehmen setzt seit seiner Gründung 2007 auf einen wertebasierten Ansatz: hohe Klangqualität, redaktionelle Kuration und faire Bezahlung für Künstler. Im Gespräch mit ITWELT.at erklärt Mareile Heineke, Countrymanagerin DACH bei Qobuz, die strategische Positionierung des Unternehmens in einer von Riesen dominierten Branche, die konkreten Auswirkungen von KI auf die Musikindustrie und warum Fairness und Transparenz kein Nischenthema mehr sein dürfen.

Qobuz hat sich von Beginn an auf hohe Audioqualität konzentriert. Können Sie uns die Kernphilosophie des Unternehmens erläutern und wie Sie sich von den großen Mainstream-Streaming-Anbietern unterscheiden?

Unsere Kernphilosophie ist seit der Gründung 2007 unverändert: Wir treten für höchste Soundqualität ein und möchten, dass Musik digital so wiedergegeben wird, wie man es von physischen Produkten kennt – unkomprimiert und in voller Klangfülle. Qobuz war der erste Service, der seinen kompletten Katalog verlustfrei in CD-Qualität (FLAC 16-Bit/44,1 kHz) angeboten und seit 2015 auch als erster das Streaming in High Resolution (bis zu 24-Bit/192 kHz) ermöglicht hat. Wir richten uns an Musikliebhaber, die ein anspruchsvolles und kompromissloses Musikerlebnis suchen und besonderen Wert auf Klangqualität legen. Dies gilt insbesondere für Genres wie Klassik, Jazz und Electronic Music. Während viele andere Plattformen auf Quantität setzen, fokussieren wir uns auf Qualität und Nachhaltigkeit. Wir sehen uns als unabhängige „Boutique in einer Welt voller Supermärkte“.

Welche Zielgruppen sprechen Sie an?

Überproportional stark sind Audio‑Enthusiasten und Genres mit hohem Qualitätsanspruch, was sich auch in einem etwas älteren, technikaffinen Publikum niederschlägt. Da wir keine kostenlosen Abos anbieten und viele Jahresabos haben, liegt unser durchschnittlicher Umsatz deutlich über dem Markt, was sich direkt positiv auf die Vergütung der Künstler auswirkt.

Apropos Künstlervergütung: Was bezahlen Sie pro Stream?

Im März 2025 haben wir als erster Anbieter in der Musikindustrie unsere durchschnittliche Vergütung pro Stream veröffentlicht. Für das Finanzjahr 2024 betrug die durchschnittliche Vergütung an Rechteinhaber 0,01802 Euro pro Stream, das entspricht 18,02 Euro pro 1.000 Streams. Dies ist ein Wert, der deutlich über den branchenüblichen Schätzungen liegt.

Unsere Botschaft ist klar: Wir setzen ein Zeichen für mehr Transparenz, Fairness und langfristige Verantwortung in der Branche. Wir möchten verdeutlichen, dass die Entscheidung für Qobuz mit konkreten Maßnahmen für eine gerechtere Vergütung aller Künstlerinnen und Künstler sowie die Unterstützung musikalischer Vielfalt verbunden ist.

Der Musikstreaming-Markt wächst weiterhin stark, dominiert von wenigen großen Playern. Wo sehen Sie Qobuz in diesem Wettbewerbsumfeld, und wer sind Ihre Hauptkonkurrenten?

Mit Massendiensten wie Spotify oder Apple vergleichen wir uns kaum; im Hi‑Fi‑Segment werden wir am ehesten neben Tidal genannt. Unser Ansatz unterscheidet sich jedoch durch die starke Kurations‑Redaktion und die breite Förderung von Klassik und Jazz und anspruchsvollen Nischen jenseits eines stark urban geprägten US‑Fokus.

Ein großes Thema ist derzeit die Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Musikindustrie. Welche Auswirkungen sehen Sie hier auf das Musikstreaming, und wie geht Qobuz damit um?

KI beeinflusst uns in zwei wesentlichen Bereichen: erstens durch Streaming-Manipulation und zweitens durch KI-generierte Musik selbst. Streaming-Manipulation bedeutet, dass Wiedergabezahlen künstlich in die Höhe getrieben werden, um höhere Tantiemen zu erzielen. Dagegen wehrt sich die Musikindustrie gemeinschaftlich. Wir setzen hier KI-gestützte Erkennungssysteme ein, um unnatürliches Streamingverhalten zu erkennen, etwa Accounts, die über 24 Stunden am Tag streamen oder immer nur denselben Titel hören. Solche manipulierten Streams werden in Absprache mit Labels und Rechteinhabern aus unseren Statistiken entfernt, um eine faire Ausschüttung der Tantiemen sicherzustellen.

Der zweite Bereich, die KI-generierte Musik, ist komplexer. Das menschliche Ohr kann diese Musik oft nicht von menschengemachter unterscheiden, da Klang und Songwriting top sind. Ein bekanntes Beispiel ist das Fake-Projekt „The Velvet Sundown“, das durch hohe Streamingzahlen und fehlende menschliche Urheberschaft für Aufsehen gesorgt hat. Aktuell verfügen wir noch über keinen präventiven Schlüssel zur sofortigen Aufdeckung von KI-generierter Musik in unserem Katalog. Wenn wir jedoch davon erfahren, etwa durch Presseberichte oder Hinweise, entfernen wir diese Inhalte.

Einige Anbieter markieren KI‑Inhalte aktiv. Ist das auch Ihr Weg?

Wir unterstützen Transparenzinitiativen und Kennzeichnungspflichten, haben aber bewusst in die Gegenstrategie investiert: konsequente, menschliche Kuration durch eine eigene Musikredaktion, die Neuveröffentlichungen sichtet, empfiehlt, rezensiert und die Startseiten für alle identisch kuratiert. So stellen wir sicher, dass das, was prominent sichtbar ist, nachweislich von realen Künstlerinnen und Künstlern stammt – Qualität und Herkunft vor bloßer Algorithmusrelevanz.

Was erwarten Sie regulatorisch – etwa durch den EU AI Act?

Qobuz befürwortet klare Regeln und Transparenzanforderungen, weil Herkunft und Rechteketten in einer zunehmend synthetischen Produktionslandschaft nachvollziehbar bleiben müssen. Zugleich glauben wir an eine kulturelle Gegenbewegung: Je sichtbarer KI‑Massenproduktion wird, desto stärker wächst die Wertschätzung für menschliche Kreativität, ein Trend, den auch Vinyl‑Renaissance und kuratierte Angebote spiegeln.

Wie sieht Ihr Ausblick für die Zukunft des Musikstreamings angesichts der rasanten Entwicklung der KI aus?

Ich glaube, KI-generierte Musik wird leider unvermeidbar sein und immer existieren. Wir werden aber fortschrittlichere Systeme und Machine-Learning-Mechanismen entwickeln müssen, um sie aufzudecken und gegebenenfalls zu deklarieren. Trotz der Herausforderungen bin ich grundsätzlich kein Verfechter der Haltung „früher war alles besser“. Technologie bringt oft auch neue Möglichkeiten und Arbeitsplätze hervor. Meine Hoffnung ist, dass eine Dialektik entsteht: Je populärer KI-generierte Inhalte werden, desto stärker und lauter wird auch die Opposition, insbesondere unter jungen Leuten, die dann die Wertschätzung für echte, von Menschen gemachte Musik umso größer werden lassen. Wir bei Qobuz setzen uns vehement für von Menschen gemachte Musik ein und glauben, dass diese Wertschätzung weiter wachsen wird. Qualität, Fairness und Transparenz sind keine Nischenwerte, sondern die Grundlage eines nachhaltigen Streaming‑Ökosystems – vom Sound über Kuration bis zur Vergütung.


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