„Umstellung auf Cloud-Computing bringt Demokratisierung der IT“

Die COVID-19-Pandemie zwingt Unternehmen aller Größen dazu vermehrt über alternative Arbeitsmodelle nachzudenken. Cloud Services spielen hier eine wichtige Rolle. Welche Herausforderungen bei der Umstellung entstehen können erklärt Jochen Walter, Country Lead Austria des Cloudanbieters Amazon Web Services (AWS) im Interview. [...]

Jochen Walter, Country Lead Austria bei AWS. (c) AWS

Wie schätzen Sie die Situation der Cloud-Nutzung bei KMUs in Österreich ein?

Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Statistik Austria zeigt, dass sich die Anzahl der Unternehmen, die Speicherplatz und Softwareanwendungen in der Cloud nutzen, gegenüber dem Jahr 2014 verdreifacht hat. Speziell kleine und mittlere Unternehmen profitieren von der Cloud-Nutzung, denn sie erhalten damit Zugang zu Technologien, die sonst große und vor allem auch langfristige finanzielle Aufwände mit sich bringen würden. KMUs können sich mit der Cloud damit auch erstmal an neue Technologien herantasten.

Wo liegen die größten Herausforderungen für KMUs, wenn sie in die Cloud gehen wollen?

Die größten Herausforderungen bei der Migration in die Cloud sind nicht technischer Natur, sondern betreffen Menschen und Kultur. Der Unterschied zwischen Organisationen, die über den Umstieg auf die Cloud sprechen, und denen, die dies tatsächlich tun, besteht oft nur in einigen wenigen Punkten: Erstens muss das Führungsteam so ausgerichtet sein, dass es wirklich auf die Cloud umsteigen will und es muss die Richtung und die Erwartungen festlegen, um alle in der Organisation mitzunehmen. Wenn die Geschäftsführung den Wechsel in die Cloud zur Priorität macht und eine Kultur des Wandels kultiviert, werden mögliche Blockaden von Anfang an verhindert. Organisationen, die bereits erfolgreich auf Cloud-Nutzung umgestellt haben, haben das mit einem ehrgeizigen Top-Down-Ziel getan und eine schnelle Veränderung forciert. Außerdem ist es wichtig, dass Organisationen im Umgang und Umstieg auf die Cloud geschult werden und mit dem Konzept als Teil des gesamten Prozesses vertraut sind – AWS bietet die dafür nötigen Schulungen an.

Manchmal stellen wir auch fest, dass Organisationen sich überwältigt fühlen, weil sie nicht wissen, wie sie all ihre Workloads auf einmal in die Cloud migrieren können. Aber tatsächlich ist das auch gar nicht nötig. Es kann durchaus Sinn machen mit einem kleineren Projekt zu starten und damit erste Erfahrungen und Erfolge zu sammeln. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Entwicklung eines kurz-, mittel und langfristigen Plans für ihre Cloud-Nutzung.

Warum sollten KMU Cloud Services nutzen?

Aus unserer Sicht haben Cloud-Dienste fünf große Vorteile. Der erste Vorteil ist die Agilität, also die Möglichkeit IT-Ressourcen bei Bedarf schnell zu erweitern und zu reduzieren. Damit können Kunden sehr schnell neue Anwendungen entwickeln und einführen, was bedeutet, dass Teams schneller und häufiger experimentieren und innovieren können. Wenn ein Experiment fehlschlägt, können Sie die Bereitstellung dieser Ressourcen jederzeit ohne Risiko stoppen.

Der zweite Vorteil sind Kosteneinsparungen, denn anstatt in den Aufbau eigener Infrastruktur, also zum Beispiel den Aufbau eines eigenen Rechenzentrums, langfristig zu investieren, bezahlen Unternehmen nur für die Dienste, die sie auch tatsächlich nutzen.

Dies führt zu einem weiteren Vorteil, der Elastizität. Mussten Unternehmen in der Vergangenheit ihre IT-Ressourcen auf Lastspitzen ausrichten, können sie in der Cloud nur das in Anspruch nehmen was sie derzeit auch tatsächlich benötigen und bei Bedarf die Ressourcen ganz einfach erhöhen bzw. wieder senken.

Der vierte Vorteil ist die Fähigkeit, Innovationen schneller voranzubringen. Statt wertvolle IT-Fachkräfte mit dem Betrieb eigener Infrastruktur zu beschäftigen, können diese Mitarbeiter daran arbeiten neue Ideen zu entwickeln um das Geschäft weiter voranzutreiben und Kundenwünschen noch besser gerecht zu werden.

Der letzte Vorteil der Cloud ist die Möglichkeit in nur wenigen Minuten global expandieren zu können. Bei AWS haben Kunden beispielsweise die Möglichkeit auf 77 Verfügbarkeitszonen in 24 Regionen weltweit zurückzugreifen. Bei einer Region handelt es sich um einen physischen Standort, beispielsweise in Deutschland, an dem wir Rechenzentren gruppieren. Wir nennen jede Gruppe von logischen Rechenzentren eine Verfügbarkeitszone.

KMUs im Speziellen profitieren von all den oben genannten Vorteilen, da sie eine Demokratisierung der IT mit sich bringen. Mit der Cloud ist es selbst kleinsten Unternehmen möglich, mit den fortschrittlichsten Technologien wie maschinellem Lernen zu arbeiten. Früher war das nur großen Unternehmen vorbehalten, die dementsprechend große Rechenzentren verwalten und Spezialisten-Teams beschäftigen konnten. Kunden, wie etwa SKIDATA oder die INNIO Group, nutzen die AWS Cloud bereits erfolgreich.

Wie sieht die Strategie von AWS in Österreich aus?

Im Februar haben wir unser erstes Büro in Wien eröffnet, um näher an unserem wachsenden Kundenstamm in Österreich zu sein. Österreich ist ein wichtiges Land für uns, und wir freuen uns sehr, unsere Kunden mit AWS-Fachwissen direkt vor Ort zu unterstützen und sie beim Übergang in die Cloud zu begleiten. Das Büro baut auf der bestehenden Präsenz von AWS in Österreich auf, einschließlich eines AWS Edge-Standortes, der 2017 in Wien eröffnet wurde sowie Zugang zu fortschrittlichen Technologien wie Amazon CloudFront, Lambda@Edge, AWS Shield und AWS WAF (Webanwendung Firewall) bietet.

Wie verläuft das Jahr 2020 für Ihr Unternehmen? Hat die COVID-19-Pandemie Einfluss auf ihr Geschäft?

AWS hat Millionen von aktiven Kunden weltweit, darunter Start-ups, Großunternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors, in allen erdenklichen Branchen und Industrien. Die Situation variiert je nach Branche – einige verzeichnen ein beschleunigtes Wachstum, z.B. im Bereich Videokonferenzen, Spiele und Unterhaltung, während andere wie die Gastronomie und Reisebranche schrumpfen. Für uns ist es zentral, dass wir unsere Kunden auch weiterhin langfristig mit Innovationen unterstützen.

Kann Cloud-Technologie in Zeiten der Krise positive Effekte auf Unternehmen bzw. KMU haben?

Mehr Menschen als je zuvor arbeiten derzeit von zuhause aus und beschränken auch ihre Freizeitaktivitäten auf geschlossene Räume. Das bedeutet, dass die Nutzung digitaler Technologien zunimmt. Durch die Cloud können Unternehmen ihre Ressourcen flexibel an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen, beispielsweise indem nicht benötigten Ressourcen abgeschaltet oder Dienstleistungen schnell und unkompliziert digital angeboten werden. Ein Beispiel hierfür ist das österreichische Unternehmen Eversports, das bereits seit mehr als vier Jahren mit AWS für den Betrieb seiner Plattform zusammenarbeitet. In der Pandemie wurde das Start-up nochmals in seiner Entscheidung für die AWS Cloud bekräftigt: In weniger als 72 Stunden war es Eversports möglich, alle notwendigen Funktionen zu entwickeln und zu automatisieren, um seinen Kunden die Möglichkeit zu bieten, ihre Sport-Kurse online anzubieten und damit auf die veränderte Situation unter der Corona-Pandemie zu reagieren.

Datenschutz steht bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Liste. Wie sehen sie dieses Thema in österreichischen Unternehmen? Gibt es Bedenken?

Unternehmen, die ihre Infrastruktur in die Cloud verlagern, möchten ihre Anwendungen natürlich nicht blind einem Dritten überlassen. Bei AWS hat Sicherheit die oberste Priorität. Unsere Infrastruktur wurde so aufgebaut, dass unsere Cloud-Umgebung größtmögliche Flexibilität bei gleichzeitig höchster Sicherheit bietet. Damit werden wir auch den Anforderungen von extrem sicherheitssensitiven Branchen, wie etwa dem Finanzwesen oder der Gesundheitsversorgung, gerecht. Wir verfügen aber auch über eine Reihe international anerkannter Zertifizierungen und Akkreditierungen, wie etwa ISO 27017 für Cloud-Sicherheit, ISO 27018 für Cloud Privacy, ISO 9001 für das Gesundheitswesen, Life Science, medizinische Geräte, Automobilbranche und Luftfahrt und viele weitere. Von dieser Sicherheit profitieren alle unsere Kunden, denn wir nutzen die gleiche sichere Hardware und Software in allen Regionen weltweit. Bei AWS sind grundsätzlich in allen Diensten Sicherheitsmechanismen integriert, damit die Daten an jedem Punkt geschützt sind. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden aber auch mehr als 200 Dienste und Funktionen speziell im Bereich Sicherheit, Compliance und Government an. In Österreich vertraut beispielsweise auch die Raiffeisen Bank International (RBI) beim Betrieb ihrer Cloud-basierten Plattform „Merlin“ auf die AWS Cloud.

Welche Faktoren müssen beachtet werden und welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, damit sicheres Cloud Computing gelingt?

Das wichtigste ist die Ausrichtung an den individuellen Möglichkeiten, Kapazitäten und Risiken des Unternehmens. Was für Betrieb A die optimale Strategie ist, muss für Betrieb B nicht zwangsweise auch passen. Mit der Identitäts- und Zugriffsverwaltung können sich Unternehmen vor aktuellen Bedrohungen gut schützen. Damit kann ganz genau reguliert werden, wer von wo Zugriff hat. Verfügbare Sensoren wie Log-Daten, API-Logs oder Meta-Informationen über Vorgänge im Netzwerk sollten in die Prozesse und das Vorgehen integriert werden und aktiv verarbeitet werden, gegebenenfalls durch Dienstleistungen wie Machine Learning oder Grafdatenbanken, um so neue Erkenntnisse zur Sicherheit zu gewinnen. AWS Dienste wie Amazon GuardDuty scannen kontinuierlich auf diverse bekannte Risiken und unbefugtes Verhalten und erkennen Anomalien. Auch Bereiche wie MapReduce (Amazon Elastic MapReduce (EMR)) sind aus Sicherheitssicht sehr interessant um aus großen Mengen an Log-Daten sinnvolle Informationen zu gewinnen. Unternehmen müssen aber keine Sicherheitsdienste extra dazu buchen, denn jeder unserer mehr als 175 Cloud-Dienste enthält bereits Sicherheitsvorkehrungen.


Mehr Artikel

Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien. (c) WeinwurmFotografie
Interview

IT-Berufe im Fokus: Innovative Lösungen gegen den Fachkräftemangel

Angesichts des anhaltenden IT-Fachkräftemangels ist schnelles Handeln gefordert. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien setzt in einer Kampagne genau hier an: Mit einem breiten Ansatz soll das vielfältige Berufsbild attraktiver gemacht und innovative Ausbildungswege aufgezeigt werden. IT WELT.at hat dazu mit Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien, ein Interview geführt. […]

News

ISO/IEC 27001 erhöht Informationssicherheit bei 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen

Eine Umfrage unter 200 Personen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen in Österreich hat erstmals abgefragt, inwiefern der internationale Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme (ISO/IEC 27001) bei der Bewältigung von Security-Problemen in der Praxis unterstützt. Ergebnis: Rund 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen gaben an, dass sich durch die ISO/IEC 27001 die Informationssicherheit in ihrem Unternehmen erhöht hat. […]

News

Public Key Infrastructure: Best Practices für einen erfolgreichen Zertifikats-Widerruf

Um die Sicherheit ihrer Public Key Infrastructure (PKI) aufrecht zu erhalten, müssen PKI-Teams, sobald bei einer Zertifizierungsstelle eine Sicherheitslücke entdeckt worden ist, sämtliche betroffenen Zertifikate widerrufen. Ein wichtiger Vorgang, der zwar nicht regelmäßig, aber doch so häufig auftritt, dass es sich lohnt, PKI-Teams einige Best Practices für einen effektiven und effizienten Zertifikatswiderruf an die Hand zu geben. […]

News

UBIT Security-Talk: Cyberkriminalität wächst unaufhaltsam

Jedes Unternehmen, das IT-Systeme nutzt, ist potenziell gefährdet Opfer von Cyberkriminalität zu werden, denn die Bedrohung und die Anzahl der Hackerangriffe in Österreich nimmt stetig zu. Die Experts Group IT-Security der Wirtschaftskammer Salzburg lädt am 11. November 2024 zum „UBIT Security-Talk Cyber Defense“ ein, um Unternehmen in Salzburg zu unterstützen, sich besser gegen diese Bedrohungen zu wappnen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*