Daniel Fallmann, Gründer und Geschäftsführer von Mindbreeze, im Interview über "Illuminating Information" (oder das proaktive Bereitstellen von Informationen), die Vergangenheit und die Zukunft von Enterprise Search. [...]
Wie hat sich der Enterprise Search-Markt in den letzten 15 Jahren entwickelt?
Daniel Fallmann: Ende der 1990er-Jahre haben die Urgesteine im Bereich Enterprise Search, Autonomy und FAST, losgelegt, beide europäische Unternehmen. Autonomy, das aus dem Bereich Textmining kommt, wurde in Cambridge gegründet, FAST in Oslo. 2005 haben wir Mindbreeze in Linz gegründet, da gab es schon Marktbegleiter wie etwa Recommind und ISYS. In den Jahren 2008, 2009 ist es zu einer großen Konsolidierungswelle gekommen. Die Großen der Enterprise Search-Szene wurden von den ganz großen Herstellern geschluckt. FAST ging etwa an Microsoft, Autonomy an HP. Seit zirka 2010 beobachten wir eine Welle von Neugründungen.
Wie hat sich in dieser Zeit die Nachfrage entwickelt?
Obwohl Europa anbieterseitig zu Beginn sehr innovativ war, siehe Autonomy und FAST, war die Nachfrage auf Seite der europäischen Kunden schwach. Das Interesse kam vor allem aus Nordamerika. Das hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Seit 2010 gibt es fast kein Unternehmen mehr, auch hier in Europa, das sich nicht in der einen oder anderen Weise mit dem Thema beschäftigt, sei es Enterprise Search oder Knowledge Management. Das heißt, die Nachfrage ist nun auch in Europa sehr groß.
Welche Motivation stand hinter der Mindbreeze-Gründung?
Wir haben bei den Kunden der Konzernmutter Fabasoft gesehen, dass manche vor dem Problem standen, in Hunderten Millionen Dokumenten suchen und finden zu müssen. Und das sehr schnell. Da hilft die beste strukturierte Ablage der Welt nichts. Daher entwickelten wir 2004 die Idee, diese Kunden mit Enterprise Search-Technologie zu unterstützen. 2005 haben wir Mindbreeze gegründet. Bereits im ersten Geschäftsjahr konnten wir ein paar der größten Government-Kunden Österreichs gewinnen, dort, wo die Datenbestände besonders groß waren.
Wie sind Sie auf das Thema Enterprise Search gestoßen?
Ich habe mich schon während des Studiums mit dem Thema beschäftigt. Ich war früh von den Suchmaschinen und den damaligen Web-Crawlern fasziniert. Die Grundlagenforschung selbst hat nicht an der Uni stattgefunden, sondern wurde von uns Studenten außerhalb der Uni gemacht. Die Ideen, wie man die Grundlagen geschäftlich nutzen kann, sind bei Fabasoft und bei deren Kunden mit den großen Datenmengen gekommen.
Hat sich Ihr Enterprise Search-Ansatz im Laufe der Zeit verändert?
Ja, sehr stark. Der zu Beginn vorherrschende Gedanke, ich suche und finde rasch, hat sich über die Jahre hinweg immer mehr verfeinert und hat zu dem geführt, was wir heute „Illuminating Information“ nennen, sprich das proaktive Bereitstellen von Informationen. Es wird im Hintergrund bereits gesucht, obwohl der Anwender noch gar nicht weiß, dass er hier suchen könnte. Wir gehen sehr stark in Richtung proaktiver Informationsbeschaffung. Unsere Lösung sucht im Hintergrund, ohne dass der Anwender selbst suchen muss – und zeigt weiterführende Informationen zu einem Thema an. 2011 waren wir soweit, unsere zukunftsweisende Vision von Enterprise Search zu launchen. Das heißt, wir bieten seit dem die Möglichkeit, Informationen suchbasiert zusammenzuführen. Das war für uns der Enabler für sogenannte Suchanwendungen, mit denen wir Kunden ganz spezifisch in einem Fachbereich zeigen können, was Suche in ihrem Fall beitragen kann – ohne dass man wie in der klassischen Suche auf ein Sucheingabefeld und Ergebnisliste angewiesen ist.
Wie sieht es derzeit mit Enterprise Search in heimischen Unternehmen aus?
Fast alle Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema. Jedoch muss ich feststellen, dass viele Firmen noch nichts in diese Richtung haben. Zwar bietet jede Applikation die Möglichkeit, darin zu suchen, jedoch Applikations- und Fachabteilungs-übergreifend können es die wenigsten.
Welche Schritte sollte man in diesem Fall setzen?
Bevor man Schritte setzen kann, muss man erst einmal die Basis-Infrastruktur schaffen. Etwa mit unserer Appliance können die Basisanwendungsfälle ohne Dienstleistungsaufwand umgesetzt werden. Die Appliance ist wie ein typischer WLAN-Router. Man stellt sie in das Unternehmen, indiziert und legt los. Die Appliance dient als einfaches Werkzeug. Im Hintergrund, technisch, ist dies sehr komplex und alles andere als trivial.
Welche wirtschaftlichen Vorteile lassen sich aus Enterprise Search-Lösungen ziehen?
Sagen wir so: Unternehmen, die nicht im Stande sind, das zu nutzen, was im Unternehmen an Wissen vorhanden ist, die nicht den Knowhow-Vorsprung des Unternehmens halten können, weil die Daten verstreut sind und nicht ausgegraben werden können, diese Firmen werden am harten Wettbewerbsmarkt keine Zukunft haben. Die Margen werden in allen Branchen kleiner. Die Geschwindigkeit steigt überall. Das ist der Punkt, wo intelligentes Knowledge Management unbedingt notwendig ist – das ist das, was ich mit Enterprise Search verbinde, ein Wissensmanagement, das sich selbst wartet, um den Wettbewerbsvorteil zu wahren. Der wirtschaftliche Vorteil liegt auf der Hand: Mindbreeze übermittelt je nach Fachanwendung die Kennzahlen, die klar zeigen, warum sich die Lösung rechnet.
Wie wird sich Enterprise Search aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?
Meiner Meinung nach geht es sehr stark in Richtung proaktiver Informationsbeschaffung. Und in Richtung Dialog zwischen System und Anwender. Enterprise Search wird zur Middleware, die es braucht, um als Anwender mit den Daten und den Informationen, die im Unternehmen verfügbar sind, in einen Dialog treten zu können. Das hat mit dem klassischen System, das aus Suchfeld und Ergebnisliste besteht, nichts mehr zu tun.
Das klingt nach intelligenten Assistenzsystemen.
Genau das ist das Ziel. Der Weg dort hin ist, proaktive Suche und Dialog mit dem Nutzer zu verbinden.
Ist der Begriff Enterprise Search überhaupt noch zutreffend?
Ich glaube, dass wir sich ohnehin auflösen. Der Übergang von Enterprise Search und Big Data ist fließend. Enterprise Search wird zunehmend zur Basis-Infrastruktur in jedem Unternehmen werden. In zehn bis 15 Jahren wird es meiner Meinung nach kein Unternehmen mehr geben, dass das Thema Enterprise Search nicht bereits gelöst hat. Kein Unternehmen wird sich dann leisten können, nach Information manuell zu recherchieren, wenn der Mitbewerb schon soweit ist, das auf Knopfdruck tun zu können.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Markt weiterentwickeln?
In den Jahren 2005 bis 2008 war es so, dass die Hersteller sehr stark vergleichbar waren. Das hat sich gewandelt. Mittlerweile finden die Hersteller – auch die neuen Player, die sich gerade etablieren – vertikale Nischen, in denen sie mit ihrem spezifischen Know-how punkten können. Der Hersteller ist damit weg vom Vergleichbarkeitsthema. Die Basis für die vertikalen Lösungen bilden die Fachbereiche. So haben Call Center, egal in welcher Branche, ähnliche Anforderungen. Das generische Suchen und Finden wird der zwingende Einstieg aber der Markt bewegt sich hin zu echten Lösungen für konkrete Business Cases. Daher ist es wichtig, dass sich Kunden nicht unbedingt auf die größten Hersteller verlassen, sondern auf jene Partner, die ihnen helfen, ihr spezifisches Problem vor Ort zu lösen.
Das Gespräch führte Wolfgang Franz.
Daniel Fallmann:
Daniel Fallmann ist Gründer und Geschäftsführer der Mindbreeze GmbH. Er ist ein anerkannter Experte im Bereich Enterprise Search, Information Access, Enterprise-Class Architektur sowie Digital Cognition Software.
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