Michael Bergmann, Geschäftsführer von Scheer Austria, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]
Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Man hat gesehen, dass sowohl Menschen als auch Unternehmen auf neue Herausforderungen flexibel reagieren können. Man hat aber auch gesehen, dass diese Flexibilität Grenzen hat. Diese Grenzen haben wir 2021 leider sehr strapaziert und ich hoffe, das müssen wir nicht mehr so schnell wieder tun. Es hat sich aber auch gezeigt, dass der Teamspirit und die Solidarität enorm wichtig sind (oder zumindest wichtig wären), die Solidarität zwischen den Menschen, aber auch der Zusammenhalt im Unternehmen, das Vertrauen und die Kooperation zwischen den Unternehmen, zwischen Kunden und Lieferanten sowie Partnern. Hier dürfen wir uns weder als Gesellschaft noch als Wirtschaft auseinanderdividieren lassen. Resilienz spielt also eine wichtige Rolle und wird in der Zukunft noch wichtiger sein, aber wir haben heuer auch ihre Grenzen gesehen. Diesen müssen wir uns bewusst sein und rechtzeitig aktiv steuern – denn Veränderung braucht Steuerung und Zeit.
Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Die Unternehmen werden weiterhin daran arbeiten resilienter zu werden und ihre Prozesse mit Hilfe der IT resilienter und nachhaltiger zu gestalten. Nicht nur wegen Corona, die Welt dreht sich auch ohne Corona immer schneller, Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit werden immer wichtiger. Nur Prozesse, die man beherrscht, kann man auch schnell anpassen. Die Corona-Krise wird irgendwann einmal vorbei sein, aber manche Trends und auch manche Änderungen in den Geschäftsmodellen werden bleiben. Sei dies nun New Work, mehr Flexibilität in allen Lebensbereichen, Customer Experience oder die Forderung nach durchgängig digitalisierten Prozessen in allen Lebensbereichen.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Beruflich waren die Highlights das Unternehmen auch im 2. Jahr der Corona-Krise erfolgreich durch die Krise geführt zu haben und die Mitarbeiter motiviert und nicht abgehängt zu haben und vor allem auch unsere Kunden erfolgreich durch diese Krise begleitet zu haben. Wir haben unseren Kunden geholfen, ihre Prozesse resilienter zu gestalten und der Krise zu trotzen. Und wir haben in dieser Zeit auch neue Kunden gewonnen.
Für persönliche Highlights war in diesem fordernden Jahr leider nicht allzu viel Zeit, da ist es schon viel wert, durch Sport und Ausgleich die Ruhe und Gelassenheit zu bewahren, um die Herausforderungen meistern zu können.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Die Rückbesinnung auf das Geschäftsmodell der Firma und die Geschäftsprozesse. Wie können die Geschäftsprozesse mithilfe der IT effizienter, nachhaltiger, gleichzeitig, aber auch resilienter gestaltet und durchgängig digitalisiert werden, um – wenn nötig – das Geschäftsmodell jederzeit anpassen zu können. Das ist die Königsdisziplin und da spielen Themen wie Cloud, das intelligent Enterprise mit SAP S/4HANA als digitalem Kern, Business Process Management und Process Mining natürlich eine wichtige Rolle.
Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Die Klima-Krise wird uns mit Sicherheit noch viel länger beschäftigen als die Corona-Krise. Die Unternehmen müssen sich nachhaltiger aufstellen. Der Druck kommt von allen Seiten, von den Konsumenten, von den Kunden, von den Mitarbeitern und auch von der Gesellschaft und vom Gesetzeber. In Zukunft wird es wichtig sein, jeden Unternehmensprozess so nachhaltig wie möglich zu gestalten und dies auch nachzuweisen. In Zukunft werden Konsumenten auch wissen wollen, wie viel Energieverbrauch und produziertes CO2 in einem Produkt oder einer Dienstleistung stecken. Und damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder beim Prozessmanagement.
Wir sind auch dabei unsere Prozesse so nachhaltig wie möglich zu gestalten, zu digitalisieren, was man digitalisieren kann, nicht notwendige Reisen zu reduzieren, so nachhaltig wie möglich zu reisen, die Mitarbeiter mit vom Unternehmen bezahlten Öffi-Tickets zum öffentlichen Nahverkehr zu motivieren und etwa E-Autos zu fördern. Aber den viel größeren Hebel haben wir als Prozessberater und IT-Dienstleister bei unseren Kunden, vor allem bei unseren Industrie-Kunden, indem wir unseren Kunden helfen, ihre Prozesse mithilfe von IT nachhaltiger und effizienter zu gestalten und dadurch weniger CO2 zu produzieren. Und ich freue mich mit meinen Mitarbeitern auf diese Herausforderung.
Wie gut ist ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
Als IT- und Beratungsunternehmen sind wir diese Arbeitsmodelle schon länger gewohnt und diese waren schon vor Corona Standard für uns, weil wir schon länger mit international verteilten Teams arbeiten. Da hat sich für uns nicht so viel verändert, außer, dass den Mitarbeitern durch das Social Distancing in den herausfordernderen Zeiten der Pandemie das Socializing und die Nähe zu den Kollegen schon sehr abgeht. Das darf auch bei New Work nicht zu kurz kommen, denn Arbeit muss auch Spaß machen. Wir haben in der Zeit während der Pandemie sogar unsere Büroflächen vergrößert, um unseren Mitarbeitern eine noch attraktivere Arbeitsumgebung zu bieten. Andere Unternehmen waren da vor Corona sicher noch nicht so weit und so flexibel. Wir sehen aber bei unseren Kunden, dass das alle Unternehmen in relativ kurzer Zeit ganz gut hingebracht haben, dass New Work auch funktioniert. Das wird bleiben – zumindest zum Teil.
Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Nein, ich glaube nicht, dass sich die Situation bessern wird. Mit der Situation müssen wir lernen dauerhaft umzugehen. Die Arbeitgeber müssen sich attraktiv genug machen, gute Talente – auch international – anzuziehen und an das Unternehmen zu binden. Aber auch am Thema internationale Zusammenarbeit und Nearshoring werden wir nicht vorbeikommen, um den Fachkräftemangel bei uns etwas zu entspannen.
Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.
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