Was tun gegen den Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Die COMPUTERWELT online blickt ins „Silicon Valley“ Österreich nach Hagenberg und sprach mit Roland Sprengseis, COO bei bluesource mobile solutions, über die aktuelle Lage und mögliche Lösungsansätze. [...]

Roland Sprengseis, COO bei bluesource mobile solutions und Leiter des Bereichs Human Resources.

Wie beurteilen Sie die Lage bezüglich des Fachkräftemangel?

Roland Sprengseis: Der Fachkräftemangel ist eklatant. Das betrifft nicht nur ITFachkräfte, sondern ist ein generelles Problem, dass nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa bemerkbar ist. Dieser beschränkt sich nicht nur auf Programmierer. Eine Spur besser ist die Situation bei Projektleitern. Sucht man aber Projektleiter mit technischen Background, womöglich welche mit Programmiererfahrung, dann wird es wieder schwieriger. Wie gesagt, das Problem besteht nicht nur in Österreich, sondern ist europaweit vorhanden. So findet beispielsweise in Outsourcingzentren wie Rumänien bereits ein großes Gerangel um Fachkräfte statt.

D.h. Fachkräfte in EU-Staaten zu finden, kann kurzfristig keine Lösung sein. Man müsste eigentlich in Drittstaaten suchen, um Fachkräfte zu finden?

Genau. Grundsätzlich ist Outsourcing in EU-Ländern schon sehr schwierig geworden. Man findet zwar noch Kräfte dort, die bereit sind in der IT zu arbeiten – aber da kann es dann schon sein, dass es wiederum an der Ausbildung mangelt. 

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Brauchen wir noch mehr Programmierer? Welche Kompetenzen werden in der IT-Branche gesucht?

Ja, natürlich brauchen wir noch Programmierer, aber wir brauchen genauso Systemadministratoren, Systemerhalter, wir brauchen Leute, die sich um die Infrastruktur kümmern, die wissen, wie man einen Server aufsetzt. Man braucht heute sehr viel mehr IT-Sicherheitskräfte. Man braucht inzwischen sehr viel im Bereich Kreativität und Design und Leute, die sich um das Benutzerverhalten wirklich kümmern, indem sie Anforderungen von einem Kunden aufnehmen und in eine Sprache übersetzen, mit der ein Programmierer wirklich etwas anfangen kann. 

Ein klassisches, komplexes IT-Projekt spielt sich vom Design bis hin zur Implementierung auf sehr verschiedenen Ebenen ab. Da sind viele Firmen involviert, die koordiniert werden müssen, da geht es bis hin zur Qualitätssicherung und Vermarktung. In einem IT-Projekt sind schon ganz schön viele Stellen eingebunden. 

Sie haben circa 50 Mitarbeiter. Wie viele Mitarbeiter suchen Sie gerade?

Suchen, wünschen, das ist immer so relativ. Wir haben zur Zeit sechs offene Stellenausschreibungen. Wenn ich aber fünf bis sieben Programmierer bekommen könnte, wäre ich nicht unzufrieden. Programmierer sind immer gefragt. Wir ziehen mit 1. September um, da wird die Situation auch leichter. Wenn wir zehn qualifizierte Fachkräfte finden könnten, wäre das nett – realistisch ist, das für dieses Jahr noch zwei bis drei Personen für uns gewinnen können.

Was müsste am heutigen Bildungssystem verbessert werden, damit künftig ein Mangel an  Fachkräfte verhindert werden kann?

Ich bin mir nicht sicher, ob es am Bildungssystem scheitert. Ich glaube, dass man die Affinität zu technischen Berufen einfach früher ansetzen muss. In Oberösterreich gibt es die CoderDojos, die bereits Kindern ab sechs oder sieben Jahren die Möglichkeit bieten, in die Welt der Computerprogrammierung hinein zu schnuppern. Aus meiner Sicht sollte man Kinder, die sich dafür interessieren, schon frühzeitig mit technischen Spielzeug spielen lassen. 

Die Begeisterung für Technik sollte aus meiner Sicht sehr früh beginnen und der Zugang sehr spielerisch gestaltet sein. Wichtig ist auch zu erkennen, dass sich logischerweise nicht jede Person für einen IT-Beruf oder technischen Beruf eignet. Es gilt jedoch, die Angst vor der Technik zu nehmen – das aber nicht erst, wenn die Schülerinnen und Schüler 14 Jahre alt sind.

Was bietet Ihr Unternehmen konkret, um mehr geschultes Personal anzulocken?

Also alleine werden wir den Fachkräftemangel nicht abfedern können. Tatsächlich machen wir uns darüber sehr viele Gedanken. Wir bieten zum Beispiel Berufsinformationstage für Jugendliche an, die dann zu uns in den Betrieb kommen und einen Tag lang mit arbeiten können. Da sehen sie, dass IT nicht nur Programmierung ist, sondern dass IT auch Projektleitung ist, dass IT auch kreativ im Sinne von Design ist. Da können Schülerinnen und Schüler wirklich am Leben in unserer Firma teilnehmen. Auf diese Art haben wir es schon öfters geschafft, dass sich junge Menschen für einen IT-Beruf bzw. eine HTL entschieden haben. Weiters unterstützen wir z.B. das CoderDojo in Linz, wo wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Trainer und Trainerinnen zur Verfügung stellen. Gemeinsam soll hier in Hagenberg eine Lehrlingswerkstätte errichtet werden, wo junge Leute zum „Applikationsentwickler – Coding“, zur „Applikationsentwicklerin – Coding“ ausgebildet werden. 

Ferner bieten wir Fachhochschulstudenten ab dem ersten Semester eine geringfügige Beschäftigung an, wo sie unseren Betrieb kennenlernen, indem sie im Ausmaß von acht Stunden bei uns im Unternehmen integriert werden und sich etwas dazu verdienen können. Wir versuchen auf vielfältige Art und Weise Leute davon zu überzeugen, dass IT-Berufe eine gute zukunftstaugliche Wahl sind.

Welche Maßnahmen offerieren sie der bestehende Belegschaft, die ihr Unternehmen ja ebenfalls attraktiver für neue Mitarbeiter machen?

Da gibt es sehr viele Maßnahmen. Grundsätzlich beginnt bei uns die Mitarbeiterbindung bereits beim Vorstellungsgespräch. Als ITUnternehmen bewirbt man sich ja quasi bei dem Programmierer, der Programmieren oder dem Techniker, der Technikerin. Diese Wertschätzung der Person des Bewerbers, der Bewerberin versuchen wir schon bereits im Vorstellungsgespräch darzustellen. Wir haben jetzt ungefähr 50 Mitarbeiter und rund 30 verschiedene Zeitmodelle von Teilzeit über Überstundenpauschale. Wir haben uns von All-in-Verträgen verabschiedet, weil sie defacto nichts bringen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten von Sabbaticals und Karenzzeiten. Gerade das Thema Zeit bzw. flexible Zeiteinteilung ist bei ITEntwicklern, bei Programmieren und Projektleitern sehr hoch geschätzt. Wir haben bereits seit Längerem Gleitzeit ohne Kernzeit. Zudem haben wir vor einigen Monaten eingeführt, dass jeder zweite Freitag frei ist. Das heißt die Firma wurde zweigeteilt, so dass die Büros durchaus jeden Freitag besetzt sind, aber jeden zweiten Freitag kann man sich freinehmen und hat so alle 14 Tage eine Vier-Tage-Woche. Das wird sehr gut angenommen. 

Wir haben ein PD-Team, ein People-Department-Team, das sich laufend um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Firma Bluesource kümmert. Hier entstand die Gleitzeit ohne Kernzeit, die Vier-Tage-Woche alle 14 Tage sowie verschiedenste Mitarbeiterevents. Wir haben vier fix gesetzte Mitarbeiterevents, bei denen es darum geht, dass sich die Menschen besser kennenlernen, wofür ja im Arbeitsalltag oft keine Zeit ist. Gerade das Thema Team-Building ist für uns ganz wesentlich. Ich brauche nicht unbedingt den besten Programmierer, aber ich brauche einen teamfähigen Programmierer. Nur so kommen wir in unseren Projekten weiter. 

Den Onboarding-Prozess haben wir perfektioniert, indem einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin ein Buddy zur Seite gestellt wird, der einen die ersten Wochen begleitet und in die Arbeitswelt von Bluesource einführt. 

Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg für die Mitarbeiterbindung ist, dass man wirklich auf die Individualität und die individuellen Anforderungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingeht. Wir achten auch darauf, dass nicht überbordend viele Überstunden anfallen. Wichtig ist, dass man sich in den 37,5 bis 40,25 Arbeitswochenstunden, die es bei uns gibt, auf die Arbeit konzentrieren kann. Deswegen versuchen wir viele Dinge den Mitarbeitern – soweit dies möglich ist – abzunehmen. Wir haben einige ausländische Mitarbeiter und hier helfen wir bei Behördengängen, teilweise bei der Wohnungssuche, bei der Integration. Das schlägt sich auch ind er Loyalität der Mitarbeiter nieder. Wir sind stolz darauf, dass der erste Mitarbeiter, den wir vor 17 Jahren eingestellt haben, noch immer bei uns arbeitet. Das ist schon eine Art Ritterschlag.

Welche Wünsche haben Sie an die Politik, um eine bessere Arbeitsplatzsituation zu schaffen?

Wir hatten mit dem ehemaligen Landeshauptmann Stellvertreter Michael Strugl (Anm. er bekleidete diese Position von 2013 bis 2018) in Oberösterreich jemanden gehabt, der die Herausforderungen und Bedürfnisse der IT verstanden hat. Nach seinem Abgang wurden die IT-Berufe aus der Liste der Mangelberufe gestrichen worden sind. Das war für uns eine Katastrophe. Inzwischen sind IT-Berufe wieder auf der Fachkräftemangelliste und es funktioniert wieder besser, eine Arbeitserlaubnis für hochqualifizierte ausländische Mitarbeiter im IT-Bereich zu bekommen. Doch das hätte aus meiner Sicht gar nicht passieren dürfen. Zudem scheinen die Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit eher noch den Verhältnisse aus dem Zeitalter der Industrialisierung zu entsprechen als den gegenwärtigen von Wissensarbeitern im IT-Bereich.

Weitere Informationen zum Unternehmen bluesource mobile solutions finden Interessierte unter www.bluesource.at.



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