Vor rund eineinhalb Jahren wurde SuccessFactors Teil der SAP-Familie. Wie läuft die Eingliederung aus Sicht der Mitglieder der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe? [...]
Vor rund eineinhalb Jahren wurde SuccessFactors Teil der SAP-Familie. Wie läuft die Eingliederung in die SAP-Produktfamilie aus Sicht der Mitglieder der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) e.V.? Wie soll das Thema in den Arbeitskreisen verankert werden? Wie läuft der Informationsfluss von SAP zur Integration von SuccessFactors? Viele Fragen und klare Antworten von Bodo Martensen, Sprecher des Arbeitskreises Personalwesen (HCM), und Cornelius Fleiner, Sprecher der Arbeitsgruppe Qualifizierung und Training.
Wie stellt sich das Thema SAP und SuccessFactors für die DSAG dar?
Bodo Martensen: Im Grunde genommen haben wir es hier mit zwei konkurrierenden Produkten zu tun, die wir als DSAG-Arbeitskreis Personalwesen (Human Capital Management; HCM) einordnen und auf irgendeine Art berücksichtigen müssen. In diesem Sinne versuchen wir gemeinsam mit SAP, die notwendige Aufklärungsarbeit unter den Mitgliedern zu forcieren, um den strategischen Weg von SAP und SuccessFactors zu verdeutlichen. Denn vor allem die saubere Abgrenzung, z. B. hinsichtlich des SAP-Talentmanagements und der Lösung von SuccessFactors wird von SAP noch nicht ausreichend erklärt.
Das Talentmanagement ist ein gutes Beispiel. Wie lässt sich daran der Anspruch von SAP, das Beste aus zwei Welten zu verknüpfen, aufzeigen?
Martensen: Genau zwischen diesen beiden Welten stehen aktuell die Integrationsbemühungen von SAP und SuccessFactors. Das sind die sogenannten hybriden Modelle. In diesem Fall mit dem bekannten SAP ERP HCM als On-Premise-Lösung im Unternehmen und das Talentmanagement von SuccessFactors in einer Cloud. Das ist der Stand, mit dem wir uns als DSAG-Arbeitskreis derzeit beschäftigen. Grundsätzlich sind wir im Arbeitskreis aber der Meinung, dass das „Beste aus zwei Welten“ funktionieren kann und erfolgreich sein wird.
Was prädestiniert Personalmanagement-Lösungen, mit Cloud-Computing in Verbindung gebracht zu werden?
Martensen: Ich glaube, das kommt aus dem angelsächsischen Bereich, wo die Themen Outsourcing von Geschäftsprozessen und Cloud-Lösungen schon länger etabliert sind. In Deutschland kämen meiner Meinung nach nur sehr wenige Unternehmen auf die Idee, eine SAP-Lösung bzw. ein Personalwirtschaftssystem in einer Cloud zu betreiben, ohne die reichlich vorhandenen Bedenken zu analysieren. Man darf jedoch nicht vergessen, Cloud-Computing wird auch heute noch als Business Process Outsourcing, Application Management oder Hosting bezeichnet. Das neue an einer Cloud-Lösung ist so gesehen lediglich, dass ich mich als Unternehmen auf eine vorgefertigte Lösung einlasse und bewusst Einschränkungen in puncto Flexibilität in Kauf nehme.
Cornelius Fleiner: Ich würde noch ergänzen, dass SAP im Bereich HCM bei den weichen Themen, also alles, was sich unter dem Begriff Talentmanagement zusammenfassen lässt, etwas zu wenig getan hat. Dazu zählen z. B. Learning Management, mit dem Lernstrategien entwickelt werden können oder die Nachfolgeplanung (Succession Management), Mitarbeiterförderung (Career & Development Planing) und das Goal Management, bei dem Mitarbeiter auf die Unternehmenszeile ausgerichtet werden. Die ganzen Spezialanbieter von Talentmanagementsoftware waren da einfach schneller und besser. Natürlich muss man auch sehen, dass die Entwicklungszyklen bei einer Cloud-Lösung viel kürzer sind. Meist gehen die Kunden dabei in Zyklen von drei Monaten auf die jeweils aktuellste Version. SAP muss bis ca. zehn Jahre zurück alle Versionen unterstützen und kann sich folglich nicht voll und ganz auf entsprechende Neuentwicklungen in dem Bereich konzentrieren.
Ist das Talentmanagement auch ein gutes Beispiel für den Slogan „Das Beste aus zwei Welten“, mit dem SAP ihre Akquisition bewirbt?
Martensen: Das Beste aus zwei Welten mag das Ziel sein, das SAP erreichen möchte. Aber gegenwärtig ist es noch nicht möglich, sozusagen die Legosteine aus beiden Applikationen zu einer passenden HR-Lösung zusammenzustecken. Im Gegenteil. Es gibt noch einige technische Restriktionen, die nur sehr rudimentäre Integrationsszenarien zulassen.
Welches konkrete Beispiel können Sie dazu geben?
Martensen: Angenommen, ich habe bereits gewisse Applikationen wie eine Gehaltsabrechnung und ein Organisationsmanagement im Haus und interessiere mich jetzt für ein Lern-Management-System. Dann kann ich Stand heute nicht aus SAP und SuccessFactors jeweils die Funktionalitäten aussuchen, die ich nutzen möchte. Bislang gilt hier nur entweder – oder.
Fleiner: Natürlich gibt es mittlerweile Benutzeroberflächen im SAP, die denen von SuccessFactors weitestgehend ähnlich sind. Und natürlich hatte SAP auch in der Vergangenheit keine komplett einheitlichen Oberflächen. Aber man nähert sich an, in allen Bereichen. Beispielsweise bei den Self-Service-Szenarien ähneln sich die Oberflächen schon sehr stark. Der Endanwender kann den Unterschied eigentlich nicht mehr erkennen.
Martensen: Das sehe ich auch so. Die neuen User-Interfaces treiben den Zusammenschluss der beiden Systeme schon voran. Das passt schon ganz gut. Und wenn die Benutzeroberfläche gangbar ist, dann gelingt auch die Prozessintegration immer mehr. Allerdings sind die Prozess- und Datenintegration aber auch sehr stark abhängig von der technologischen Basis, auf der die Verknüpfung erfolgt. Da bedarf es seitens der SAP noch etwas mehr Anstrengungen, um die Kommunikation zwischen den Systemen zu verbessern.
Wo müssen die Anstrengungen ansetzen, um die beiden Systeme zusammenzuführen?
Martensen: Die Integration ist definitiv die Hauptaufgabe, die ich für SAP sehe. Denn neben dem neuen Markt, den sich SAP mit dem Cloud-Computing durch SuccessFactors erschließen möchte, sollten ja auch die Bestandskunden für die Lösungen gewonnen werden. Dafür müssen diese ohne großen Aufwand auf die Karte SuccessFactors setzen können und gleichzeitig ihr altes System beibehalten können. Ferner gilt es, die Vorteile von Cloud-Lösungen wie z. B. kürzere Einführungsphasen noch deutlicher herauszustellen. Außerdem muss das bestehende SAP-HCM-Talentmanagement fortgeführt werden, damit die Unternehmen eine echte Wahlmöglichkeit erhalten und für sich das „Beste aus zwei Welten“ umsetzen können.
Wie positioniert sich der Arbeitskreis vor diesem Hintergrund?
Fleiner: Als Arbeitskreis müssen wir klar definieren, wo wir mit dem Thema eigentlich hinwollen. Das andere, was wir bereits von Anfang an seit der Anbindung von SuccessFactors vorantreiben, ist die Aufklärungsarbeit. Für unsere Mitglieder müssen wir herausfinden, was SAP mit dem Hybridmodell genau meint. Wo liegt die Abgrenzung zwischen Cloud und on demand. Hierzu gilt es noch, die eine oder andere Diskussion mit SAP zu führen, um klare Definitionen zu erhalten.
Also wird es bald auch einen DSAG-Arbeitskreis oder eine Arbeitsgruppe SuccessFactors geben?
Martensen: Ich sträube mich noch etwas dagegen, ein entsprechendes Gremium aufzubauen. Denn erstens ist SuccessFactors an sich nicht SAP. Und wir sind nun mal eine SAP-Anwendergruppe. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass sich für vorgefertigte Cloud-Lösungen wie SuccessFactors eine Arbeitsgruppe nicht lohnt. Gerade im Bereich HCM leben wir über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg eine gewisse Unternehmens-Individualität aus, mit vielen unterschiedlichen Prozessen, betrieblichen Regelungen und zunehmender Internationalisierung. Das sehe ich schon noch einen weiten Weg von der On-Premise- zur Cloud-Lösung.
Fleiner: Das sehe ich nicht ganz so. Ich registriere, dass es unter unseren Mitgliedern noch nicht allzu viele SuccessFactors-Kunden gibt. Doch die SuccessFactors-Kunden sind sehr wohl organisiert, nur eben nicht in der DSAG. Es wird in den kommenden Jahren bestimmt Mitglieder geben, die mit SuccessFactors ihre Erfahrungen machen. Und diese wären zweifellos in der DSAG gut aufgehoben, in welcher Form auch immer. So gesehen fände ich es nicht gut, wenn wir als Anwenderverband den Kunden generell kein Forum bieten würden. Hier bin ich anderer Meinung als Herr Martensen. Das zeigt, dass wir bei dem Thema Integration von SuccessFactors in die DSAG noch Abstimmungsarbeit vor uns haben.
Wie hat sich SAP bislang in die Aufklärungsarbeit in Bezug auf die Integration von SuccessFactors eingebracht?
Fleiner: SAP nimmt immer stärker die Möglichkeit wahr, in unseren Arbeitskreissitzungen Informationsblöcke zum Thema SuccessFactors zu platzieren. Außerdem erhalten wir ein regelmäßiges Informations-Update. Doch im Moment ist das noch eine Art Sammelsurium von Daten, aus dem leider nicht hervorgeht, in welcher Form eine Verbesserung zur Verfügung gestellt werden soll, ob als Enhancement Package, als Support Package oder als Hinweis. Das ist für uns leider alles nicht sehr transparent. Was an Entwicklungsarbeit bereits geleistet wurde und was noch kommen soll im Sinne einer Roadmap und eines Reports zu den geplanten Auslieferungszyklen, wäre überaus hilfreich. Kunden würden es sehr begrüßen, wenn eine Roadmap fortlaufend einen Ausblick von drei Jahren aufzeigt. Einen Zukunftsausblick auf Entwicklungen von nur sechs bis zwölf Monaten halten wir für zu kurz.
Gibt es neben dem Wunsch nach transparenten Planungs- und Entwicklungsinformationen noch weitere Punkte, die gegenüber SAP bereits angesprochen wurden?
Martensen: Weiteren Handlungsbedarf sehe ich bezüglich der Investitionssicherheit gerade der Lösungen innerhalb von SAP ERP HCM. Viele Kunden bezahlen für Lösungen wie SAP Recruiting oder SAP Learning Solution zusätzliche Lizenzen. Diese sind dann zurecht verwundert, wenn keine Weiterentwicklungen mehr durchgeführt werden sollen, aber dennoch weiterhin dafür Wartungs- und Lizenzgebühren anfallen.
Was sollten DSAG-Mitglieder tun, die sich mit dem Thema SuccessFactors beschäftigen wollen?
Martensen: SAP-Kunden sollen sich ganz gezielt präsentieren lassen, welche Lösungsvorschläge SAP zu den individuellen Anforderungen des Einzelnen aus der SAP- und SuccessFactors-Welt zu bieten hat. Zudem werden wir als DSAG mit dem Mandat unserer Mitglieder stellvertretend aus dem Arbeitskreis heraus in den Bereichen Handlungsbedarf kommunizieren, wo wir ihn für angebracht halten. Wir hatten bereits verschiedene Gespräche mit SAP und werden noch weitere haben. Aber der Eindruck hält sich, dass SAP immer noch eine eher abwartende Haltung einnimmt.
Fleiner: Ich persönlich denke, dass SuccessFactors eine tolle Lösung ist, die bislang nur nicht transparent und offensiv genug den Kunden angeboten wird. Das Geschäftsmodell sehe ich als hervorragend an und die Applikationen auch. Die Lösung bietet eine optisch ansprechendere Benutzeroberfläche und geht teilweise im Funktionsumfang über das hinaus, was SAP anbietet. Das ist ja das Erstaunliche! Das Vorurteil, dass man Cloud-Applikationen so wenig konfigurieren kann, ist in diesem Falle nicht aufrechtzuhalten. Es hat sich viel getan in diesem Bereich.
Herr Martensen, Herr Fleiner, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Thomas Kircher, DSAG-Pressestelle
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