Beim ITWelt.at Roundtable über die Zukunft der digitalen Transformation diskutierten sieben IT-Experten über die Herausforderungen, Chancen sowie die Bedeutung von KI. Hier die gesammelten Statements von Dr. Mario Drobics, Head of Competence Unit Cooperative Digital Technologies bei AIT. [...]
Welche Rolle spielt das AIT in der angewandten Forschung zur Digitalisierung?
Das Austrian Institute of Technology, kurz AIT, ist die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung Österreichs mit rund 1.500 Mitarbeitenden. Unser Institut fokussiert auf die Forschungsschwerpunkte „Resiliente und nachhaltige Infrastrukturen“, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Gesundheit sowie „Digitale Transformation von Industrie und Gesellschaft“.
Am AIT Center for Digital Safety & Security, in dem ich tätig bin, arbeiten etwa 230 Expertinnen und Experten an Schlüsselthemen wie Quantenverschlüsselung für sichere Kommunikation, Cybersecurity und zuverlässige IoT-Systeme. Mein Schwerpunkt liegt auf Datenaustausch und Datenökosystemen, also der Frage, wie Daten effizient und sicher genutzt werden können.
Ein wesentlicher Fokus ist zudem der Einsatz von künstlicher Intelligenz, insbesondere um Geschäftsprozesse zu optimieren und gesellschaftliche Herausforderungen datenbasiert zu adressieren.
Welche Hürden stehen der digitalen Transformation aus Ihrer Sicht im Weg?
Zwei zentrale Herausforderungen der digitalen Transformation sind Investitionen und Vertrauen.
Zum einen erfordert die Digitalisierung tiefgreifende Eingriffe in Unternehmensprozesse und -strukturen. Die notwendigen Investitionen – sowohl finanziell als auch organisatorisch – sind oft ein Hemmnis, weil sie langfristige Strategieänderungen erfordern.
Zum anderen spielt das Vertrauen in digitale Systeme eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es um den Umgang mit Daten geht. Viele Unternehmen haben bereits erhebliche Fortschritte in der internen Digitalisierung gemacht. Doch sobald der nächste Schritt ansteht – also die Teilhabe an Datenökosystemen über Unternehmensgrenzen hinweg, etwa entlang der Wertschöpfungs- oder Lieferkette – entstehen oft große Vorbehalte.
Hier braucht es klare Rahmenbedingungen, um Vertrauen zu schaffen. Dazu gehören technische Standards, geeignete Werkzeuge und eine rechtliche Absicherung, die den sicheren Datenaustausch ermöglichen und Unternehmen ermutigen, den nächsten Schritt in der digitalen Transformation zu gehen.
Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der digitalen Transformation?
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg der digitalen Transformation ist das Bewusstsein für den Wert von Unternehmensdaten. Durch die Fortschritte im Bereich KI wird immer deutlicher, dass Daten nicht nur ein Nebenprodukt sind, sondern einen echten wirtschaftlichen Mehrwert schaffen können.
Der erste Schritt besteht darin, sich systematisch zu fragen: Welche Daten stehen im Unternehmen zur Verfügung? Welchen geschäftlichen Nutzen können sie generieren? Wie lassen sie sich gezielt einsetzen, um einen messbaren Impact zu erzielen?
Dabei geht es nicht um Digitalisierung als Selbstzweck, sondern darum, den Geschäftserfolg zu steigern. Eine durchdachte Datenstrategie hilft, Potenziale zu identifizieren – oft nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Gerade in Österreich mit seiner kleinteiligen Unternehmensstruktur sind Kooperationen mit Lieferanten und Partnern essentiell. Ein effektiver Datenaustausch kann die eigene Leistung verbessern und neue Mehrwerte schaffen.
Um Unternehmen auf diesem Weg zu unterstützen, setzen wir auf „Test-Before-Invest“-Ansätze, wie sie beispielsweise in den Digital Innovation Hubs in Österreich angeboten werden. Dort können Unternehmen in einem klar definierten Rahmen konkrete Problemstellungen durchspielen und den Nutzen neuer Technologien direkt erleben – ohne sofort große Investitionen tätigen zu müssen.
Diese praxisnahe Herangehensweise hilft, Hemmschwellen abzubauen und zeigt Unternehmen, dass Digitalisierung und der gezielte Einsatz von Daten ein klarer Wettbewerbsvorteil sind. Denn am Ende des Tages geht es genau darum: konkurrenzfähig zu bleiben.
Werden regulatorischen Anforderungen als Hemmnis oder Boost gesehen?
Viele Unternehmen sehen neue Vorgaben zunächst als Belastung. Das ist verständlich – plötzlich gibt es zusätzliche Anforderungen, mehr Verantwortung, in manchen Fällen sogar persönliche Haftung. Und natürlich bringt das erstmal Unsicherheit mit sich. Gerade kleinere Unternehmen haben oft das Gefühl, dass alles auf einmal kommt und schwer überschaubar ist.
Aber genau hier setzt gute Beratung an. Die entscheidende Frage ist doch: Gehe ich die Umsetzung nur so an, dass ich die Mindestanforderungen erfülle und das Thema abhaken kann? Oder nutze ich die Gelegenheit, um mein Unternehmen langfristig besser aufzustellen?
Ein gutes Beispiel ist der digitale Produktpass, der ab 2026 kommt. Das bedeutet erstmal Mehraufwand – Unternehmen müssen ihre Rohstoffe, Produktionsprozesse und Recyclingmöglichkeiten genau dokumentieren. Aber wenn dies clever geschieht, können Unternehmen damit auch den Wert der eigenen Produkte steigern.
Wer etwa eine nachhaltige, lokale Produktion nachweisen kann, steht im Vergleich zu einem Wettbewerber mit langen Lieferketten aus Asien plötzlich besser da. Auch Kunden verlangen zunehmend Transparenz. Sie wollen wissen, woher ein Produkt kommt und wie umweltfreundlich es ist. Und das gilt nicht nur für den Endkundenmarkt – auch bei Ausschreibungen kann es ein echter Vorteil sein, wenn man zeigen kann, dass die eigene Lieferkette stabiler oder CO₂-neutraler ist.
Am Ende ist es immer eine Frage der Perspektive: Sehe ich eine neue Anforderung nur als Pflicht oder als Chance? Wer Letzteres tut, kann daraus einen echten Wettbewerbsvorteil generieren.
Inwiefern ist die digitale Transformation die Grundlage für den Einsatz von KI?
Die digitale Transformation ist der übergeordnete Prozess, der Unternehmen auf allen Ebenen verändert. Wir erleben diesen Wandel nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch als Endnutzer in unserem Alltag. Künstliche Intelligenz ist dabei längst ein zentraler Baustein dieser Entwicklung.
In Gesprächen mit Unternehmen zeigt sich jedoch oft eine grundlegende Herausforderung: Viele sind nicht ausreichend vorbereitet auf den Einsatz von KI. Ihnen fehlen die notwendigen Datenstrukturen und optimierten Geschäftsprozesse, um KI-Technologien sinnvoll zu integrieren. In solchen Fällen wird schnell klar: Bevor über KI gesprochen wird, muss zunächst die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Letztlich führt die Diskussion über künstliche Intelligenz viele Unternehmen genau zu dieser zentralen Frage: Wie gelingt eine erfolgreiche digitale Transformation?
Welche Rolle spielt die KI in den IT-Abteilungen?
Das Spannende ist, dass sich durch KI gerade die Rolle der IT in Unternehmen massiv verändert. Ein CTO aus der öffentlichen Verwaltung hat mir kürzlich erzählt, dass die Endanwenderinnen und Endanwender diejenigen sind, die Innovation vorantreiben. Sie experimentieren mit KI, sehen den unmittelbaren Nutzen für ihre tägliche Arbeit.
Damit verschiebt sich die Aufgabe der IT-Abteilungen. Statt primär Innovationstreiber zu sein, müssen sie nun verstärkt Compliance und Integration sicherstellen: Wie kann ich KI-gestützte Lösungen in bestehende Prozesse einbinden? Wie halte ich regulatorische Vorgaben ein? Die IT ist also gefordert, nicht nur Innovationen zu ermöglichen, sondern auch sicher und strukturiert in die Unternehmenswelt zu überführen.
Auf der anderen Seite – dort, wo wir als Forschungsunternehmen tätig sind – geht es um die Frage: Was kann ich mit KI erreichen, das vorher gar nicht möglich war? Ein Beispiel ist die Materialforschung. Mit KI lassen sich völlig neue Ansätze entwickeln, die Unternehmen enorme Potenziale eröffnen. Es geht nicht mehr nur darum, Prozesse zu optimieren, sondern auch darum, Produkte und ganze Geschäftsmodelle neu zu denken.
Besonders spannend ist, dass KI dabei nicht nur auf klassische strukturierte Daten angewiesen ist. Auch textuelle Informationen, Fachwissen und Erfahrungswerte, die bislang schwer greifbar waren, lassen sich nun nutzen, um neue Erkenntnisse und Lösungen zu generieren. Das eröffnet Unternehmen völlig neue Möglichkeiten, mittel- und langfristig echten Mehrwert zu schaffen.
Wie verändert der unbewusste Einsatz von KI den Umgang mit sensiblen Daten?
Ein wichtiger Punkt, den man nicht unterschätzen darf, ist, dass KI-Tools oft unbewusst und ohne klare Kontrolle eingesetzt werden – einfach, weil sie sich im Arbeitsalltag auf natürliche Weise anbieten. Beispiel: Am Ende eines Meetings erhalten die Kollegen und Kolleginnen automatisch ein Protokoll, das eine KI mitgeschrieben hat. Das Problem? Keiner in der Runde war sich bewusst, dass überhaupt eine KI aktiv war.
Gerade in Projekten mit sensiblen oder sicherheitskritischen Informationen kann das zu erheblichen Risiken führen. Unternehmensdaten könnten unbeabsichtigt in externe Systeme gelangen, ohne dass jemand aktiv eine Entscheidung dazu getroffen hat. Das zeigt, wie wichtig es ist, eine Awareness für den bewussten Einsatz von KI zu schaffen.
Gleichzeitig geht es aber nicht darum, Innovation zu blockieren. Vielmehr braucht es souveräne Alternativen: On-Premise-Lösungen oder Trusted-Cloud-Umgebungen, die Unternehmen mehr Kontrolle über ihre Daten geben. Wenn diese sicheren Angebote fehlen, werden Mitarbeitende zwangsläufig auf externe, oft unkontrollierbare Lösungen zurückgreifen – und genau das kann schnell zu massiven Problemen führen.
Wo liegt die größte Herausforderung beim Einsatz von KI in Unternehmen?
Was wir derzeit beobachten – sowohl im Umgang mit Daten generell als auch speziell mit KI –, ist, dass auf den oberen Managementebenen oft eine hohe Awareness vorhanden ist. Ebenso sind die Mitarbeitenden an der Basis häufig sehr offen für neue Technologien, weil sie direkt von den Verbesserungen profitieren. Doch dazwischen gibt es oft eine Lücke. Und genau diese mittleren Ebenen müssen wir gezielt abholen.
Es braucht neue Formen der Einbindung, damit Innovationen von unten herauf wirklich funktionieren. Ein entscheidender Punkt ist dabei der Wissensverlust durch Generationenwechsel. Gerade im öffentlichen Sektor sehen wir das aktuell sehr stark. In Bereichen wie dem Aufbau und Betrieb von Messnetzen, die vor 30 oder 40 Jahren installiert wurden, gehen nun viele erfahrene Fachkräfte in Pension – und mit ihnen verschwindet wertvolles Wissen, das oft nicht dokumentiert wurde.
Ohne KI wird es schwer, dieses Wissen in den Organisationen zu halten. Gleichzeitig müssen Mitarbeitende ermutigt werden, selbst zu experimentieren und KI sinnvoll in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Doch damit das nicht unkontrolliert passiert, braucht es eine klare Einbindung in den Unternehmenskontext.
Auf strategischer Ebene wiederum müssen Unternehmen einen strukturierten Fahrplan entwickeln: Wie sieht eine nachhaltige Datenstrategie aus? Welche Potenziale lassen sich mit KI heben? Welchen konkreten Mehrwert will das Unternehmen generieren?
Wenn diese Ebenen zusammenspielen – also die strategische Richtung klar ist, das mittlere Management eingebunden wird und Mitarbeitende KI gezielt nutzen –, dann kann eine Organisation das volle Potenzial der digitalen Transformation ausschöpfen.
Wie kann man Menschen erfolgreich in die digitale Transformation einbinden?
Die Menschen mitzunehmen, ist tatsächlich entscheidend. Das ist auch der Grund, warum wir in unserem Digital Innovation Hub so stark auf praxisnahe Testprojekte setzen. Es geht darum, konkret zu zeigen, wie neue Technologien in der Realität funktionieren und welchen Mehrwert sie im Arbeitsalltag bringen.
Besonders wichtig ist dabei der Aha-Effekt: Wenn Mitarbeitende sehen, dass KI ihnen tatsächlich hilft – sei es durch die Automatisierung von Routineaufgaben oder indem sie ihre Arbeit spannender und kreativer macht –, dann wächst die Akzeptanz ganz natürlich. Deshalb sind Pilotprojekte und greifbare Beispiele so wertvoll.
Aber es reicht nicht, nur auf die Effizienzsteigerung zu schauen. Rahmenbedingungen wie Ethik, Rechtssicherheit und Datenschutz müssen von Anfang an mitgedacht werden. Nur so entsteht das Vertrauen, das notwendig ist, damit neue Technologien nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrgenommen werden.
Letztlich geht es darum, ein positives Mindset zu schaffen: Wenn Mitarbeitende erleben, dass Digitalisierung nicht nur Veränderungen bringt, sondern echte Erleichterung im Arbeitsalltag, dann wird sie nicht nur akzeptiert – sondern auch aktiv mitgestaltet.

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