Ralf Peters, CIO Agrana: „Die Cloud ist eine Chance, sich die Rosinen herauszusuchen“

Bei der Nutzung von Cloud-Services sind für Agrana-CIO Ralf Peters vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend: Einerseits die Kosten und andererseits die Flexibilität. [...]

Die Agrana Beteiligungs-AG mit Hauptsitz in Wien ist die Holding-Gesellschaft des international tätigen, österreichischen Agrana-Konzerns, der auf die Veredelung agrarischer Rohstoffe in den Geschäftssegmenten Zucker, Stärke und Frucht spezialisiert ist. Mit einem jährlichen Konzernumsatz von rund 2,5 Mrd. Euro und ca. 8.500 Mitarbeitern weltweit ist Agrana eines der größten börsennotierten Industrieunternehmen des Landes. Die Produktions- und Verkaufsstätten des Unternehmens befinden sich in 24 Ländern der Welt an insgesamt 54 Standorten. In Österreich ist Agrana vor allem für die Zuckerproduktion (Wiener Zucker) bekannt.
Wie viele andere große und weltweit agierende Unternehmen mit zahlreichen Standorten und komplexen Produktionsprozessen bezieht auch Agrana etliche IT-Ressourcen bereits aus der Wolke oder lagert bestimmte Bereiche an zuverlässige Partner aus. Im Fokus stehen bei Cloud Computing vor allem zwei Faktoren: Kosten und Flexibilität. Im Gespräch mit Tobias Höllwarth, Vorstand von EuroCloud Österreich, erklärt Ralf Peters, seit zehn Jahren CIO von Agrana, in welchen Geschäftsfeldern bereits Cloud-Services zum Einsatz kommen, welche Kompetenzen dafür seitens der IT-Mitarbeiter erforderlich sind und wie die digitale Transformation Innovationen im Business-Alltag ermöglicht. 
Was sind derzeit die wesentlichen Aufgaben in Ihrem Tätigkeitsbereich?
Als CIO der Agrana hat man dem Unternehmen gemäß eine internationale Aufgabe: eine funktionierende, den Business-Anforderungen entsprechende IT für alle Länder bereitzustellen, in denen Agrana aktiv ist – und zwar insbesondere in den drei Divisionen Zucker, Frucht und Stärke. Über diese Business-Funktionen hinweg ist letztlich auch die IT-Aufgabe zu definieren. Das bringt naturgemäß große Herausforderungen mit sich, denn Agrana ist in 24 Ländern der Welt – von den Fidschi Inseln über Europa bis nach Mexiko – mit Produktionen und Verkauf tätig, wobei es insgesamt 54 Standorte und 8.500 Mitarbeiter gibt. 
In welcher Form haben Sie sich bisher innerhalb der IT mit Cloud Computing beschäftigt?
Angesichts der zunehmenden Digitalisierung hat man als CIO die Aufgabe, den Business-Bezug zu allen IT-Lösungen herzustellen und jeweils den Vorteil für das Unternehmen aufzeigen. Es ist also eine Verbindungsfunktion zwischen den Business-Anforderungen und dem, was es von der IT-Leistung her intern braucht, um einen zuverlässigen Betrieb ohne eine Gefährdung durch irgendwelche Unwägbarkeiten zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen wir das Ganze kostengünstig und zugleich flexibel tun, um Innovationen zu ermöglichen. Cloud Computing bietet – je nach Hersteller bzw. Anbieter – unterschiedliche Services, von denen ich glaube, dass sie je nach Grundlage in unser Portfolio passen, um sie für diverse Ressourcen, die man kurzfristig braucht, zu nutzen. Aber auch längerfristig im Sinne eines Commodity Service oder im Zuge des Outsourcings bestimmter Services in die Wolke bzw. an zuverlässige Partner.
Wie unterscheiden Sie hier zwischen der Nutzung von Cloud-Services und Outsourcing bestimmter Dienstleistungen?
Der Unterschied zwischen Outsourcing und Cloud ist sehr schwimmend. Entscheidend ist, dass man die Dinge sehr leicht und schnell integrieren kann und hier eben die Flexibilität nutzt, um das anzubieten und einzubinden, was man notwendigerweise im Business haben muss, um den Erfolg auch entsprechend zu generieren.
Welche Art von Cloud-Services kommt dabei konkret zum Einsatz?
Die Palette geht über die gesamte Spannbreite, die Cloud heute bietet: vom Nutzen der Ressourcen, also beispielsweise Speicherplatz, bis zu ganzen, fertigen Business-Prozessen, aber auch Dienstleistungen, die nur in der Wolke angeboten werden. Dies ist allerdings eine Definitionssache: Es wird zwar gesagt, es kommt aus der Wolke, aber letztendlich steht dahinter ein Partner, der ein bestimmtes Service anbietet. Damit habe ich kein Problem – vorausgesetzt, es gibt hier auch entsprechende Standards, um die Schnittstellen zu definieren und so zu nutzen, dass die verschiedenen Wolken sinnvoll zusammengeführt werden können.
Welche Anforderungen sind entscheidend dafür, ob Cloud-Lösungen genutzt werden oder nicht?
Wenn man sich die Frage stellt, wann nutze ich die Cloud, dann sind zwei für mich Komponenten ausschlaggebend: Einerseits die Kosten und andererseits die Flexibilität, sprich Geschwindigkeit, in der ich eine gewisse Leistung bekommen kann. Hinsichtlich Kosten ist es relativ einfach, zu entscheiden, welches Service – vielleicht nur für einen temporären Bedarf – sinnvoll und verfügbar ist. Da sehe ich für Agrana sehr viele Themen, hier entstehen häufig viele spontane oder kurzfristige Nachfragen nach Ressourcen, die man sehr gut darüber abdecken kann, gleichwohl wir aber auch Outsourcing-Partner haben, die diese Anforderungen oft auch erfüllen können. Deren Cloud-Services nutze ich dann lieber, als mir irgendwen auf der Welt zu suchen, dessen Lösungen ich zwar kostengünstig haben kann, mir aber wieder das ganze Drumherum genau anschauen muss, sprich die Schnittstellen prüfen oder gar neu schaffen muss. 
Und wie verhält es sich hinsichtlich Flexibilität?
Die Komponente Flexibilität sehe ich als einen der wichtigsten Punkte der Cloud, weil ich glaube, dass wir mit dem „Best-of-breed“-Ansatz, der eine Zeit lang als Kostentreiber verteufelt wurde, die Chance haben, gute Services zu nutzen, die inzwischen sehr punktgenau angeboten werden. Dadurch lassen sich diese dann gemeinsam mit verschiedenen anderen Angeboten zu einem Gesamtkonstrukt verbinden, das fürs Unternehmen optimal nützlich ist. Wenn wir eine solche Lösung sicher und in sich integriert ins Unternehmen einbringen können, kann man davon nur profitieren.
Haben Sie auch Cloud-Services im Einsatz, die einen stark transformierenden Charakter haben und ihnen helfen, bestimmte Prozesse deutlich zu verändern?
Die Frage ist, ob die Cloud eine Innovation anders darstellt, als wenn ich sie selbst oder mit einem starken Partner entwickeln würde. Ich glaube, dass wir eine große Chance dadurch haben, dass das Cloud-Angebot heute sehr umfangreich und vielfältig ist und man sich daher quasi seine Rosinen heraussuchen kann. So entsteht letztlich ja auch Innovation, weil man die Dinge schneller realisieren kann. Ein Beispiel: Es gibt in der Cloud sogenannte Fertig-Bezahl-Plattformen, sodass man die ganze Abwicklung nicht selbst programmieren muss. Das ist bekanntlich eine extrem aufwändige, komplexe Geschichte, die man heute aus der Wolke beziehen und in seine Applikation integrieren kann. Hier kann man plötzlich neue Geschäfte andenken und realisieren, die früher an den Entwicklungskosten gescheitert sind. Als erstes muss aber immer der Gedanke da sein: Was will ich? Dann kann man in der Cloud sicherlich die passenden Komponenten finden, um es umzusetzen.
Der Bereich Transport ist gerade in Ihrem Business ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Bringen hier Cloud-Lösungen Vorteile, um etwa sichere, zuverlässige und schnell abrufbare Transporteure zu gewährleisten?
Die Nutzung der Cloud im Rahmen der Transporte ist vielfältig. Der große Nutzen ist sicherlich die reiche Erfahrung, was Angebote und Organisation betrifft. Wenn man aber spezielle Anforderungen betrachtet, wie zum Beispiel den Transport einer Zuckerrübe, sieht es ganz anders aus. Das ist kein Standardgeschäft, deshalb auch momentan nicht Cloud-kompatibel. Das ist genau die Unterscheidung, die man treffen muss: überall dort, wo man Commodity sucht und braucht, kann man die Angebote der Cloud sehr gut nutzen. Wenn man sehr speziell ist, wird es vielleicht Teilkomponenten geben, derer man sich per Cloud-Services bedienen kann, um schlussendlich jenen spezialisierten Service zu kreieren, den man für sein individuelles Business braucht.
Haben sie eine bestimmte Cloud-Strategie im Konzern?
Meiner Ansicht nach ist eine separate Cloud-Strategie nicht notwendig, weil sie sich aus den Anforderungen des Tagesgeschäfts sowie aus den langfristigen Entwicklungen eines Unternehmens ergibt. Für mich ist Cloud Computing ein Teil der Sourcing-Strategie und dort eines der vielen Dinge, die man definieren, organisieren und administrieren muss. 
Wie gehen Sie mit etwaigen Bedenken im Hinblick auf Cloud Services um bzw. wie erreichen Sie im Unternehmen eine vertrauensvolle Haltung gegenüber der Cloud?
Im Rahmen der Benutzung der Cloud oder gewisser Komponenten ist es wichtig, zu wissen, von wem das jeweilige Service kommt. Macht man eine gute Erfahrung mit einem Partner, stärkt es das Vertrauen und eröffnet oft auch weitere neue Dienstleistungen aus der Cloud. Inakzeptabel hingegen sind Angebote von Unternehmen, bei denen man nicht sagen kann, ob man denen eine solche Leistung bzw. das Knowhow zutraut und ob sie folglich ein zuverlässiger Lieferant sind. Bei dieser Herangehensweise der Differenzierung und Prüfung gibt es nicht wirklich Probleme hinsichtlich Akzeptanz von Cloud-Lösungen.
Wie stellen Sie intern das notwendige Knowhow der Mitarbeiter sicher, Cloud-Services entsprechend zu managen? Ist dies eine neue Herausforderung an die IT?
Es ist wichtig, Leute zu haben, die in der Lage sind, quasi als Integratoren zu fungieren, also über das Knowhow verfügen, wie man neue Cloud-Services ins bestehende System integrieren kann und worauf dabei zu achten ist. Zugleich müssen sie beurteilen können, ob entsprechende Schnittstellen vorhanden sind, sodass der notwendige Aufwand schon in einem frühen Stadium bewertet werden kann. Es braucht im IT-Bereich also Menschen, die einen Blick darauf haben, nicht nur wie was funktioniert, sondern auch, ob man es im Unternehmen zielführend nutzen kann. Die Basis dafür, ein Cloud-Service richtig zu nutzen, ist somit ein großes technisches Knowhow – mehr noch als das konkrete Verständnis für Business-Prozesse. Das wird sich aber vielleicht in den nächsten Jahren noch wandeln. 
Wie prüfen Sie, ob ein Cloud-Service eine Qualitätsstufe hat, mit der Sie zufrieden sind bzw. die zu Ihrer IT passt?
Die Qualität von Cloud-Services stellt eine riesige Herausforderung dar, weil viele der Lösungen aus der Wolke relativ neu entstanden sind. Man kann ihre Qualität daher oft nur durch Ausprobieren ergründen und eventuell ergänzend durch Referenzen beurteilen. Da man die Lösungen häufig sehr rasch integrieren muss, setzt man am besten auf verlässliche Partner. Dann ist die Gefahr, dass man falsch liegt, nicht ganz so groß. Oft ist man positiv überrascht, wie leicht alles funktioniert. Ebenso erlebt man aber auch negative Überraschungen, wenn etwas unerwartet schlecht oder gar nicht funktioniert. Insofern ist die Qualitätsprüfung immer noch sehr komplex. 
Was zeichnet Ihre Zusammenarbeit mit Microsoft aus?
Microsoft ist einer unserer verlässlichsten Partner. Auf den Fidschi Inseln beispielsweise, wo wir eine eher kleine Produktionsanlage betreiben, lohnt es sich nicht, eine extra Exchange-Infrastruktur zu haben. Also nutzen wir sehr intensiv Office 365 – nicht zuletzt auch als Testumfeld, um zu sehen, wie es funktioniert. Wichtig ist jedenfalls eine gute Integration in die eigene Infrastruktur und das funktioniert bei Microsoft sehr gut.

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