Die einen umgeben sich aus dekorativen Gründen mit Kunst, die anderen, wie Qualysoft-CEO Peter Oros, schöpfen daraus Inspirationskraft für IT-Lösungen und neue Geschäftsideen. Ein wunderbares Beispiel dafür, dass IT viel mehr sein kann als Technologie. [...]
Peter Oros, internationaler Generaldirektor der Qualysoft-Firmengruppe, unterscheidet sich von vielen anderen IKT-CEOs dadurch, dass er mit der gleichen Begeisterung über Kunst und Innovation sprechen kann. Dem Geschäft des vor allem in DACH und CEE tätigen Unternehmens tut das offensichtlich gut: Qualysoft wächst gute 25 Prozent pro Jahr.
Obwohl die IT in allen Lebensbereichen für Fortschritte sorgt und viele Bereiche weit über die Technik hinaus revolutioniert, ist das Image etwa in den Unternehmen nicht das beste. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
In den Köpfen der Führungskräfte ist tatsächlich nicht angekommen, wie IT beispielsweise das Geschäft, den Umgang mit Kunden oder die Produktentwicklung verbessern kann. IT wird von Entscheidungsträgern als notwendiges Übel gesehen, obwohl die Antwort auf die Frage, wie wir am besten auf die aktuellen Anforderungen reagieren sollen, oft in der IT liegt.
Der Grund dafür ist, dass man oft in alten, verkrusteten Geschäftsabläufen denkt. Man analysiert Geschäftsprozesse auf herkömmliche Art, die vor 20 Jahren sicherlich gut war, doch heute fehl am Platz sind. So sieht man eher die Kosten und weniger die Möglichkeiten, die IT bietet.
Es gibt Unternehmen, die sich Gedanken machen, wie sie Innovationen für sich nutzen können. Das sind heute die erfolgreichen Unternehmen. Und es gibt Beispiel für Unternehmen, die die Entwicklung verschlafen haben, wie etwa Kodak die digitale Fotografie.
Steht Ihr Kunst-Engagement im Zusammenhang damit, dem schlechten Image der IT entgegen zu steuern?
Unser Kunst-Engagement kommt ursprünglich aus einer ganz anderen Ecke. Vor rund 15 Jahren habe ich begonnen, Kunst in unseren Geschäftsräumen auszustellen. Die Idee war, Künstlern einfach Ausstellungsfläche zu bieten. Damit sind wir zu Mäzenen für junge Künstler geworden. Auf der anderen Seite wollten wir unseren Mitarbeitern und Kunden zeigen, dass die Welt tatsächlich nicht nur aus IT besteht. Wir neigen dazu, engstirnig durch die Welt zu gehen – das passt zur ersten Frage nach dem Image der IT. Wir wollten zeigen, dass wir uns mit Dingen beschäftigen, die nicht nur zur jüngeren Vergangenheit gehören, sondern seit ein paar Tausend Jahren uns beschäftigen, uns beflügeln und fixer Bestandteil unseres Lebens sind.
Daraus haben sich interessante Sachen entwickelt. So haben unsere Mitarbeiter begonnen, sich eingehender mit Kunst zu beschäftigen. Wir wollten auch Kunst präsentieren, die wir nicht ausleihen konnten. Das hat dazu geführt, dass wir Schritt für Schritt Lösungen entwickelt haben, um Kunst virtuell auszustellen. Im Zuge dessen haben wir entdeckt, dass Kunst und Innovation durchaus in Verbindung stehen können.
Was konkret ist damit gemeint?
Einerseits sind wir auf Künstler gestoßen, die physische Kunstwerke mit Bewegtem aus der digitalen Welt kombinieren, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Kunstwerks. Andererseits haben wir neue Wege entdeckt, Kunst zu konsumieren. Wir haben sehr schnell eine Marke ins Leben gerufen: QualysmArt. Die QualysmArt-Abteilung hat eine Software entwickelt, die in der Lage ist, Kunst in sehr hoher Qualität auf Bildschirmen wie SmartTVs zu bringen. Wir können komplette Ausstellungsinhalte auf Monitoren ohne PC-Unterstützung zeigen, Software, die über Cloud und Apps bedienbar ist. Derzeit sind wir in Verhandlung mit einigen Organisationen wie Gallarien und Kunstinstitute, die sehr an unserer Lösung interessiert sind, mit der sich sehr schöne Ausstellungsdramarturgien realisieren lassen.
Wie viel Umsatz generieren Sie im QualysmArt-Bereich?
Wir visieren zehn bis 15 Prozent an. Das Besondere, das Herausragende an unserem Kunst-Engagement ist, dass in unseren binären IT-Köpfen durch Kunst ein Innovationsschub ensteht. Inspirationskraft aus Kunst war die eigentliche Entdeckung.
Sie haben vom direkten Einfluss von Kunst auf Innovationen gesprochen. Gibt es auch eine indirekte Beeinflussung, wie in dem Bereich CRM, in dem sie stark unterwegs sind?
Mit dieser Frage haben Sie den Nerv unserer künftigen Strategie getroffen. Wenn man die Entwicklung in der IT betrachtet, wird ein Thema immer wichtiger: Customer Experience bzw. Customer Experience Management. Es geht darum, wie Kunden das Unternehmen wahrnehmen. Es geht darum, die Touchpoints innovativer, schöner und besser zu machen. Wir sprechen nicht mehr nur über Customer Relation Management, also einer Sammlung von Daten, wo ich etwa Verkaufschancen hinterlege. Es geht immer stärker darum, wie leicht ich es dem Kunden mache, mit dem Unternehmen zu kommunizieren, Kontakt aufzunehmen, Feedback zu geben, sich im Produktportfolio zurechtzufinden, zu selektieren, zu konfigurieren. Um das zu erreichen, muss ich wissen, in welcher aktuellen Situation er ist, wie seine Emotionen sind. Es geht um die Frage: Wie kann ich den Kunden noch besser verstehen?
Auf welche Weise verstehen Sie die Kunden nun besser?
Wir haben in Forschungsprojekte investiert, um zum Beispiel Tools im Bereich Predictive Selling zu bauen. Sie helfen uns, zwei, drei Monate im Voraus zu erahnen, was der Kunde kaufen will.
Wir haben mit der Zeit gesehen, dass die Qualysoft die richtigen Fähigkeiten und Tools besitzt, um unter dem Prinzip Customer Experience eine Plattform aufzubauen und das Thema gezielt anzugehen. CRM etwa in Verbindung mit Big Data.
Welche Rolle spielt hier Ihr Kunstansatz?
Hier kommt unser QualysmArt-Ansatz ins Spiel, der unter dem Namen QualyShow ebenfalls Teil unserer Customer Experience-Plattform geworden ist. Mit Hilfe von QualyShow sind wir in der Lage, verschiedene situationsbedingte Informationen über SmartTVs zu zeigen, seien diese Statistiken aus dem CRM oder spezielle Kundeninformationen in einem Autosalon.
Wir haben uns damit aber nicht zufrieden gegeben. Der nächste Schritt ist die bidirektionale Kommunikation. Wir haben gemeinsam mit Fraunhofer ein Eye-Tracking-Projekt gestartet: Der Bildschirm erkennt, in welchem Bereich Information konsumiert wird, und reagiert entspreched: Der Inhalt wird vergrößert oder es kommt zusätzliche Information hinzu. Der Betrachter kann in einer Menüstruktur navigieren, nur mit seinen Blicken. Die Bedienung wird hier zu einem Erlebnis.
Ich habe gelesen, dass Qualysoft Early Adopter ist und nicht auf revolutionäre Erfindungen fokussiert.
Unsere Philosophie ist die Early Adopter-Rolle. Vielleicht ist es die Beschäftigung mit Kunst, dass wir bei Customer Experience tatsächlich sehr weit vorne sind und hier gerne experimentieren.
Können Sie mit Ihrer Lösung Emotionen steuern?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Man kann Emotionen durch Farben, Geschwindigkeit, Art der Einblendung, Hintergrundbilder oder Musik steuern. Wir bieten auch Steuerung durch Gesten, siehe Minority Report, jedoch noch nicht so ausgefeilt. Hier sieht man: Es macht einen Unterschied, ob ein Rugbyspieler etwas auswählt oder ein Balletttänzerin. Man kann aus der Art der Steuerung, etwa der Geschwindigkeit der Bewegung, vieles über den Kunden in Erfahrung bringen und entsprechenden Content zur Verfügung stellen. Auch die Gemütslage lässt sich dadurch schon sehr gut bestimmen.
Ideal für die Werbewirtschaft…
Richtig. Auf diese Weise ist es möglich, dem Kunden maßgeschneidert ohne Blabla jenen Content zur Verfügung stellen, den er braucht. Die Telkos oder Kreditkartenunternehmen wissen schon eine Menge von uns, sie nutzen dieses Wissen jedoch zu wenig.
Steht sich Europa selbst im Weg, indem wir die Möglichkeiten beschneiden?
Die einen sagen, dass Europa dadurch profitiert, dass Datenschutz sehr groß geschrieben wird. Die anderen sagen, dass wir uns tatsächlich im Weg stehen. Dabei ließe sich viel mehr Zufriedenheit und Möglichkeiten schaffen, wenn wir den Datenschutz nicht zu eng sehen würden. Es besteht die Gefahr, dass Regionen, in denen dieses Thema nicht so engstirnig gesehen wird, davonziehen werden, während unsere Wettbewerbsfähigkeit sinkt.
Natürlich muss die Bevölkerung sensibilisiert werden. Wenn man Wände mit Graffitis vollschmiert, weiß man, dass das Folgen hat. Genau so müsste man mit Facebook umgehen. Das Wissen, wie man sich richtig in sozialen Netzwerken verhält, müsste von klein auf gelehrt werden.
Stichwort Wirtschaftsentwicklung. Wie schaffen Sie es, auf Märkten, die in starker Bewegung sind wie in Osteuropa, so stabil zu wachsen?
Unsere Philosophie ist es, organisch zu wachsen. Akquisitionen vor allem in Osteuropa sehe ich als sehr unsicheres Terrain. Da kann man auf böse Überraschungen stoßen. Wir arbeiten alle integriert, um Redundanzen zu vermeiden. Wir haben lokal zwar unterschiedliche Schwerpunkte, die aber in der ganzen Gruppe genutzt werden. Unser Knowhow ist so aufgeteilt, dass sich jeder als starker Teil des Ganzen fühlt. Wir agieren gegenüber Kunden immer lokal, denken jedoch immer global. Unsere Kunden sind ebenfalls überwiegend international agierende Unternehmen, Banken, Versicherungen, Energiedienstleister. Sie wissen, dass sie unsere Dienstleistungen in jedem Land zur gleichen Qualität, sogar durch die gleichen Teams, die international besetzt sind, bekommen. So lässt sich eine gewisse Kontinuität wahren. Wir haben auch eine Strategie entwickelt, wo wir sehr gut die speziellen Fähigkeiten der einzelnen Länder nutzen. So haben wir zum Beispiel in mehreren osteuropäischen Ländern Nearshore-Entwicklungszentren aufgebaut. Wenn man die Stärken der einzelnen Länder – egal ob Osteuropa oder im deutschsprachigen Raum – erkennt und in die Strategie einbaut, kann man, so ist es meiner Meinung nach möglich, nachhaltig zu wachsen.
Sie expandieren auch in Richtung Asien.
Speziell Singapur. Dort sind Unternehmen sehr offen für neue Technologien, die Customer Experience-Lösungen werden uns gleichsam aus der Hand gerissen. Wir gehen hier vor allem große und langfristige Projekte an. Software-Entwicklung in größerem Stil, Application Management, Architekturberatung, CRM bzw. Customer Experience. Die langfristigen Projekte erlauben uns organisches Wachstum. Unser Ziel ist es, 20 bis 25 Prozent pro Jahr zu wachsen.
Das Gespräch führte Wolfgang Franz.
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