Holger Suhl, Country Manager DACH bei ESET, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]
Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
Die Corona-Krise hat zweifellos unsere Art des Arbeitens nachhaltig verändert und wird die Digitalisierung in allen Bereichen unserer Gesellschaft sicherlich weiter vorantreiben. Viele digitale Service- und Geschäftsmodelle haben 2021 hierdurch einen bisher kaum zu glaubenden Schub erhalten, der sich sicherlich auch im kommenden Jahr fortsetzen wird. Zugleich mussten wir aber in vielen anderen Wirtschaftszweigen schmerzlich miterleben, was es bedeutet, wenn bisher verlässliche Lieferketten wegbrechen. Angefangen bei Computerchips über Türbeschläge bis hin zu Medikamenten.
Neben den Corona-bedingten Engpässen beobachten wir, dass Cyberangriffe gerade auf systemrelevante Wirtschaftszweige wie die Logistikbranche oder wichtige Zulieferbetriebe zunehmen. Hier gilt es im kommenden Jahr nachzubessern, um das erforderliche Niveau in puncto Cyber Resilience zu erreichen.
Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas: Mangelhafte oder sogar gänzlich fehlende Digitalisierungsstrategien wurden in kürzester Zeit offenkundig. Es zeigte sich zudem, dass viele Unternehmen, Institutionen und Behörden sich zu stark von Digital-Importen aus dem nicht-europäischen Ausland abhängig gemacht haben, anstatt auf eigene Kompetenzen zu setzen. Hier müssen wir uns als Europäer zukünftig mehr als zuvor auf unsere Stärken besinnen. Gerade im IT-Security-Bereich brauchen wir uns im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Bereits jetzt merken wir, dass die Nachfrage nach „IT-Security made in EU“ in Österreich in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zugenommen hat. Als größter Hersteller von IT-Security-Softwarelösungen aus der EU haben unsere Partner von diesem Trend klar profitiert.
Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Nach jetzigen Prognosen dürfte 2021 das wirtschaftlich stärkste Jahr für uns in DACH sowie für ESET insgesamt sein. Die Umsätze haben sich mit unseren neuen Lösungen und Bundles speziell für hybride Netzwerke (ESET PROTECT) durch entsprechende Maßnahmen wunderbar entwickelt.
Persönlich freut es mich vielleicht sogar mehr, dass wir alle als Team viel näher zusammengerückt sind. Jeder hilft jedem, intensiverer Austausch zwischen den Abteilungen und Touchpoints für Informationen aller Art: Dies alles hätte es ohne Covid vielleicht so nicht gegeben. Gerade als alle im „Lockdown Home Office“ saßen, glühten förmlich die Videokonferenz-Leitungen. Und ganz wichtig: Wir blieben von Corona weitestgehend verschont, schwere Fälle hatten wir nicht zu verzeichnen. So darf es gerne bleiben.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
IT-Security wird in 2022 eines der beherrschenden Themen sein. Digitalisierung ohne Sicherheit ergibt keinen Sinn und deswegen müssen viele Organisationen folglich ihr Sicherheitsniveau verbessern. Dabei darf die Größe des Unternehmens keine Rolle spielen – ein Handwerksbetrieb muss ebenso aufrüsten wie der internationale Konzern.
Wir sehen täglich, dass Hacker und APT-Gruppen inzwischen auch die Big Player erfolgreich angreifen können. Das zeigt, welche Ressourcen Cyberkriminelle heute besitzen und dass sie keine Scheu mehr haben, auch vermeintlich gut gesicherte Netzwerke zu attackieren. Die nächste Steigerung wären Angriffe auf kritische Infrastrukturen, die per „Air Gap“ gesichert sind. Unsere Forscher haben jüngst belegen können, dass erste Schadprogramme die eigentlich isolierten Systeme befallen können. Dies alles gibt einen bitteren Vorgeschmack auf das, was kommen wird und deswegen muss mehr in die eigene IT-Sicherheit investiert werden.
Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie, beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen Sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Unternehmen investieren bereits viel mehr in Nachhaltigkeit als allgemein bekannt ist. Natürlich sind unsere Sicherheitslösungen für einen langfristigen Einsatz konzipiert, technische Schnellschüsse gibt es bei uns nicht. Nachhaltigkeit und Klimaneutralität werden bei ESET auch in anderen Sachlagen schon lange diskutiert und in Maßnahmen ausgerollt. Beispielsweise soll der neue ESET Campus in Bratislava klimaneutral gebaut und auch betrieben werden. Oder wir nutzen bei uns am Standort Jena Hybrid-Kraftfahrzeuge seit vielen Jahren – schon bevor es eine staatliche Förderung gab. Auch bei Dienstreisen wollen wir noch mehr auf den Öffentlichen Nahverkehr oder die Bahn umschwenken. Wir sind damit in der Vergangenheit wortwörtlich gut gefahren und wirklich überzeugt davon.
Oftmals sind es aber gerade die Kleinigkeiten, die die Nachhaltigkeit stärken und das Klima schützen sollen: Büro-Obst aus regionalem Anbau ohne Verpackung, wiederverwertbare Getränkeflaschen, LED-Lampen im gesamten Gebäude oder energiesparendes Arbeitsplatzequipment, das erst nach Bedarf und nicht nach Laufzeit ausgetauscht wird. Wir haben ein schönes Konzept entwickelt, das sowohl nachhaltig wirkt als auch sogar Geld spart.
Wie gut ist Ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
ESET setzt seit vielen Jahren auf ein hybrides Arbeitsplatzmodell sowie verteilte Teams. Beispielsweise arbeitet die PR-Abteilung – verteilt über ganz Deutschland hinweg – im Home Office. Dies gilt auch für das Vertriebsteam, damit die Wege zum Kunden einfach kürzer sind. Auch in anderen Bereichen werden wir weitere Home-Office-Möglichkeiten bereitstellen. Trotzdem wird das gute alte Büro weiter bestehen bleiben, als Heimatbasis sozusagen. Hier trifft man sich und so manch einer arbeitet dort lieber als zuhause.
In Österreich sehen wir ganz klar den Trend zu flexibleren Arbeitsplätzen. Dies messen wir anhand der verkauften Sicherheitslösungen für mobile Geräte und der Ausstattung im Sinne des „Multi Secured Endpoints“ (also Malwareschutz, Verschlüsselung und Multi-Faktor-Authentifizierung auf jedem Endpoint bzw. Notebook). Offensichtlich nutzen österreichische Unternehmen auch immer mehr Cloud-Dienste wie Microsoft 365. Unsere Sicherheitslösung genau dafür zählt zu unseren Top-Verkäufen.
Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Aktuell sind in Deutschland mehr als 80.000 Stellen im IT-Umfeld unbesetzt. Dies vermeldet der deutsche Digitalverband Bitkom in einer in Auftrag gegebenen Studie. In Österreich dürfte die Gesamtanzahl zwar geringer sein, das Problem an sich aber ebenso brisant. Denn die weltweit vorangetriebene Digitalisierung verschärft den Mangel an IT-Kräften noch mehr.
Gleichzeitig schaffen es Universitäten, Fachhochschulen oder andere weiterbildende Einrichtungen nicht, genügend Nachwuchstalente auszubilden. Der Kampf um Fachkräfte spitzt sich weiter zu: Denn neben Unternehmen buhlen auch Behörden, Polizei, Militär und viele andere Bereiche um qualifizierte Fachleute. Noch schlimmer ist es in dem Spezialgebiet IT-Security, in dem die Nachfrage wohl am größten ist. Jede Organisation muss sich mit diesem Thema beschäftigen, aber (bezahlbare) Fachkräfte sind kaum zu finden. Hinzu kommt, dass nicht jede IT-Kraft oder jeder Administrator auch Experte in IT-Sicherheit ist. Die vorhandenen Grundkenntnisse reichen bei weitem nicht aus, um Cyberkriminellen erfolgreich gegenüber treten zu können.
Es führt kein Weg daran vorbei, möglichst schnell und dennoch hochqualifiziert auszubilden. Es sind aber nicht nur weiterführende Schulen und Organisationen gefragt. Auch in Unternehmen oder Behörden muss mehr ausgebildet werden. Diese Form wird leider zu sehr vernachlässigt, weil die Ausbilder selbst kaum Zeit finden, um die eigentliche Arbeit erledigt zu bekommen.
Für den Bereich IT-Security können Managed Service Provider einen Teil der Problematik auffangen. Aber auch jedes Unternehmen selbst, indem es adäquate Sicherheitslösungen einsetzt und seine Mitarbeiter permanent weiterbildet und schult.
Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.
Be the first to comment