scc: „Krisen sollten immer als Chancen gesehen werden“

Der ITWelt.at-Roundtable über das Thema digitale Transformation brachte interessante Sichtweisen und spannende Insights. Hier die Statements von Tobias Kreiter, Line of Business Manager Supply Chain Management bei der scc EDV-Beratung AG. [...]

Tobias Kreiter, Line of Business Manager Supply Chain Management bei der scc EDV-Beratung AG. (c) timeline/Rudi Handl
Tobias Kreiter, Line of Business Manager Supply Chain Management bei der scc EDV-Beratung AG. (c) timeline/Rudi Handl

Darf die digitale Transformation Spaß machen?

Die digitale Transformation muss nicht nur Spaß machen, sie macht auch Spaß. Es ist wichtig, dass man die Menschen auf die Reise mitnimmt. Die Transformation ist nicht etwas, das man heute beginnt und übermorgen zu Ende bringt. Es ist ein Weg, auf dem man sich permanent befindet. Der Weg ist mit größeren oder kleineren Hindernissen versehen, die übersprungen werden müssen. In Summe macht es definitiv Spaß. Wir sind SAP- und Microsoft Implementierungspartner in Österreich. Gerade im Bereich der Lieferketten, die derzeit so prominent in den Medien sind wie kaum zuvor, sieht man, dass viele Fragen mit traditionellen Kommunikations- und Arbeitsweisen nur sehr schwer zu beantworten sind. 

Wo stehen KMUs bei der Transformation? Sehen Sie auch, dass der Schwung der Transformationen abgenommen hat? 

Das subjektive Empfinden des großen Pushes während der Pandemie hatte nicht nur berufliche Gründe, sondern auch einen privaten Hintergrund. Vielen haben Kinder, mit einem Mal war Fernunterricht nötig. Unser Bildungssystem ist ein gutes, aber war zu jenem Zeitpunkt vielleicht nicht das höchstechnologische. 

Ich finde es normal, dass sich diese Dinge in der öffentlichen Wahrnehmung nach einer gewissen Zeit wieder abkühlen. Die aktuelle Entwicklung ist auch in Verbindung mit makroökonomischen Trends zu sehen. Es sind genau jene Momente, die man nutzen sollte, um in Digitalisierungsprojekte und grundsätzlich in Effizienzsteigerungsprojekte zu investieren. Wir haben das Problem des Fachkräftemangels, die Knowhow-Träger stehen in Hochkonjunkturzeiten meist nicht zur Verfügung. In Phasen der Abkühlung gäbe es die Chance, sich zusammenzusetzen. Natürlich spielt auch die aktuelle begrenzte Budgetsituation hinein, die manche Pläne konterkariert. Mein Rat an KMU lautet: Jeden Abschwung, jede Krise als Chance zu sehen, gestärkt herauszukommen und Wettbewerbsvorteile für den nächsten Aufschwung zu finden. 

Wie unterscheiden Sie Digitalisierung und digitale Transformation? 

Ohne Digitalisierung keine digitale Transformation, aber nicht alles, was Digitalisierung ist, bedeutet auch Transformation. 

Wie gehen Unternehmen an das Thema KI heran? 

Die strukturierte Auseinandersetzung mit KI und anderen Themen der digitalen Transformation sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Auf der anderen Seite braucht man den Freiraum, manches auszuprobieren, selbst wenn man noch nicht genau weiß, wohin man will. Die Diskussion über KI wird nicht nur im unternehmerischen Bereich geführt, sondern auch im privaten. Da wie dort schwingt immer die Überzeugung mit, dass KI alles kann. Es fehlt aber das Wissen, was sie eigentlich ist. Es geht also darum, die Möglichkeiten und Herausforderungen aufzuzeigen. Es geht auch darum, KI maßgeschneidert auf die eigenen Problemstellungen einzusetzen. Das ist die große Herausforderungen, bei der der Faktor Mensch und die Kreativität wesentliche Faktoren sind. 

Wie wird Cloud aufgenommen?

Cloud hatte vor zehn Jahren denselben Status wie die KI heute. Jeder hat das Thema spannend gefunden, jeder hat sich ein wenig davor gefürchtet – Stichwort Datensicherheit. Diese Meinung hat sich in der Zwischenzeit stark verändert, die Hemmschwelle von früher ist mittlerweile nahezu verschwunden. In meinem Bereich, dem Supply Chain Management, geht es sehr stark um Kollaboration über Unternehmensgrenzen hinweg, was mit Cloud deutlich einfacher ist. 

Ich unterschreibe zu 100 Prozent, dass Cloud die digitale Transformation unterstützt, um Business-Modele neu zu denken. Auch beim Thema Nachhaltigkeit wird die Cloud immer wichtiger.

Wie beurteilen Sie die Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit? 

Man kann sagen, dass jede noch so kleine Effizienzsteigerung einen Nachhaltigkeitsaspekt hat. Und die digitale Transformation unterstützt Unternehmen auf dem Weg zu mehr Effizienz und Effektivität. Wenn man heute von Nachhaltigkeit spricht, dann liegt der Fokus sehr stark auf der Ökologie. Es gibt aber auch den Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit.

Aus digitaler Sicht ist das Thema Transparenz ein wesentlicher. Das Thema Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, das in Deutschland und EU-weit sehr prominent in den Medien vertreten ist, funktioniert nur über Vernetzung, Kollaboration und Transparenz. Da sehe ich die digitalen Technologien definitiv als ganz wesentlicher Enabler. Wir haben diesbezüglich in der letzten Zeit sehr viele Anfragen von Industrieseite. 

Wie stellte sich scc auf, um das Maximum aus der Transformation herauszuholen?

Es braucht die Kultur, um offen zu sein für neue Themen, neue Werkzeuge und neue Lösungsansätze. Es gibt Themen-Leader, die mit dem Rest der Beratungsmannschaft sehr intensiv kommunizieren müssen. Es braucht den Austausch zu den unterschiedlichsten Themen, um für die individuellen Bedürfnisse der Kunden die optimalen Lösungen zu finden. 

Im Beratungsgeschäft macht es einen großen Unterschied, ob es um eine klassische ERP-Einführung oder ein Transformationsprojekt geht – etwa von On-Premises auf Cloud, wo ich mit zweistelligen Beratungsteamgrößen unterwegs bin. Anders ist es bei spezifischen Supply Chain-Lösungen, wo man in Kleinstteams mit zwei, drei Personen agiert und gleichzeitig den Vorteil des Backbones einer knapp 300-Personen-Organisation genießt mit Experten und Expertinnen zu den unterschiedlichsten Themen. Wesentlich sind das Vernetzen des Wissens und das Offensein, wobei – bei aller Kreativität – der Blick immer auf das Wesentliche gerichtet sein sollte. Das zu leben, ist nicht immer leicht. Ich unterrichte an einer Fachhochschule und animiere meine Studenten und Studentinnen: Versucht, die Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkel zu sehen. 

Das Kundenunternehmen besteht aus den unterschiedlichsten Abteilungen und Fachbereichen, die womöglich unterschiedliche Interessenslagen haben. Unsere Aufgabe ist es, den Blick für das große Ganze zu haben, zu moderieren – bis hin zur Mediation. Ziel kann es nicht sein, zahllose Insellösungen zu schaffen. Es geht um ein gesamtheitliches „Single Point of Truth“, vielleicht mit angedockten Speziallösungen, wobei aber alle Komponenten miteinander kommunizieren. Schlimm wäre es, wenn die Vertriebsplanung nicht weiß, was die Produktionsplanung macht und umgekehrt. Die einzelnen Teile des Systems müssen miteinander interagieren können, damit man in Echtzeit die notwendigen Entscheidungen treffen kann. 

Sehen Sie die Transformation als Chef-Sache?

Ich glaube, dass es Teamsache sein muss. Natürlich braucht es das Commitment von der obersten Unternehmensleitung, sonst agiert man auf einem wackeligen Fundament: Beim ersten leichten Gegenwind stürzt alles in sich zusammen. 

Es braucht beides: Spezialisten und Generalisten, um die Transformation durchzuführen. Es braucht den Blick für das Ganze und das Wissen auf der Detailebene. 

Es wird immer Menschen geben, die keine Veränderung wollen, weil sie etwas schon immer auf eine bestimmte Weise getan haben. Man darf nicht glauben, dass die Experten und Expertinnen der digitalen Welt alles besser wissen. Es ist daher wichtig, zuzuhören, was die Gründe dafür sind, warum etwas auf eine bestimmte Art und Weise gemacht wird. Erst dann kann man die Vorteile der neuen Lösungen zielgruppengerecht darstellen. 

Was ist Ihr Ratschlag für eine erfolgreiche Transformation?  

Krisen sollten immer als Chancen gesehen werden. Es gibt immer wieder Entwicklungen, in denen Unternehmen mehr Zeit haben als in Hochkonjukturphasen, um Dinge neu zu denken und in den nächsten Aufschwung gestärkt hineinstarten zu können. Mein zweiter Tipp: Vernetzung, das heißt Wegkommen vom Silodenken zwischen Abteilungen, zwischen Werken, aber auch über die eigene Organisation hinaus. Gerade bei Lieferketten braucht es Vernetzung, Kollaboration und Austausch. 

Der ITWelt.at-Roundtable digitale Transformation vom 13. Februar 2024 kann hier nachgehört werden. 


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