„Unternehmen müssen vermehrt in Richtung kleinere, agilere Projekte gehen“

Wilhelm Petersmann, Geschäftsführer von Fujitsu in Österreich und der Schweiz, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das heurige Jahr. [...]

Wilhelm Petersmann, Geschäftsführer von Fujitsu in Österreich und der Schweiz: "Die Digitalisierung ist nicht nur im Arbeitsablauf und der IT-Leistungserbringung verankert, sondern es geht auch darum, digitale Produkte zu schaffen, die dem Kunden preiswerte Vorteile bieten." (c) Fujitsu

Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Verblüffend für mich war, dass Projekte und Entscheidungen, die vorher lange auf Eis gelegen sind, aufgrund des Drucks, der aus der Corona-Krise heraus entstanden ist, eine unglaubliche Beschleunigung erfahren haben, so beispielsweise der Bereich Managed Work Place. Das Positive an dieser Krise, das ich erwähnen möchte, ist: Corona ist sozusagen ein Transformationsbeschleuniger, der auch zu kürzeren Entscheidungszyklen geführt hat.

Dem gegenüber stehen Unternehmen, die aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage rigoros das Projektportfolio gestrichen haben – teilweise bis zu 80 Prozent. Das ist natürlich ein negativer Effekt. Damit ist das Jahr 2021 für uns wesentlich volatiler geworden. Wir stolz, dass wir trotz der Coronakrise allen Lieferverpflichtungen nachgekommen sind, keine Störfälle gehabt haben und sogar die zusätzlichen Anfragen nach Hypercare Services von systemkritischen Unternehmen wie Banken und Versicherungen abdecken konnten.

Unsere Conclusio: Unternehmen müssen vermehrt in Richtung kleinere, agilere Projekte gehen, also kurze Sprints machen.

Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jauer auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Es gibt einige Branchen, die profitieren von den letzten Monaten, weil es ein erhöhtes E-Commerce-Volumen und erhöhte Nachfrage nach gewissen Gütern, etwa aus dem Home-Bereich oder der Bau-Branche gab. In der IT-Branche verschärft sich allerdings der Wettbewerb um Talente spürbar.

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Mein berufliches Highlight war, dass wir bei Fujitsu trotz Shutdown und wenigen persönlichen Meetings einen Operations-Großauftrag im Millionen-Bereich abschließen konnten. Mein persönliches Highlight war die Anschaffung eines Hometrainers, der in meinem Home Office steht. Dieser macht mir seitdem ein schlechtes Gewissen, dass er selten zum Einsatz kommt.

„Corona ist sozusagen ein Transformationsbeschleuniger, der auch zu kürzeren Entscheidungszyklen geführt hat.“

Wilhelm Petersmann

Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach heuer auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Das Thema Digitalisierung ist nach wie sehr wichtig. Dabei müssen die IT-Manager in drei Reifegraden denken:

Die Basis: Hybrid IT einsetzen, Modern Workplaces ermöglichen, neue Formen der Zusammenarbeit unterstützen. Das sind die Haupthausaufgaben, sozusagen das Fundament der Digitalisierung. Und die damit einhergehenden Schlagwörter sind dabei Kosteneffizienz, Flexibilität und Skalierbarkeit.

Die nächste Ebene ist dann die Employee Experience: Ziel ist es, durch moderne Arbeitsplatzkonzepte und sinnvolle Prozess-Automatisierung mithilfe künstlicher Intelligenz, wie beispielsweise automatisiertes Claim-Management bei Versicherungen, den Mitarbeitern der Zukunft interessantere Jobs zu ermöglichen und diese von repetitiven Routine-Arbeiten zu befreien. Das ist ein wesentlicher Aspekt, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu steigern, insbesondere bei dem derzeitigen Talente-, Fach- und Führungskräftemangel.

Und dann geht es um die Kreation digitaler Produkte: Die Digitalisierung ist nicht nur im Arbeitsablauf und der IT-Leistungserbringung verankert, sondern es geht auch darum, digitale Produkte zu schaffen, die dem Kunden preiswerte Vorteile bieten. Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Autoversicherer können durch die Erfassung von IoT- und Sensorik-Fahrdaten wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsverhalten, Straßenbeschaffenheit, etc. eine individuelle Versicherungspolizze bepreisen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, nicht flexiblen Versicherungen, schaffen. Digitale Themen in Produkte einzubinden, ist und wird zunehmend immer wichtiger!

Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Nachhaltigkeit kennen wir bereits seit längerer Zeit aus dem Bereich Manufacturing und es wird auch im Konsumbereich immer wichtiger, dass das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung in Richtung Nachhaltigkeit geschärft wird. Es gibt bereits viele Banken, die gemäß Nachhaltigkeitsindex investieren und dementsprechend Kreditvergaben und Fonds auflegen, die speziell auf nachhaltige Unternehmen ausgelegt sind.

Fujitsu ist seit 2009 Mitglied der UNO Nachhaltigkeitsinitiative und verpflichtet sich damit verbindlich zu einem nachhaltigen Handeln in den folgenden vier Bereichen: Umweltbewusstsein, Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Anti-Korruption Die Umsetzung liegt schwerpunktmäßig in den Bereichen Produktion & Fertigung, Vertrieb sowie Serviceleistungserbringung – wir setzen auf bewusstes Management der Nachhaltigkeit.

„New Work und Home Office führen eine kulturelle Umstellung bei Unternehmen herbei: Einhergehend mit der größeren Flexibilität haben Führungskräfte einen gewissen Kontrollverlust ihren Mitarbeiter gegenüber. Wichtig ist es darum, auf andere Arten des Performance Managements zu setzen.“

Wilhelm Petersmann

Wie gut ist ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
New Work und Home Office führen eine kulturelle Umstellung bei Unternehmen herbei: Einhergehend mit der größeren Flexibilität haben Führungskräfte einen gewissen Kontrollverlust ihren Mitarbeiter gegenüber. Wichtig ist es darum, auf andere Arten des Performance Managements zu setzen. Ein großer Punkt, der uns seit einiger Zeit begleitet und auch länger begleiten wird, ist die Charakterwandlung des Office. Das Office wird zur Begegnungszone- und Kreativitätszone und ist nicht nur für Einzeltasks und Routineaufgaben da. Moderne Unternehmen, die sich dem anpassen, stellen ihre Office-Konzepte völlig um. Der Vorteil, der klar auf der Hand liegt, ist eine Flächenreduktion, wodurch wiederum Kosten eingespart werden. Etliche Unternehmen in Österreich haben diesen Weg bereits eingeschlagen, aber den Weg sind erst ganz wenige zu Ende gegangen. Hier ist es wichtig, die Basisarbeit nicht zu vergessen – zum Beispiel der Zugriff auf Applikationen und Daten, und die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitskonzepte – zu jeder Zeit und an jedem Ort. Wir in Wien bauen gerade unser Office um, das im April 2022 fertig gestellt wird .Das Augenmerk dort liegt auf Kreativitätsräumen, Begegnungsräumen, Kundenräumen für Meetings und ganz wenigen „desk-sharing-on-site“ Arbeitsplätzen.

Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Die angespannte Situation wird in den nächsten Jahren nicht besser werden, sondern schlechter. Wir suchen händeringend Personen im Bereich Security, KI sowie generell in den Digitalisierungsbereichen und auch Data Analysts, weil sich in Zukunft das Thema Data Driven Enterprise weiter manifestieren wird.

Meiner Meinung nach müssen die klassischen Ansätze des Recruitings überdacht werden. Einerseits müssen wir vermehrt Hochschul-Marketing betreiben, andererseits auch jungen Talenten die Möglichkeit bieten, duale Studiengänge zu absolvieren – also den Mix zwischen Arbeiten und Studieren ermöglichen. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Investition in Mitarbeiterbindung: Gerade im Zusammenhang mit dem Thema Home Office und virtuellen Teams – es gilt neue Mechanismen finden, um auch jungen Talenten eine Verbundenheit zur Firma zu geben. Wenn ein Unternehmen intern klare Entwicklungspfade für junge Talente hat, hilft das, die Fluktuation einzudämmen – Mitarbeiter sollen eine Vision haben und Chancen sehen.

Zusammengefasst bedeutet das, dass sich der Rekrutierungsmechanismus ändern muss. Zeitgleich ist es wichtig, Möglichkeiten für den Berufseinstieg aufzuzeigen und moderne Arbeitsplatzkonzepte zu implementieren, die zeitliche und örtliche Flexibilität umfassen. Unser Wunsch ist es, Fachpersonal nicht nur anzuziehen, sondern auch zu halten!

Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.


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