Softwaretesting als Schlüssel zum digitalen Wandel

Im Zeitalter der Digitalisierung müssen bereitgestellte Dienste qualitativ hochwertig sein und einfach rund um die Uhr funktionieren. Ohne automatisiertes Software-Testing zur Qualitätskontrolle wäre dies alles überhaupt nicht möglich. [...]

Roland Tscheinig, Eigentümer und Geschäftsführer von OBJENTIS Software Integration: "Angst vor der Digitalisierung habe ich nicht, wohl aber Sorge. Jede Entwicklung hat zwei Seiten." (c) Roland Tscheinig

Der digitale Wandel bewegt sich in einer sehr hohen Geschwindigkeit in die Zukunft. Im Zeitalter der Digitalisierung müssen bereitgestellte Dienste qualitativ hochwertig sein und einfach rund um die Uhr funktionieren. Ohne automatisiertes Softwaretesting zur Qualitätskontrolle wäre dies alles überhaupt nicht möglich, wie Roland Tscheinig im Interview verrät. Den österreichischen Experten für Softwaretesting und CEO bei OBJENTIS Software Integration prägen soziale Verantwortung und unternehmerische Umsicht, zudem zeichnen ihn seine Kreativität und Visionen besonders aus. Ein sehr spannendes Interview zum Thema Software-Testing und dessen Entwicklungen, die von künstlicher Intelligenz geprägt sind, mit einem Unternehmer, der über ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz verfügt und trotz seines Erfolges immer den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Können Sie uns kurz beschreiben, was Ihre konkreten Aufgaben als Eigentümer und Geschäftsführer bei der OBJENTIS sind, was Ihr Unternehmen genau macht und wie Sie dem digitalen Wandel beruflich begegnen?
Wie in den meisten eigentümergeführten Unternehmen habe ich eine Doppelrolle: einerseits Entrepreneur, andererseits Manager. Als Entrepreneur versuche ich, Innovationen in unserem Unternehmen anzustoßen, zu fördern, zu ermöglichen. Und natürlich muss ich mich als Geschäftsführer auch um das operative Geschäft kümmern und dafür sorgen, dass der Betrieb läuft. OBJENTIS ist ein IT-Unternehmen, das als Dienstleister große Organisationen in Fragen von Softwaretests und Qualitätssicherung unterstützt und Werkzeuge für eben diese Aufgaben entwickelt. Wir sind damit eine Firma, die im angesprochenen Bereich den digitalen Wandel aktiv mitgestalten will. Denn wir sind überzeugt, dass die Art und Weise, wie Software entwickelt wird, sich in den nächsten Jahren massiv verändern wird.

Roland Tscheinig, Eigentümer und Geschäftsführer von OBJENTIS Software Integration: „Die Art und Weise, wie wir Software entwickeln, wird sich in den nächsten Jahren massiv verändern.“
(c) Wiedenbeck/CARE

Sie beschäftigen sich ja intensiv mit dem Thema Softwaretesting, unter anderem auch in Zusammenhang mit Artificial Intelligence, es ist quasi Ihr tägliches Brot. Die Verarbeitung von Benutzerverhalten und maschinelles Lernen verlangen sicherlich auch eine hohe Verantwortung – nicht zuletzt auch im Umgang mit den angesprochenen AI-Technologien in Zusammenhang mit Softwaretesting. Ein sehr aktuelles Thema ist daher Maschinenethik und Datenkultur. Was verstehen Sie konkret darunter und ist das wirklich ein Thema – speziell in Ihrem Business-Umfeld?
Wir testen fast immer Programme, nicht Daten. Es geht also darum, ob etwa ein Programm Eingaben auf Fehler überprüft, ob die Daten korrekt verarbeitet und abgelegt werden. Dies können wir auch mit synthetischen Daten – dadurch schließen wir aus, dass Echtdaten in Testsystemen verwendet werden. Und für diese Tests setzen wir AI ein, arbeiten mit Bild- und Spracherkennung – wir vermeiden also Probleme der Datensicherheit. Ich will mich aber nicht so einfach aus der Verantwortung nehmen: Maschinen werden künftig Entscheidungen treffen, die ethische Fragen berühren.

Wir als Gesellschaft sind darauf kaum vorbereitet, die technische Entwicklung ist hier dem gesellschaftlichen Diskurs voraus. Um nur ein Beispiel für die Problematik aus dem Business-Bereich zu nennen: Robot-Recruiting erlebt einen Hype, Lebensläufe werden automatisch ausgewertet, auch Sprachanalyse wird eingesetzt. Im Vordergrund standen ursprünglich die Effizienzsteigerung und die Objektivierung des Prozesses. Doch mittlerweile tauchen erhebliche Zweifel auf: Studien des deutschen Büros für Technikfolgenabschätzung konnten zeigen, dass diese Art von Recruiting Diskriminierung nicht ausschließen kann und sie in bestimmten Fällen sogar verstärkt. Künftig, so glauben wir, wird der funktionale Test von Software weitgehend oder ganz automatisch erfolgen können, daher wird umso intensiver zu prüfen sein, welche Implikationen ein Programm mit sich bringt. In einigen Jahren, davon bin ich überzeugt, wird es auch Maschinenethik-Tests geben – durchgeführt von Philosophinnen und Philosophen gemeinsam mit Technikerinnen und Technikern. Da möchten wir gerne dabei sein.

Mit Ihrem Team haben Sie auch eine KI-Software ins Leben gerufen, um im Bereich Softwaretesting noch effizienter automatisieren zu können. Was macht gerade Ihre KI-Software zu etwas Besonderem? Wie funktioniert Ihre Software und was macht diese genau? Können Sie uns hier einen Einblick geben, wie KI im Softwaretesting-Markt den Menschen unterstützen kann?
Eine Software ist äußerst komplex und vielfach vernetzt – sie muss in immer kürzeren Intervallen entwickelt oder angepasst werden. Dazu kommt, dass sie auf ganz unterschiedlichen Endgeräten laufen und von ganz verschiedenen Menschen eingesetzt werden soll. Damit steigt auch der Aufwand für den Test. Manuelles Testen ist teuer und – noch relevanter – langsam. Eine Testautomation erledigt diese Aufgabe viel rascher – aber sie muss eingerichtet, angepasst werden. Damit läuft auch sie der Entwicklung hinterher. Wir entwickeln ein Tool, das eine Lösung testet wie ein Mensch: Eine AI erkennt die Elemente der Bildschirmmaske, gibt Testdaten ein und überprüft die Ergebnisse. Vollkommen autonom, egal, um welches Gerät es sich handelt. Und das Beste: wie viele AI-Lösungen lernt dieses Programm selbstständig! Die Erkennung und der Test werden damit immer besser.

„Mit der Digitalisierung droht die Entmündigung. An dieser Entwicklung sind wir alle beteiligt: Es ist eben bequem, digitale Werkzeuge im Alltag zu nutzen, das Smart Home ist praktisch und die Kameras im öffentlichen Raum versprechen Sicherheit. Die gedankenlose Anwendung all dieser praktischen Helfer führt zur „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, um Kant zu zitieren. Und dagegen hilft nur Aufklärung, auch die bewusste Entscheidung gegen manches, was möglich ist.“

Roland Tscheinig, Eigentümer und Geschäftsführer von OBJENTIS Software Integration

Im Grunde ersetzt unser Tool viel an manueller, aber auch geistiger Routinetätigkeit. Die Überprüfung der Funktionalität, die korrekte Darstellung, aber auch die Accessibility eines Programmes werden in Zukunft automatisch und ohne menschlichen Eingriff erfolgen. Den Tester*innen bleibt damit Zeit für wirklich relevante Fragen, etwa ethische Fragen den Test betreffend.

Sie sind ja auch Visionär und nutzen moderne Technologien, wie wir bereits gehört haben. Welche drei Trends sehen Sie in Ihrem Arbeitsumfeld, mit denen Sie sich als Eigentümer und Geschäftsführer aktuell neben KI beschäftigen? Welche Technologien werden Sie in naher Zukunft begleiten? Wie wird das Ihr heutiges Business beeinflussen, vor allem als Verantwortlicher einer Technologiefirma?
Ich bin da vorsichtig, angesagte Trends finden meist nicht oder ganz anders statt. Da sind auf der einen Seite technologiegetriebene Veränderungen: AI wird zunehmend unser Leben durchdringen, Cloud-Angebote wie Software as a Service (SaaS), Platform as a Service (PaaS) oder sogar Infrastructure as a Service (IaaS) werden an Bedeutung gewinnen. Auch IoT, das Internet der Dinge, um das es nach einem Hype wieder ruhiger geworden ist, entwickelt sich rasch weiter. Parallel dazu treibt die IT auch gesellschaftliche Entwicklungen voran: Nach der Automation der manuellen Routinetätigkeiten erfolgt jetzt die Automation der kognitiven Routinen – der menschenleeren Fabrikshalle folgt das menschenleere Büro. Auch unser Testtool geht in diese Richtung: Routinemäßiges Testen übernimmt ein Automat.

Auf der anderen Seite kommen riesige Herausforderungen auf die Gesellschaft zu: Da ist der demografische Wandel, da ist die Veränderung des Klimas. Es wird hoffentlich undenkbar, dass künftig für Bitcoins unglaubliche Mengen fossil erzeugter Energie verbraucht werden. Der Zukunftsforscher Horx beschreibt Megatrends, etwa die zunehmende Konnektivität, maßgeblich beschleunigt durch die IT. Übrigens: Ein Megatrend laut Horx ist der Gender-Shift: Die Geschlechterrollen werden sich verändern und das wird auch in der IT spannend: Noch immer ist der Frauenanteil in der IT beschämend niedrig. Wir brauchen mehr Diversität in der IT. Auch da versuchen wir, etwas dazu beizutragen.

Roland Tscheinig, Eigentümer und Geschäftsführer von OBJENTIS Software Integration: „Wir entwickeln ein Tool, das eine Lösung testet wie ein Mensch: Eine AI erkennt die Elemente der Bildschirmmaske, gibt Testdaten ein und überprüft die Ergebnisse.“
(c) Roland Tscheinig

Wenn ich Sie als digitalen Experten noch direkt fragen darf: Haben Sie persönlich auch Angst vor der Zukunft, wenn wir uns als Menschen durch die Digitalisierung und den digitalen Wandel eine neue, disruptive Welt schaffen? Müssen wir uns als Gesellschaft – und auch jeder Einzelne – noch mehr um unsere Daten und was damit passiert kümmern? Müssen wir um unsere Daten kämpfen?
Angst ist ein schlechter Ratgeber, heißt es. Nein, Angst habe ich nicht, wohl aber Sorge. Jede Entwicklung hat zwei Seiten. Der große Wiener Evolutionsbiologe Rupert Riedl meinte einmal: „Mit den Nervensystemen kam der Schmerz, mit dem Bewusstsein die Angst und mit dem Besitz die Sorge in die Welt.“ Ich möchte anfügen: „Mit der Digitalisierung droht die Entmündigung.“

An dieser Entwicklung sind wir alle beteiligt: Es ist eben bequem, digitale Werkzeuge im Alltag zu nutzen, das Smart Home ist praktisch und die Kameras im öffentlichen Raum versprechen Sicherheit. Die gedankenlose Anwendung all dieser praktischen Helfer führt zur „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, um Kant zu zitieren. Und dagegen hilft nur Aufklärung, auch die bewusste Entscheidung gegen manches, was möglich ist.

* Der Autor Nahed Hatahet ist Transformationsexperte, Speaker, Berater und Mentor.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*