„Think Big, Start Small“: Die Old Economy im Zeitalter der Daten

"Eine datenorientierte Denkweise ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Big Data-Strategie", sagt der Big-Data-Experte und Gründer von Datafloq Mark van Rijmenam im Interview. [...]

Herr van Rijmenam, Industrie 4.0, beziehungsweise das industrielle Internet der Dinge (IIoT), wird zunehmend zum Thema für die produzierende Industrie und verändert die Art, wie traditionelle Unternehmen ihre Geschäftsmodelle definieren. Wie gut ist die „Old Economy“ auf das Zeitalter der Daten vorbereitet?

Aktuell lässt sich beobachten, wie besonders innovative Unternehmen klassische Geschäftsmodelle neu interpretieren und in datengetriebene Geschäftsmodelle transformieren, in deren Zentrum die Auseinandersetzung mit dem industriellen Internet der Dinge steht. Für diese neue, vernetzte, Ökonomie gibt es immer mehr Beispiele. Die Spieler sind sehr oft disruptive Startups, die wesentlich flexibler und innovativer sind als Unternehmen, die aus der Old Economy kommen.
Die klassische produzierende Industrie ist auf diesen Wandel mehrheitlich nicht besonders gut vorbereitet: Viele haben Schwierigkeiten, ihre Strukturen in eine datengetriebene, informationszentrierte Organisation umzubauen. Dies ist aber unabdingbar, denn das Management von Big Data, der Herzkammer des industriellen Internets der Dinge, erfordert signifikante Investitionen sowie organisatorische und auch kulturelle Anpassungen, gerade in der produzierenden Industrie. Viele der betroffenen Unternehmen kommen bei so tiefgreifenden Change-Prozessen an die Grenzen ihrer Flexibilität.

Sie sagen, dass das Management von Big Data das Fundament aller IIoT-basierten Geschäftsmodelle ist. Doch viele Unternehmen haben Schwierigkeiten dabei, die strategische und technologische Komplexität in der Griff zu bekommen und konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Was ist für einen schnellen Start ins unternehmensweite Big Data Management erforderlich?

Der beste Weg ist: Think Big, Start Small. Eine datenorientierte Denkweise ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Big Data-Strategie. Bevor Sie starten, sollten Sie zumindest ein genaues, mit allen Beteiligten geteiltes Verständnis davon haben, was Big Data für Ihre Organisation bedeutet. Denn das Bild wird nicht nur für jede Branche, sondern für jedes Unternehmen und wahrscheinlich auch für jeden Mitarbeiter ein anderes sein.
Haben Sie dieses gemeinsame Verständnis erreicht, brauchen Sie eine generelle Vision davon, was Sie für Ihr Geschäft mit Big Data erreichen wollen. Auf dieser Basis sollte man dann sehr klein beginnen, mit Pilotprojekten, um den Proof of Concept zu erreichen und zu sehen, welchen Mehrwert man schaffen kann und wie Organisation und Mitarbeiter die Neuerungen aufnehmen und verarbeiten. Haben Sie die Pilotprojekte erst erfolgreich umgesetzt, wird es sehr viel einfacher das Thema zu skalieren, weil man über ein präzises Verständnis davon verfügt, welche Ressourcen und Fähigkeiten benötigt werden.

Digitale, plattform-orientierte Firmen gehören zu den profitabelsten Unternehmen der letzten zwanzig Jahre. Laut einer MIT-Studie, die Sie in einem Ihrer aktuellen Artikel zitieren, war im Jahr 2013 bereits fast die Hälfte der dreißig wertvollsten Unternehmen der Welt plattform-orientiert. Was bedeutet diese Tatsache für klassische, Supply Chain-orientierte Unternehmen? Können sie von diesem Trend profitieren?

Die in traditionellen Supply Chains denkende Industrie muss sich dafür neu erfinden. Nicht vernetzte, in Silos organisierte Unternehmen, die kaum mit ihren Partnern in der Wertschöpfungskette kooperieren, werden in der hyper-vernetzten Welt, in der wir morgen leben werden, keinen leichten Stand haben. Der Aufbau plattformbasierter und offener Geschäftsmodelle erfordert eine intensive Kooperation im gesamten Supply Network. Wer es schafft, die Transformation von einem klassischen hin zu einem in digitalen Plattformen denkenden Fertigungsunternehmen zu bewältigen, hat dagegen gute Chancen, das eigene Geschäft besser zu verstehen, die Kollaboration mit Partnern zu verbessern, die Kosten zu senken und die Umsätze zu steigern. Sich selbst neu zu erfinden bedeutet in diesem Kontext zu erkennen, welche Teile des Unternehmens digitalisiert und auf Plattformen eingebracht werden können. Wenn das gelingt, werden klassische Fertiger auch in einer sich dramatisch ändernden Welt wettbewerbsfähig bleiben.

ZUR PERSON:

Mark van Rijmenam ist Gründer von Datafloq, einem auf Forschung, Beratung und globales Community-Building rund um Big Data fokussierten Unternehmen. Van Rijmenam ist zudem Autor des Bestsellers „Think Bigger – Developing a Successful Big Data Strategy for Your Business“ und Mitgründer des „Data Donderdag“, einem zweimonatlich stattfindenden Netzwerk-Events zum Thema Big Data in den Niederlanden. Seit 2016 ist van Rijmenam Doktorand (PhD) an der University of Technology, Sydney (UTS) und forscht dort zur Rolle und dem Einfluss von Big Data bzw. dem Internet of Everything auf strategische Innovation.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*