„SMAC your business up!“: Die Rolle des CIO wird wichtiger

Pierre Hessler war im Verlauf seiner Karriere Direktor und CEO von Capgemini Consulting, von 2000 bis 2012 saß Hessler im Vorstand von Capgemini. Der heute 70-Jährige hat sich zwar aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, behält die IKT-Branche aber weiterhin im Blick. Im Interview spricht er über die Rolle des CIO, Cloud Computing, Schatten-IT, steigende IT-Budgets und die Auswirkungen des NSA-Skandals. [...]

Ist es denkbar, dass die Angst vor einer Schatten-IT die Investitionen der Fachabteilung kleiner werden lässt?
Wenn das Top-Management nicht erkannt hat, dass es einheitliche Lösungen für elementare Bereiche im Unternehmen geben muss, aber auch eine gewisse Autonomie für die Fachabteilungen, besteht die Gefahr einer immer größer werdenden Schatten-IT im Unternehmen. Das ist in der Vergangenheit ja schon oft passiert. Diese Unternehmen hatten aber große Schwierigkeiten, und haben lange gebraucht, um ihre IT wieder auf Schiene zu bekommen. Diese Sorge ist also berechtigt. Wir haben im Rahmen unserer Studien aber eine sehr wichtige Erkenntnis gewonnen. Um die digitale Transformation im Unternehmen zu schaffen, dürfen sich die Fachabteilungen nicht nach deren eigenen Vorstellungen transformieren. Eine digitale Transformation kann nur funktionieren, wenn das Top-Management eine absolut klare Vorstellung davon hat, wie und in welche Richtung sich das Unternehmen verändern und weiterentwickeln soll. Das kann nur als Top Down-Modell also von oben nach unten funktionieren.

Fachabteilungen sollen laut der Studie 2014 wieder mehr Geld für Hardware ausgeben. Liegt das an der größer werdenden Akzeptanz von Windows 8 in den Unternehmen oder der Tatsache, dass in den wirtschaftlich schwierigen Jahren wenig investiert wurde?
Offen gesagt, weiß ich das selbst nicht so genau, woran das wirklich liegt, aber ich denke Sie haben die wichtigsten Faktoren schon in Ihrer Frage erwähnt. Normalerweise werden Desktop-PC oder auch Notebooks in den Unternehmen etwa alle drei Jahre ausgetauscht, während der Wirtschaftskrise hat man eben vier oder fünf Jahre gewartet. Da es in diesem Bereich in den letzten Jahren auch keine signifikanten Veränderungen gegeben hat, spielt es für die Performance keine Rolle, ob ein PC nach drei, vier oder fünf Jahren ausgetauscht wird. Jetzt dürfte es aber schon ein Bedürfnis in den Unternehmen geben, die Hardware langsam wieder zu erneuern. Darüber hinaus müssen durch initiativen wie BYOD auch neue Geräteklassen wie Smartphones oder Tablets gekauft werden. Diese Geräte sind nicht billig, da benötigt es schon ein entsprechendes Budget. Ich denke also, dass dieser Trend eher ein temporäres Phänomen ist, das mit der Hoffnung auf wirtschaftlich bessere Zeiten und dem Wunsch nach neuartigen mobilen Geräten zu begründen ist.
 
CIO gehen laut der Capgemini-Studie auch davon aus, das Fachabteilungen 2014 weniger Geld für externe Cloud-Services ausgeben werden. Waren es 2013 noch 20,2 Prozent, sollen es heuer nur 10,7 Prozent sein. Liegt das vor allem an der Sicherheitsdebatte rund um die NSA?
Ich persönlich bin der Ansicht, dass die Cloud-Nutzung per se auch 2014 dramatisch zunehmen wird. Ich denke, dass der Rückgang auch auf einen Aspekt zurückzuführen ist, den ich vorher erwähnt habe, nämlich dass diese Entscheidungen wieder vermehrt vom CIO getroffen werden. Diese Statistik ist also nicht so zu lesen, dass die Cloud-Ausgaben, egal ob intern oder extern, sinken werden, sie werden nur nicht mehr so häufig von den Fachabteilungen getroffen sondern direkt von der Geschäftsführung bzw. dem CIO. Sie haben aber sicherlich auch Recht, dass die NSA-Debatte eine Rolle spielt. Unternehmen wurden dadurch einfach vorsichtiger, die Naivität im Umgang mit der Cloud hat dadurch drastisch abgenommen. Ich denke, dass es hier aber nicht um ein europäisches oder US-amerikanisches sondern ein globales Phänomen geht. Es fällt den Unternehmen auch nicht schwer, potenziellen Kunden zu demonstrieren, dass die Daten in einer Cloud auf einem Server mindestens genauso sicher – wenn nicht sicherer – sind als in einem Computer Center oder direkt beim Unternehmen vor Ort. Ein kleines Unternehmen wird niemals in der Lage sein, seine Daten so gut zu beschützen wie ein Anbieter aus dem Enterprise-Umfeld, der auch noch auf diese Dienstleistung spezialisiert ist. Wir als Individuen verlassen uns aber schon seit vielen Jahren auf die Cloud, weil die Dienste billig und einfach zu nutzen sind.
Nicht koordinierte Cloud-Lösungen in Unternehmen sorgen für Probleme, das liegt aber nicht an der Cloud oder der Sicherheit der Daten in der Cloud sondern eher an einem Silo-Charakter der Lösung, die von der restlichen IT-Infrastruktur abgetrennt wird. Das dürfte auch der Hauptgrund sein, warum Fachabteilungen weniger Geld für Cloud-Services ausgeben. Das heißt aber wie gesagt nicht, dass das Geld gar nicht ausgegeben wird.

Teilen Sie die Ansicht, dass österreichische oder europäische Anbieter vom NSA-Skandal profitieren können?
Das glaube ich nicht unbedingt. Große IT-Anbieter wie Microsoft, Google oder Amazon verstehen die Dynamik aber auch die Probleme der Globalisierung sehr gut und haben auch eine globale Strategie. Daher wissen diese Anbieter genau, dass sie Geld verlieren werden, wenn sie den Bedürfnissen der europäischen Kunden nicht gerecht werden. Es wird also maßgeschneiderte Lösungen für europäische Kunden geben, wo die Daten auch in Europa liegen. Eine eigen Cloud für ein bestimmtes Land oder einen Kontinent wird es nicht geben, weil ja einer der Vorzug der Cloud die einfache Grenzüberschreitung ist. Gerade für global agierende Unternehmen ist das sehr wichtig. Ich sehe also durch den NSA-Aspekt keinerlei Vorteile für europäische Anbieter.

Das Gespräch führte Alex Wolschann.

Pierre Hessler
Pierre Hessler begann seine Karriere 1965 bei IBM in der Schweiz und war CVP und General Manager Marketing für IBM Europe. Zu Capgemini kam Hessler 1993, zuletzt war er Direktor und CEO von Capgemini Consulting. Von 2000 bis 2012 saß Hessler im Vorstand von Capgemini. Der heute 70-jährige ist dem Unternehmen eng verbunden, hat sich aber aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.


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