Smart Home: Das Ende der Insellösungen

Das Thema Smart Home steht und fällt mit der Kompatibilität der Einzelkomponeten. Mit dem offenen Standard Matter wachsen ehemals getrennte Welten zusammen. ITWelt.at sprach mit Reinhard Paulnsteiner, Consultant Austria & Europe bei Z-Wave Europe, Office Vienna. [...]

Reinhard Paulnsteiner, Consultant Austria & Europe bei Z-Wave Europe, Office Vienna (c) Reinhard Paulnsteiner
Reinhard Paulnsteiner, Consultant Austria & Europe bei Z-Wave Europe, Office Vienna (c) Reinhard Paulnsteiner

Sie waren lange Zeit für D-Link als Country Manager Austria verantwortlich. Seit wann sind Sie im Bereich Smart Home aktiv? 

Ich bin etwa seit sieben Jahren im Bereich Smart Home tätig, und zwar für ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland: die Aeotec Group, die in enger Kooperation mit Samsung steht. Wir beschäftigen uns in erster Linie mit Smart Home-Funktechnologie. Bekanntlich gibt es kabelgebundene Systeme sowie Funktechnologie. Es braucht in der Regel Stemmarbeiten, um ein Bussystem mit Kabel zu installieren, was nicht gerne gesehen wird, weil sehr aufwendig. Daher setzen wir auf die Funktechnologie. 

Warum nicht gleich WLAN, das in den meisten Haushalten verfügbar ist?

Einfache Antwort: Bei einem Tür-Fenster-Kontakt als Beispiel wäre die Batterie alle drei Wochen leer. Das heißt, WLAN benötigt viel mehr Energie als andere drahtlose Technologien. Man darf nicht vergessen: WLAN geht auf die 1990er-Jahre zurück. Aktuelle Funktechnologie ist für die sehr kleinen Komponenten viel besser geeignet.   

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Bereiche beim Thema Smart Home?

Wir haben aktuell drei Bereiche identifiziert: Sicherheit, Komfort und Energiemanagement. Beim Thema Sicherheit geht es nicht nur um Einbruchsicherheit. Mit einem Türkontakt und einer Meldung auf dem Handy lässt sich einiges machen. Man darf das jedoch nicht mit einer Alarmanlage verwechseln, da dies ein genormter Begriff ist. Es geht auch darum, beispielsweise bei einem Wasserrohrbruch oder einer fehlerhaften Wärmepumpe entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Mit einem Bodensensor und einem smarten System dahinter, das im Fall der Fälle den Strom abschaltet, kann man Schlimmeres vermeiden.  

Im Bereich Komfort gibt es etwa bei der Licht- und Heizungssteuerung sehr viele smarte Möglichkeiten. Immer interessanter wird das Thema Energiemanagement – Stichwort Nachhaltigkeit. Ich habe ein kleines Balkonkraftwerk im Garten installiert: Das ist eine kleine Photovoltaikanlage, die in Österreich maximal 800 Watt produzieren darf und daher keine Genehmigung benötigt. Ich muss sie nur dem Energieanbieter melden. Mit 800 Watt lässt sich nicht allzu viel betreiben, Beleuchtung, Kühlschrank, ein paar Kleinigkeiten mehr. Produziere ich mehr Energie als benötigt, wird der Strom ins Netz eingespeist, ich erhalte aber nichts dafür. Eine zentrale Rolle spielt die Frage, wie intelligent die Software im Hintergrund ist. Es gibt Energieverbraucher wie ein Kühlschrank, der laufend mit Strom versorgt werden muss. Anders eine Waschmaschine, die am besten dann läuft, wenn mein Balkonkraftwerk Strom erzeugt, also untertags. 

Sie verantworten die österreichische Vertretung von Z-Wave. Was verbirgt sich dahinter?  

Die Firma Z-Wave hat die Z-Wave-Technologie 2008 nach Europa gebracht. Der technologische Mastermind und Firmengründer ist Dr. Christian Paetz. Z-Wave ist einer der zwei wesentlichen Funk-Standards im Bereich Smart Home. Der zweite ist ZigBee, mit dem etwa das Beleuchtungssystem von Philips oder die meisten IKEA-Produkte arbeiten. Zur Z-Wave-Allianz wiederum gehören über 600 Hersteller und Dienstleister. Seit 2020 gibt es eine enge Zusammenarbeit mit Samsung. Mit Matter existiert nun ein quasi übergeordneter offener Standard, der beide Welten verbindet.

Warum arbeitet Samsung mit Z-Wave zusammen und nicht mit einem der großen Broadliner? 

Einer der Gründe ist wohl, dass wir auf das Thema Smart Home spezialisiert sind. Der zweite ist, dass wir mit dem Aeotec Smart Home Hub als SmartThings Hub eine Lösung haben, mit der Endkunden Geräte aus beiden Welten einbinden können. Damit ist nicht nur Hardware aus den drei Bereichen gemeint, die ich zuvor genannt habe – Sicherheit, Komfort und Energiemanagement –, sondern auch Haushaltsgeräte, beginnend bei der Klimaanlage bis hin zur Mikrowelle und Waschmaschine. Auf Wunsch bekommen Sie zum Beispiel eine Meldung, wenn die Wäsche fertig ist. Hier eröffnet sich ein riesiges Anwendungsfeld.

Die Versprechungen von Smart Home gibt es schon lang, in der Praxis waren die Anwendungsmöglichkeiten beschränkt. 

Unter dem Oberbegriff Smart Home konnte man unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Fernbedienungen und verschiedenen Apps kaufen. Nichts spielte zusammen. Mit SmartThings von Samsung habe ich eine einzige App auf dem Handy, dem Tablet oder dem Browser des PCs, über die ich zentral alle meine smarten Geräte steuern kann.   

Kann man Ihr Unternehmen als Value Added Distributor im Bereich Smart Home bezeichnen? 

Absolut! Wir kümmern uns um die Logistik, die Verteilung an den Handel und bieten Beratungsleistung für unsere Wiederverkäufer. Ich selber bin für die Vertriebsgebiete Österreich, Südeuropa und die adriatischen Länder verantwortlich. Die Beratungsleistung besteht etwa darin, dass wir unseren Kunden, die beispielsweise ein Projekt mit mehreren Wohneinheiten haben, Empfehlungen abgeben. 

Mit wie vielen Handelspartnern arbeiten Sie in Österreich zusammen?

Mit rund zehn Unternehmen, ich hätte gern mehr. Hier sind viele Elektronikketten unterwegs, die aber nicht fokussiert sind. Wie ich vor sieben Jahren begonnen habe, hat eine Handvoll Elektrounternehmen nach einem neuen Betätigungsfeld gesucht. Das Thema war aber volumsmäßig wenig interessant. Heute aber kommt man um das Thema nicht mehr herum, da die Menschen immer stärker nach smarten Lösungen und Hausautomatisierung nachfragen. 

Wie sieht es mit Installateuren aus?

Sie sind natürlich eine potenzielle Zielgruppe, da die Energiepreise in die Höhe geschossen sind. Klimaerwärmung ist ein weiterer Treiber. 

Welche generellen Trends sehen Sie im Bereich Smart Home?

Man möchte, dass all die Insellösungen der Vergangenheit zusammenspielen. Was ich nicht möchte, ist, die Wände aufstemmen, daher steht Funktechnologie ganz oben.  

Welche Rolle spielt KI? 

In Form von Machine Learning wird KI eine sehr große Rolle spielen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Daher geht es darum, die Gewohnheiten aufzuzeichnen und als lernendes System entsprechend zu agieren. Voraussetzung ist, dass die einzelnen Teile stärker zusammenwachsen – in dieser Phase befinden wir uns gerade. Bei der letzten CES in Las Vegas hat man gesehen, wie stark Samsung mit SmartThings vertreten war – und nicht nur in den üblichen Bereichen, sondern auch bei Geräten wie Wärmepumpen und PV-Anlagen.    

Fortschritte bei IoT bedeuten auch mehr potenzielle Angriffsvektoren für Cyberkriminelle. Wie sieht es mit der Sicherheit im Smart Home-Bereich aus?

Security ist natürlich ein sehr großes Thema. Ich weiß von Z-Wave, dass hier wie in der Netzwerktechnologie mit fünf Security-Layern operiert wird. Sämtliche Übertragungen sind verschlüsselt. Es gibt zudem unterschiedliche Sicherheitslevels – je nachdem, um welches System es sich handelt. Bei der Eingangstür, die ich über mein Smart Home-System mit dem Handy öffnen oder versperren kann, gelten andere Kriterien als bei der Regulierung der Temperatur. Wichtig ist, dass die Lösungen wie bei uns von Haus aus einen hohen Security-Level mitbringen. Es gilt hier wie überall auch: Der Mensch ist nach wie vor, vorsichtig formuliert, der größte Risikofaktor. 

Bei Smart Home denkt man meist an eine Verbesserung des Komforts. Die Technologie kann aber auch einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität und Sicherheit leisten, etwa bei pflegebedürftigen Personen. 

Da sind wir beim Thema Ambient Assistant Living, kurz AAL, hier gibt es sehr viele Möglichkeiten.    

Wo sehen Sie bei der generellen Entwicklung im Bereich Smart Home besonders viel Luft nach oben? 

Bei der Kompatibilität. Hersteller stehen immer vor demselben Dilemma: Mache ich etwas Proprietäres, das so toll ist, dass die Kunden nicht daran vorbei kommen, oder setze ich auf Offenheit und überzeuge mit Qualität der Produkte und Services? Mit dem Matter-Standard sind wir jedenfalls einen großen Schritt weiter in Sachen Kompatibilität.  

Welche Neuigkeiten gibt es bei Z-Wave? 

Z-Wave Europe hat kürzlich einen neuen „Works with SmartThings“ Store eröffnet, der Produkte anbietet, die speziell mit dem SmartThings-Ökosystem kompatibel sind. Dieser Shop entstand in enger Zusammenarbeit mit Samsung und ist auch in die SmartThings-App integriert, die weltweit von mehreren Millionen Menschen genutzt wird. Der Store startete zunächst in Deutschland und wird noch in diesem Jahr auf ganz Europa und die USA ausgeweitet, wobei Österreich als nächstes Land an der Reihe ist. Durch diese gezielte Produktpalette wird Kunden die Unsicherheit beim Kauf genommen, da sie sicher sein können, dass die angebotenen Produkte problemlos mit ihrem SmartHome-System funktionieren.

Weitere Infos zum Thema finden Sie hier.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*